Hallo,
gestern ging es dann weiter mit der Verkostung von Pinot Noir. Es standen jeweils vier Weine aus Neuseeland und vier Weine aus Oregon zur Verkostung an. Die Weine wurden blind verkostet ohne besondere Ordnung (nachher hat sich herausgestellt, dass es in jedem Flight einer aus Neuseeland und einer aus Oregon war), mittags wurden kleine Flaschen abgefüllt, so dass die Weine abends bei der Verkostung auch schon einiges an Luft bekommen hatten. Die Weine sind und wirkten alle noch sehr jung. Das Niveau war durchaus sehr gut, es gab keinen Wein, der qualitativ merklich abgefallen ist.
Das stilistische Spektrum der Weine war durchaus recht divers und hat damit auch in unserer Runde zu recht kontroversen Meinungen, Einschätzungen und Vorlieben geführt. Im Gegensatz zu der vorangegangenen Verkostung von deuschen und französischen Pinot Noir ist es uns nicht gelungen, die Weine ihrer Herkunft zuzuordnen.
Oregon:
Die geologischen und pedologischen Informationen zu der Weinbauregion habe ich im Wesentlichen dieser Seite entnommen:
[Link]. Vor 15 Mio Jahren ist die Pazifische Platte mit der Nordamerikanischen kollidiert. Dabei hat sich das Willamette-Valley als geflutetes Gebiet zwischen den entstandenen Gebirgsketten (Pacific Coast Ranges im Westen und die Cascade Ranges im Osten) geformt. Vulkanische Aktivität in den Cascade-Ranges hat für Lavaflüsse aus Basalt gesorgt. In dem letzten 50 tsd Jahren sind Sedimente an die Hügleketten angeweht worden und haben Löss gebildet. In der Zeit vor 15 - 10 tsd Jahren wurde die Gegend dann immer wieder von flutartig abfließenden Stauseen des Schmelzwassers des Laurentidischen Eisschilds geflutet (Missoula-Fluten). Dabei wurde eine Menge Sediment in das Willamette Valley eingetragen, das heute zu einer sehr hohen Fruchtbarkeit führt.
Der Weinbau wird nur auf den Hügelketten betrieben, da die Talsenken im Winter und Frühjahr von empfindlichen Frösten betroffen sein können und die Fertilität des Bodens zu hoch ist für qualitativ anspruchsvolle Weine. Die Böden auf den Hügelketten werden dabei in drei Typen unterteilt, Böden auf den marinen Sedimenten (Willakenzie, Bellpine, Chuhulpim, Hazelair, Melbourne, Dupee), Böden auf Basalt ( Jory soil, Nekia, Saum) und Lössböden (Laurelwood). Der Pazifik sorgt für moderat warme Temperaturen im Sommer und für milde Winter. Willamette Valley liegt ~ auf dem 45. Breitengrad, also auf der Höhe von z.B. von Mailand und Bordeaux, südlicher als das Burgund (47. Breitengrad); Oregon hat also im Vergleich eine intensivere Sonneneinstrahlung bei moderateren Temperaturen. Ich meine, es werden eigentlich nur Pinot Noir Klone mit Ursprung im Burgund verwendet, es ist aber nicht in allen Fällen explizit beschrieben.
Wir hatten vier Weine aus verschiedenen AVA (American Viticultural Area), wobei drei dieser Herkunftsbezeichnungen Böden auf Basalt besitzen (
McMinnville,
Eola-Amity-Hills,
Dundee-Hills) und eine marine Sedimente (
Ribbon Ridge).
Kelley Fox Wines - Momtazi Vineyard Pinot Noir - McMinnville - 2015:
Die Farbe recht kräftig für einen Pinot Noir, die Frucht ist mir etwas zu üppig-reif, die Kirsche hat schon eine gewisse Tendenz Richtung Eisbecher. Aktuell recht schwer zu verkosten, weil doch scheinbar recht verschlossen.
Arterberry Maresh - Pinot Noir Old Vines - Dundee Hills - 2016:
Die Säure ist recht prägend, dazu eine charmante, schöne Frucht, gewisse Komplexität und Feinheit. Stilistisch gefällt mir das recht gut, sehr klassisch; vielleicht ist er aktuell auch etwas verschlossen. Ich bin unentschlossen, wie ich den Wein, besonders im Bezug auf seinen Preis, einordnen soll.
St. Innocent Winery - Pinot Noir Temperance Hill Vineyard - Eola-Amity Hills - 2015:
Mein Favorit in der Probe. Ich finde den Wein recht burgundisch-klassisch mit etwas modernem Einschlag. In der Gruppe wurde das sehr kontrovers diskutiert. Die Karamell-Note war einigen zu modern und aufdringlich. Am 2. Tag hat sich das aber gut eingebunden, der Wein erscheint insgesamt klassischer, nun die Gerbstoffe sehr präsent. Die Trauben vollständig entrappt. Der Wein wirkt noch sehr jung, aber mit schönen Gerbstoffen und viel Frucht (charmant, ohne aufdringlich zu sein). Ich denke, der kann sich sehr schön entwickeln.
Patricia Green Cellars - Estate Vineyard Old Vine - Pinot Noir Ribbon Ridge - 2016:
Der Wein von dem Weingarten auf marinen Sedimenten. Der war schon voller und konzentrierter als die anderen, hatte auch am meisten Alkohol. Ob das am Boden liegt? Keine Ahnung. Pinot Noir Klone aus dem Burgund. Das hat schon Qualität, ist mir aber zu laut und intensiv, schon leicht aufdringlich. Die Aromen in ihrer Zusammenstellung sprechen mich nicht so an. Für den Wein wurden unterschiedliche Chargen mit mehr oder weniger Rappen vergoren:
Multiple fermentations ranging from completely de-stemmed to 66% whole cluster. Und das ist etwas, was ich meine, mich zusätzlich dran zu stören: Der Wein wirkt stilistisch widersprüchlich, in seinen Bestandteilen inkonsistent. Wenn ich Trauben aus einem Weingarten mit unterschiedlichen Anteilen an Rappen vergäre, bekomme ich für mein Verständnis unterschiedliche Weine, welche in der Assemblierung ein wenig natürliches Produkt liefern.
Stilistisch unterscheiden sich die Weine, vom Grundcharakter bzw. dem Traubenmaterial ist das aber schon recht ähnlich.
Neuseeland:
Im Gegensatz zu den verkosteten Weinen aus Oregon verteilen sich die Pinot Noir aus Neuseeland über eine große geographische Breite. Black Canvas und Ata Rangi (~41. Breitengrad; etwa Neapel oder Madrid), Burn Cottage (45. Breitengrad) und Black Estate (43. Breitengrad; etwas Marseille).
Ata Rangi - Pinot Noir - Martinborough - 2017:
Die Aromen im Mund sind harmonisch und gefallen mir gut. Die Frucht etwas dunkler, voller und kräftiger. Insgesamt recht ausdrucksstark, was ich in Summe durchaus der intensiveren Sonneneinstrahlung durch den äquatornäheren Breitengrad (im Vergleich zu Oregon) zuschreiben würde. Der Wein wirkt auch noch sehr jung und sollte noch reifen, im Kontext der Probe und allgemein empfinde ich ihn als recht teuer. Die Weingärten sind mit dem
Abel-Klon bestückt, der seinen Ursprung wohl im Burgund
[Link] hat.
Blank Canvas Wines - Upton Downs Pinot Noir - Malborough - 2016:
Der Wein tanzte durch seine Machart etwas aus der Reihe. Das wirkt auf mich recht früh gelesen aus einer nicht-cool-climate Region, rotfruchtig-frisch. Etwas kam bei mir die Assoziation an Gauby auf. Die Säure zart, aber Frische durch die 40% unentrappten Trauben. Recht trüb und farblich blass. Das ist ein interessanter Wein, jetzt gut trinkbar und offen, mit der Lagerfähigkeit wär ich eher vorsichtig. Das Weingut gibt es erst seit ein paar Jahren, vielleicht müssen die sich technisch mit dem Rappeneinsatz noch etwas finden.
Burn Cottage - Moonlight Race Pinot Noir - 2018:
Verschiedenste Klone (burgundische) aus zwei Weingärten, 15% unentrappt. Den Rappen merkt man meiner Meinung nach durch fehlende Reife. Die Gerbstoffe sind nicht schön. Im Jahrgangsbericht steht was von frühester Ernte ever. Ich finde die Fruchtaromen teilweise schon recht reif, die phenolische Reife hingegen nicht ausreichend. Mit 13.6% Alkohol und Extrakt wirkt das für einen Spätburgunder auch durchaus etwas fett.
Black Estate - Damsteep Pinot Noir - North Canterbury - 2017:
Der wirkt noch sehr jung, merkliche Frische durch den Rappen (im Tech-Sheet steht:
74% De-stemmed, not crushed, 80% Whole berries, das ergibt für mich keinen Sinn bzw. ich begreife nicht, wie viel Rappen dabei war), die Säure aber eher mild, man merkte den BSA; einige störte in der Nase ein leicht laktischer Ton. Am ersten Tag mit etwas Eleganz, am 2. Tag werden die Gerbstoffe präsenter und der Wein wirkt etwas rustikal. Mir hat der recht gut gefallen, eine gewisse Neugier auf die Entwicklung verspüre ich schon, aber 35€ sind sicher auch kein Schnäppchen.
Alle Weine, aus Oregon und aus Neuseeland, hatten eine gewisse grundlegende Ähnlichkeit. Das würde ich in erster Linie den überall verwendeten burgundischen Klonen zuschreiben. Stilistisch ergibt sich dann eine recht große Bandbreite und zeigt schon, was man mit Pinot Noir alles machen kann. Ich tendiere dazu, als zweiten, wichtigen Einflussfaktor den Breitengrad mit seinem Einfluss auf die Intensität und Dauer der Sonneneinstrahlung - und damit die aromatische Expressivität - zu bennenen. Ich finde die Weine alle aromatisch etwas ausdruckstärker (bis lauter), als Weine aus dem Burgund.
Die Weine ware und wirkten alle noch sehr jung, waren nicht einfach zu erfassen und teilweise verschlossen. Vielleicht kann man in einer solch geballte Probe nicht jedem Wein ausreichend gerecht.
Mein Favorit ist der St. Innocent, der ist m.M. nach auch am nähesten am Burgund. Man kann sich schon fragen, wie sinnvoll es ist, nach (sehr gelungenen) Zwillingen zu suchen und ob es nicht eigentlich viel spannender ist, nach Weinen aus Oregon und Neuseeland mit ihrem eigenen Terroir- und Kulturausdruck zu suchen.
Ich finde das aber sehr schwer zu benennen, natürlich ist das nach einer solchen Stichprobe auch nicht möglich. Durch die Auswahl der Klone und die verwendeten Techniken im Keller sind die Weine nun mal aber auch sehr nah am Burgund dran; mir ist nicht so klar, in welche Richtung da ein Distinktionsmerkmal geht. Ich habe mich gefragt, ob es im Falle der Weine aus Oregon diese Verbindung von klassischen Elementen im Weinberg und modernen Techniken im Keller ist. So habe ich die Weine von Patricia Green und Kelley Fox wahrgenommen, den Reiz für mich habe ich daraus noch nicht identifiziert. Den Vorschlag, mehr deutsche Klone zu verwenden, möchte ich explizit aber auch nicht machen
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Grüße, Josef