jessesmaria hat geschrieben:Ich habe ja eigentlich nur eine Erklärung gesucht, warum das Elsass von allen Rieslingregionen in und um Deutschland (also verglichen mit den deutschen Pfalz, Mosel, Rheinhessen etc.) hierzulande die geringste Aufmerksamkeit erfährt (s. Forum, oder Beispiel Lobenberg: "Pfalz" bringt 267 Treffer, "Mosel" 381, "Elsass" 27, zum Vergleich: "Piemont" 388).
Vielleicht als Ergänzung zu dem, was der Wein-Schwede schon geschrieben hat, noch ein paar Worte von einem älteren Weintrinker, der das Auf und Ab der Region selber mitbekommen hat.
Das Elsass hatte im deutschen Weinmarkt einmal eine absolute Boomphase, die ist allerdings rund vierzig Jahre her. Damals wurde ein gutes Drittel der elsässischen Gesamtproduktion nach Deutschland exportiert. Das nach hier exportierte Volumen ist seitdem sukzessive um fast 90% zurückgegangen, wobei rund die Hälfte von dem, was heute noch nach Deutschland kommt, Crémant und kein Stillwein ist.
Sowohl die Gründe für den Boom als auch für den Niedergang sind einigermaßen klar auszumachen.
Gegen Ende der 70er Jahre begann in Deutschland eine grundlegende Neuorientierung des Weinkonsumenten - weg von dem bis dahin den deutschen Markt fast komplett beherrschenden restsüßen Stil zu trockenen Weinen, und der Bedarf konnte anfänglich aus dem Inland nicht gedeckt werden, da sich die deutschen Winzer erst umstellen mussten und zum Teil mit trockenen Weinen selber zunächst "gefremdelt" haben. Die Elsässer füllten mit ihren (damals) völlig trockenen Weinen die Marktlücke, wobei ihnen die im Grunde genommen ja "deutschen" Bezeichnungen ihrer Weine und die immer noch verwandte Stilistik ihnen sicherlich entgegen kam. Dass damals Frankreich im Bezug auf Kulinarik und allgemein "gehobenem Lebensstil" das Maß der Dinge war, dürfte auch geholfen haben.
Als die deutschen Winzer gegen Ende der 80er und in den 90ern mit ihren trockenen Weinen Tritt gefasst haben und qualitativ immer besser wurden, ging das Alleinstellungsmerkmal nach und nach verloren, und das Interesse ging zurück. Gleichzeitig kam Frankreich etwas "aus der Mode" und das Interesse des Publikums an Kulinarik und "Lifestyle" verschob sich nach Italien, berühmt-berüchtigt war die Toscana-Fraktion führender Politiker, die dieZeit diesbezüglich sicher mitgeprägt haben.
Was wesentlich schwerer zu erklären ist, ist der Stilwechsel, der sich im Elsass seitdem vollzogen hat. Waren früher zumindest die Basisweine durchweg trocken (Ausnahmen gab es nur beim Gewürztraminer), sind die Weine im Durchschnitt mit der Zeit immer süßer geworden, der heute vorherrschende Stil würde in Deutschland vermutlich unter "feinherb" laufen. Es ist heute auch vor Ort gar nicht so einfach, zum Essen einen völlig trocken Wein zu bekommen, da muss man auf einen kompetenten Sommelier hoffen oder zu den richtig teuren Erzeugern greifen, und selbst da kann's schon mal arg süßlich zugehen. Wie vom Wein-Schweden geschrieben: das Etikett sagt zur Süße meistens nichts... es ist schon paradox: im gleichen Maße, wie in Deutschland die Weine immer trockener wurden, wurden sie im Elsass immer süßer
Dazu kommt noch, dass die Weine in der Regel recht säuremild sind, auch der Riesling (ich vermute, dass hier alles grundsätzlich eine Malo durchläuft), und die Alkoholgrade meistens hoch sind. Das ergibt eine Mixtur, die in Deutschland im Moment gerade nicht angesagt ist: säuremild, alkoholstark, manchmal dazu süßlich. Der Wein-Schwede hat's ja schon auf den Punkt gebracht...
Aber Deutschland ist als Markt für die Elsässer im Moment eben auch uninteressant geworden. Da gehen statt wie früher 35% der Produktion je nach Jahr nur noch 3 bis 4% hin, da muss man sich um den Geschmack der Konsumenten dort nicht so viel Gedanken machen. Und irgendwann kippt die Mode wieder..., aber dann
Gruß
Ulli