Sa 22. Mai 2021, 00:20
Danke für den Bericht, Bibbel! Freut mich, wenn auch andere hier mitmachen.
Heute gab es bei mir wieder einen interessanten Vergleich. Ich bin ja, wie anderswo schon erläutert, stets auch auf der Suche nach großen Würfen zum kleinen Preis. Heute verglich ich deshalb zwei Gutsweine [sorry: Guts- und Ortswein],
Wittmann Riesling Estate 2020 vs.
Fritz Haag Brauneberger Riesling J 2019. Regulär kosten diese Weine zwar 11,90€ bzw. 15,50€, ich habe aber jeweils im Angebot ersteren für 10,15€ und letzteren für 10,90€ bekommen.
Interessant: Parker vergab dem Wittmann Estate 2019 91 Punkte, fast gleich auf mit dem doppelt so teuren Niersteiner aus ersten Lagen (91-92 RP). Der Haag kommt mit 92-94 RP etwas besser weg. Bei Lobenberg kommt Wittmanns Niersteiner (97+) wesentlich besser weg als der Estate (93), wobei der Haag (96+) näher am Niersteiner ist.
Den Niersteiner hatte ich vor einigen Wochen im Glas und noch gut in Erinnerung. Zunächst einmal aber standen beide Weine im Schatten des vor nur wenigen Tagen verkosteten Elsass-Rieslings von Albert Boxler (siehe entsprechender Thread). Dieser hat mit seinen konzentrierten Aromen, seiner opulenten Art und dichten Textur einen so bleibenden Eindruck hinterlassen, dass vor allem der Wittmann, den ich schon gestern geöffnet hatte, im Vergleich dünn und flach daherkam – insbesondere solo am Abend. Heute Mittag zum Pilzrisotto machte er eine bessere Figur.
Heute Abend dann der Vergleich mit Haag:
In der Nase ist der
Haag glasklar vorne. Reife Tropenfrucht (Mango, Ananas) verspricht viel Substanz, während der
Wittmann die typische Eisbonbon-Nase eines Einstiegsrieslings bietet.
Am Gaumen beim
Haag immer noch die reife gelbe Frucht (auch Pfirsich, Aprikose), in der Tat dichter als der Wittmann, jedoch im Abgang eine leichte Bitterkeit, die die Harmonie ein klein wenig trübt. Der
Wittmann sehr leicht, kristallin, statt Tropenfrucht eher Birne, weiße Frucht, darin etwas an Weißburgunder erinnernd, aber mit hoher Säure. Sehr harmonisch, aber etwas dünn, mit wenig Druck – vor allem auch im Vergleich mit dem mir bestens in Erinnerung gebliebenen Niersteiner, den ich in einer ganz anderen Liga sehe.
Der Gewinner? Für mich der Haag, vor allem wegen der Nase; am Gaumen ist der Wittmann fast etwas klarer und harmonischer, aber letztlich für mich, der lieber solo trinkt, zu dünn. Als erfrischender Begleiter zu einem fettigen Essen aber eine ziemlich gute Wahl (wahrscheinlich besser als der Haag).
So ganz mein Glück habe ich in der 10€-Kategorie bislang nicht gefunden. Dann trinke ich lieber eine Flasche weniger, und dafür Albert Boxlers Riesling, in dem m. E. so viel drin steckt wie in vier Flaschen Wittmann Estate. Natürlich ganz subjektiv (Lobenberg attestiert dem Wittmann "hohe Komplexität") und Äpfel mit Birnen. Fairerweise: Der Boxler war von 2015 und ist jetzt vielleicht ganz auf der Höhe. Aber so etwas für 10€ muss ich erst noch finden...
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jessesmaria am So 23. Mai 2021, 08:25, insgesamt 1-mal geändert.