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Gerade eben durfte ich recht spontan im Il Calice an einer kleinen Präsentation durch Alberto Passeri von La Gerla teilnehmen. Wahrscheinlich war ich der einzige, oder einer von sehr wenigen Amateuren unter einem guten Dutzend Händlern, Gastronomen und Sommeliers. Und der einzige, der seine Klappe nicht gehalten und munter drauflosgefragt hat.
Vor der Übernahme durch Sergio Rossi gehörten die insgesamt 12ha Weinberge bei Canalicchio im Nordosten und Castelnuovo dell'Abate im Südosten Biondi Santi; die Klone sind dieselben, und alle Weine sind zu 100% daraus gemacht. Nicht ohne Stolz verwies Alberto darauf, daß es La Gerla durch die beiden sehr unterschiedlichen Lagen möglich ist, in nahezu allen Jahren ausgewogene Ergebnisse zu erzielen - eine Besonderheit. Manchmal ist ihr Brunello fast komplett aus dem Süden, manchmal aus dem Norden, oder eben gemischt.
Stilistisch zielen sie Alberto zufolge auf Eleganz und vor allem "Trinkbarkeit" bei Tisch ab; das beste Maß sei "Flasche/Glas leer". Ob die Weine, vor allem die Brunelli, wie dargestellt "klassisch" sind, kann ich mangels Erfahrung nicht sagen. Fruchtexpression und Traubenreife gehen m.M.n. durchaus als modern durch. Der Holzeinsatz ist meist eher moderat: Der Ausbau erfolgt (neben Stahl) zumeist in neuen 50-100hl-Fässern, nur der Birba wird in Barriques ausgebaut. Das Toasting scheint sich mir sehr in Grenzen zu halten; wenn Holzeindruck, dann eher in der vanilligen Richtung, und nicht Kaffee, angebranntes Toast usw..
Die Weine:
2018 Poggio gli Angeli IGT
Neu unterhalb des Rosso angesiedelt, weil dieser in Anspruch und Preis deutlich angezogen hat. Für glasweisen Ausschank gedacht. 3 Monate in neuen großen Fässern. Sehr fruchtgetrieben (Kirsch), pikante Säure (auch CO₂). Sauber gemachter Einstiegswein.
2018 Rosso die Montalcino DOC
Bis auf die Verweildauer im Holz von 10 Monaten und die Verwendung dreier verschieden alter Fässer von jung nach alt, identische Behandlung (hieß es zuerst). Deutliche Vanille. Mehr Struktur, auch Säure weniger pikant, aber frisch. Auf Nachfragen spez. wegen des CO₂ dann die Aussage, daß ein Teil auf längere Zeit im Stahl zurückzuführen sei, aber auch Unterschiede bei der Mazeration mitverantwortlich seien. Jedenfalls war mir hier etwas zuviel Holz für die Struktur im Spiel. Mir wurde versichert, daß sich das mit etwas mehr Alter geben würde.
2016 Birba IGT
Eigentlich ein "3-jähriger Brunello". Könnte auch als solcher gemacht werden, soll aber nicht. Das ist ein großes Glück, denn nicht nur ist der Wein öfter mal PGV Sweet Spot, sondern in "schlechten" Jahren wird er auch noch (wie der Brunello) mit deklassifizierten gli-Angeli-Trauben aufgestockt. In 2009 war das z.B. der ohnehin schon beachtlichen Qualität weiter zuträglich. Als einziger im Portfolio in Barriques aus französischer Eiche ausgebaut; dafür sehr maßvolles Holz. Erheblich mehr Komplexität als in den beiden Einstiegsweinen. Dann doch etwas Vanille, aber kein Vergleich mit dem Rosso. Anhaltender Frischeeindruck. Sehr gut.
2015 Brunello di Montalcino DOCG
Hier dann wieder großes Faß aus slowenischer Eiche. Diffuse Nase. Weicher Körper, aber schöne Säure. Könnte druckvoller sein. Wirkt nicht absolut trocken. Im Abgang etwas "wässrig". Für mich unter PGV-Aspekten der schwächste Wein der Runde, was ich so auch kommuniziert habe. Ich hatte das Gefühl, daß Alberto hier diplomatisch wurde. Jedenfalls lobte er den Wein, aber etwas verhalten. 2015 war wohl von der Witterung nicht so heiß wie z.B. Bordelais oder Deutschland. Die Lese war auch erst in der zweiten Oktoberwoche, also nicht ausgewiesen früh. Keine Ahnung, was hier die Ursache ist.
2010 Brunello di Montalcino DOCG
Viel strukturierter als 2015, kühlerer Charakter, schwärzer. Feine Tannine. Balanciert und lang! Für mich deutlich der beste Wein der Probe.
2013 Brunello di Montalcino DOCG "Riserva gli Angeli"
Deutlich balancierter und feiner! Jung, immernoch fruchtgetrieben. Eher elegant, etwas "leichter". Der unauffälligste Wein der Probe, aber durchaus schön.
2004 Brunello di Montalcino DOCG "Riserva gli Angeli"
Beginnend tertiär, dadurch viel komplexer. Neben Restfrucht Leder, Waldboden u.v.a.m.. Immernoch kräftige mittelkörnige Tannine. Die eindrucksvollste Aromatik der Probe. Wenn die Tannine etwas weniger dominieren würden, vermutlich die No. 1 der Probe, aber so für mich mit Birba (aber deutlich anders) auf Platz 2 und 3.
Wichtig war Alberto, daß eine Handschrift quer durch's Portfolio erkennbar sei. Das kann man ohne zu zögern bestätigen: Alle zeichnen sich durch verführerischen Charme und elegante Zugänglichkeit aus, ohne daß sie dadurch banal würden. Und auch das Ziel der "Trinkbarkeit" wird erreicht.
Mal sehen - noch etwas spontaner als heute Mittag kann ich nachher am Dinner teilnehmen. Ich vermute, daß alle Weine tendenziell gewinnen werden, 2004 womöglich am deutlichsten. Außerdem wollen Alberto und Gianluca versuchen, den 2017er Rosso mitzubringen, um mir zu "beweisen", daß es nicht zuviel Holz ist (ich weiß, Äpfel und Birnen). Ich werde dann nochmal ein kleines Update geben.
PS: Er hat später von einem Pilzproblem berichtet, mit dem sie sich herumschlagen. Möglicherweise handelt es sich um Schwarzfäule, aber ich habe die Details nicht genau verstanden. Jedenfalls war er optimistisch, daß sie eine Behandlungsmöglichkeit gefunden haben könnten (biologischer Cocktail aus "feindlichen" Pilzen, Bakterien u.a.m., keine chemischen Fungizide). Ob das etwas mit der Qualität des 2015ers zu tun haben könnte? Vielleicht kann ich nachher noch nachfragen.
Vor der Übernahme durch Sergio Rossi gehörten die insgesamt 12ha Weinberge bei Canalicchio im Nordosten und Castelnuovo dell'Abate im Südosten Biondi Santi; die Klone sind dieselben, und alle Weine sind zu 100% daraus gemacht. Nicht ohne Stolz verwies Alberto darauf, daß es La Gerla durch die beiden sehr unterschiedlichen Lagen möglich ist, in nahezu allen Jahren ausgewogene Ergebnisse zu erzielen - eine Besonderheit. Manchmal ist ihr Brunello fast komplett aus dem Süden, manchmal aus dem Norden, oder eben gemischt.
Stilistisch zielen sie Alberto zufolge auf Eleganz und vor allem "Trinkbarkeit" bei Tisch ab; das beste Maß sei "Flasche/Glas leer". Ob die Weine, vor allem die Brunelli, wie dargestellt "klassisch" sind, kann ich mangels Erfahrung nicht sagen. Fruchtexpression und Traubenreife gehen m.M.n. durchaus als modern durch. Der Holzeinsatz ist meist eher moderat: Der Ausbau erfolgt (neben Stahl) zumeist in neuen 50-100hl-Fässern, nur der Birba wird in Barriques ausgebaut. Das Toasting scheint sich mir sehr in Grenzen zu halten; wenn Holzeindruck, dann eher in der vanilligen Richtung, und nicht Kaffee, angebranntes Toast usw..
Die Weine:
2018 Poggio gli Angeli IGT
Neu unterhalb des Rosso angesiedelt, weil dieser in Anspruch und Preis deutlich angezogen hat. Für glasweisen Ausschank gedacht. 3 Monate in neuen großen Fässern. Sehr fruchtgetrieben (Kirsch), pikante Säure (auch CO₂). Sauber gemachter Einstiegswein.
2018 Rosso die Montalcino DOC
Bis auf die Verweildauer im Holz von 10 Monaten und die Verwendung dreier verschieden alter Fässer von jung nach alt, identische Behandlung (hieß es zuerst). Deutliche Vanille. Mehr Struktur, auch Säure weniger pikant, aber frisch. Auf Nachfragen spez. wegen des CO₂ dann die Aussage, daß ein Teil auf längere Zeit im Stahl zurückzuführen sei, aber auch Unterschiede bei der Mazeration mitverantwortlich seien. Jedenfalls war mir hier etwas zuviel Holz für die Struktur im Spiel. Mir wurde versichert, daß sich das mit etwas mehr Alter geben würde.
2016 Birba IGT
Eigentlich ein "3-jähriger Brunello". Könnte auch als solcher gemacht werden, soll aber nicht. Das ist ein großes Glück, denn nicht nur ist der Wein öfter mal PGV Sweet Spot, sondern in "schlechten" Jahren wird er auch noch (wie der Brunello) mit deklassifizierten gli-Angeli-Trauben aufgestockt. In 2009 war das z.B. der ohnehin schon beachtlichen Qualität weiter zuträglich. Als einziger im Portfolio in Barriques aus französischer Eiche ausgebaut; dafür sehr maßvolles Holz. Erheblich mehr Komplexität als in den beiden Einstiegsweinen. Dann doch etwas Vanille, aber kein Vergleich mit dem Rosso. Anhaltender Frischeeindruck. Sehr gut.
2015 Brunello di Montalcino DOCG
Hier dann wieder großes Faß aus slowenischer Eiche. Diffuse Nase. Weicher Körper, aber schöne Säure. Könnte druckvoller sein. Wirkt nicht absolut trocken. Im Abgang etwas "wässrig". Für mich unter PGV-Aspekten der schwächste Wein der Runde, was ich so auch kommuniziert habe. Ich hatte das Gefühl, daß Alberto hier diplomatisch wurde. Jedenfalls lobte er den Wein, aber etwas verhalten. 2015 war wohl von der Witterung nicht so heiß wie z.B. Bordelais oder Deutschland. Die Lese war auch erst in der zweiten Oktoberwoche, also nicht ausgewiesen früh. Keine Ahnung, was hier die Ursache ist.
2010 Brunello di Montalcino DOCG
Viel strukturierter als 2015, kühlerer Charakter, schwärzer. Feine Tannine. Balanciert und lang! Für mich deutlich der beste Wein der Probe.
2013 Brunello di Montalcino DOCG "Riserva gli Angeli"
Deutlich balancierter und feiner! Jung, immernoch fruchtgetrieben. Eher elegant, etwas "leichter". Der unauffälligste Wein der Probe, aber durchaus schön.
2004 Brunello di Montalcino DOCG "Riserva gli Angeli"
Beginnend tertiär, dadurch viel komplexer. Neben Restfrucht Leder, Waldboden u.v.a.m.. Immernoch kräftige mittelkörnige Tannine. Die eindrucksvollste Aromatik der Probe. Wenn die Tannine etwas weniger dominieren würden, vermutlich die No. 1 der Probe, aber so für mich mit Birba (aber deutlich anders) auf Platz 2 und 3.
Wichtig war Alberto, daß eine Handschrift quer durch's Portfolio erkennbar sei. Das kann man ohne zu zögern bestätigen: Alle zeichnen sich durch verführerischen Charme und elegante Zugänglichkeit aus, ohne daß sie dadurch banal würden. Und auch das Ziel der "Trinkbarkeit" wird erreicht.
Mal sehen - noch etwas spontaner als heute Mittag kann ich nachher am Dinner teilnehmen. Ich vermute, daß alle Weine tendenziell gewinnen werden, 2004 womöglich am deutlichsten. Außerdem wollen Alberto und Gianluca versuchen, den 2017er Rosso mitzubringen, um mir zu "beweisen", daß es nicht zuviel Holz ist (ich weiß, Äpfel und Birnen). Ich werde dann nochmal ein kleines Update geben.
PS: Er hat später von einem Pilzproblem berichtet, mit dem sie sich herumschlagen. Möglicherweise handelt es sich um Schwarzfäule, aber ich habe die Details nicht genau verstanden. Jedenfalls war er optimistisch, daß sie eine Behandlungsmöglichkeit gefunden haben könnten (biologischer Cocktail aus "feindlichen" Pilzen, Bakterien u.a.m., keine chemischen Fungizide). Ob das etwas mit der Qualität des 2015ers zu tun haben könnte? Vielleicht kann ich nachher noch nachfragen.
Besten Gruß, Karsten