20. Bayerntalk "Giro d`Italia"

Servus Freunde,

heute geht es mir bei Sonnenschein wieder richtig gut, gestern eigentlich auch, aber ich war doch kaputt und etwas lustlos.

Klaus, deine Ersatz-Location war wirklich 1A, wann hat man schon ein ganzes Hotel exklusiv für sich? Dass meine Nachhauseweg diesmal ganze 9 Minuten dauerte, fand ich nebenbei auch nicht übel ! Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir nicht zum letzten Mal bei Toni waren, es sei denn, er will uns nicht mehr !

Grüße
Don

Dürfte wohl der durchschnittlich bestbewertete Bayerntalk bisher gewesen sein.

Ich habe mich aber dieses Mal auch sehr angestrengt und war sehr wohlwollend in meinen Bewertungen. Irgendwann muss ich ja auch nett zu Klaus und seinen geliebten Italienern sein !

Spaß beiseite: Zu meinen "A"-Noten stehe ich, die Weine waren fast durchgehend hervorragend und hochwertig. Hätte es allerdings noch "B" Noten für Trinkspaß und Kaufreflexe gegeben, dann wären meine Noten hier eher in der Kategorie ausreichend/mangelhaft gelandet. Aber meine Vorlieben sind ja bekannt und leicht durchschaubar .

Details folgen noch.

Don

Hallo Klaus,

vielen Dank für die wirklich spannende Probe und die angenehme Location. Ich kann mich da nur vollinhaltlich anschließen: Tony hat seinen Job wirklich gut gemacht, gutes und reichliches Essen sowie angenehme und ruhige Zimmer. Und daneben benommen haben wir uns ja auch nicht , so dass wir ja mal wieder dort vorbei schauen könnten.

Als Italien-Laie fang ich einfach mal mit den Weinbeschreibungen an.

Außer Konkurrenz gab es zum Eintrinken einen durchaus ordentlichen Petit Chablis und den weißen Domaine de l'Horizon von Thomas Teibert, der in seiner alkoholleichten, flintigen Sponti-Art äusserst trinkig war.

Doch nun zu den eigentlichen Weinen des Giro d'Italia:

2006er Were Dreams, now it is just wine Chardonnay (Jermann)-Friaul-

mittleres reifes Goldgelb, deutlich gereifte Art, Hauch Oxidation,Karamell, füllig , Aprikose und Zitrus, mächtiger Körper, Alkohol gebändigt durch eine relativ frische Säure, relativ viel Holz für relativ wenig Frucht, mittellanger bis langer, wuchtiger Abgang. Der Wein ist schon etwas über dem Höhepunkt und wäre vor 2-3 Jahren besser (aber auch teurer ) gewesen, ein gut gemachter, aber etwas seelenloser "Weltwein" ohne erkennbare Herkunft. Die Meinungen und Bepunktungen waren hier durchaus sehr unterschiedlich.

2009er Eisacktaler Sylvaner "R" (Köfererhof)-Südtirol-

in der Nase frisch geschnittenes Gras, etwas Apfel und Birne mit etwas Kräuter im Hintergrund,absolut trocken mit angenehmer Säure, gut eingebundener Alkohol, die wie beim Vorgänger ebenfalls vorhandenen 13,5 Vol % sind weit weniger spürbar, mittelgewichtig, eher straffer und sehniger Körper,dezent gerbige Mineralität, leider nur relativ kurzer Abgang. Ein sehr angenehmer trinkiger Silvaner, der aber gegen sehr gute fränkische Silvaner nicht den Hauch einer Chance hätte.

Nach einem kirschig-knackig-trockenem Lambrusco (Tenute Assolo Reggiano DOC) war dann der Zeitpunkt für die Roten des Giro d'Italia gekommen:

1990er Rubesco Vigna Monticchio Torgiano Rosso Riserva (Lungarotti)-Umbrien-

gereifte Farbe mit ziegelroten Tönen, feine und komplexe "Altweinnase"! mit Tabak Leder und pfeffrigen Noten, kühle elgante Stilistik, auf der Zunge dank frischer Säure schlanke, aber nicht magere Stilistik, deutliche reife Sekundäraromen, mürbe Dunkelfrucht, erinnert frappierend an einen in Ehren gereiften Bordeaux,der Wein verabschiedet sich etwas abrupt, kommt aber mit langer Rückaromatik wieder. Sehr schöner Altwein, der schon ein klein wenig über dem Höhepunkt hinaus ist, sich aber noch bestens präsentiert.

----- L'Insieme Selezione Fattorie Decennale (Diverse Erzeuger, Jahrgänge und Herkünfte)

Ein Verschnitt verschiedener Jahrgänge und diverser Weine von unterschiedlichen Winzern und Herkünften, quasi eine gesamtitalienische Cuvee.
zunächst ein Hauch Oxidation, der aber sehr schnell verschwand, kräftige, jugendliche Farbe, reife Kirschfrucht mit etwas Bittermandel in der Nase, noch leicht eckiges Tannin, kraftvoller Körper, sehr fleischig, wärmender Alkohol, aber nicht alkoholisch dank strukturierender Säure, bleibt gut am Gaumen haften, noch sehr jugendlich mit Potenzial (aus der Magnum).
Sehr gelungene Cuvee mit deutlich italienischer Seele.

2000er Ornellaia (Antinori)-Toskana-

aüsserst jugendliche Farbe, kräftiges Rubinrot, eine pralle Ladung Herzkirschen in der Nase, etwas Bittermandel, Holz im Hintergrund, kraftvoller Eindruck, auf der Zunge ein richtiger Powerwein, viel Tannin, aber sehr feinkörnig, gute Säure, mächtiger Körper, leider auch fast etwas brandiger Alkohol (14,5 Vol%), langer Abgang.
Ein etwas monolithischer, aber fein gearbeiteter Monsterwein, bei dem etwas weniger deutlich mehr gewesen wäre. Für mich ist es sehr fraglich, ob sich der massive Alkohol noch einbinden wird. Nach dem Aufdecken war ich doch etwas erschrocken. Ich habe schon den einen oder anderen Ornellaia aus den 90er Jahren getrunken (den 95er mehrmals) und hätte den Wein niemals wiedererkannt. Hat hier ein Stilwandel, weg von der Eleganz und Finesse, zu purer Opulenz und Power stattgefunden ? Sicherlich ein guter Wein, aber viel Trinkfluss und Trinkspass kommt hier bei mir nicht auf.

1995er Mille e una Notte (Donnafugata)

sehr feine, optimal gereifte Nase,Leder, Tabak und reife dunkle Früchte,elegant und finessenreich, frische Säure, weitgehend abgeschmolzenes Tannin, Herzkirsche mit deutlich Himbeere und Cassis, wirkt etwas burgundisch und gar nicht nach südlicher Herkunft, langer filigraner Abgang.
Eine echte Ãœberraschung und ein Klasse-Wein. Der beste Mille e una Notte, den ich bisher im Glas hatte.

Ausser Konkurrenz kamen dann als Zwischengang 2 Rote:

2004er Veneroso IGT Toscana (Tenuta di Ghizzano)-Toskana-
leider korkbeeinflusst, ansonsten ein typischer 3-Gläser-Gambero-Rosso-Wein: perfekt gearbeitet, mit 30% Cabernet Sauvignon aufgemotzter Sangiovese, konzentriert, aber etwas austauschbar.

und als einziger Pirat:
2005er Negramoll Crianza LA Palma DOC (Llanovid, La Palma)-Spanien-
witzige, frucht-cassis-betonte Nase mit etwas Himbeeren, gute Säure, eher mittelgewichtig, sehr trinkig, mittellanger Abgang. Ein Charakterkopf.

Fortsetzung folgt !

Grüsse
Bodo

... und weiter geht's mit dem Giro d'Italia:

2001er Brunello di Montalcino Riserva (Fuligni)-Toskana-

archetypische Sangiovesenase, reife Herzkirsche, florale Einschübe (Veilchen), dicht und fruchtintensiv, angenehm gereift. kräftiges , aber passendes und feinkörniges Tannin, auflockernde Säure, fleischig, aber auch einiges an Eleganz und Finesse, vollkommen eingepasster Alkohol, langer Abgang. Klasse Brunello mit hohem Spassfaktor.Behält diese Form sicherlich noch einige Jahre. Einer der besten Weine des Abends.

1996er Barolo "Prapo" Bricco Rocche (Ceretto)-Piemont-

Ceretto gilt zwar eher als "Modernist", dieser Barolo wirkt aber wohltuend traditionell:
leicht gereifte Farbe mit Ziegelrotreflexen, typische Barolonase mit Preiselbeeren, Pflaume, etwas Teer und grüner Pfeffer, auf der Zunge kantiges, aber noch nicht trocknendes Tannin, kräftige Säure, kräftiger Körper, eingepasster Alkohol, mittellanger bis langer, etwas rustikaler Abgang. Ein Wein mit Charakter. Wird aber wohl nicht mehr besser.

2005er Etna Rosso Feudo di Mezzo Quadro delle Rose (Tenuta delle Terre Nere)Sizilien-

deutliche Lacknote, die leider nicht verflog, trotzdem ein sehr interessanter und gar nicht so wuchtiger Wein aus dem Süden, ein Tick burgundisch, relativ helles Kirschrot, florale Noten, Himbeere und Kirsche, kühler Gaumenauftritt, noch kantiges Tannin, frische Säure, durchaus fein und elegant, mittlere Länge mit angenehmer Rückaromatik.

2004er Granato Teroldego (Foradori)-Trentino-
kräftiges, jugendliches Rubinrot, sehr feine, noch verhaltene Walbeerenfrucht (Blaubeere) mit Pflaume und einem Schuss Himbeere,dezenter, sehr gelungener Holzeinsatz, würzig, noch viel zu jung, aber mit deutlich Potential. Kühle Stilistik mit feinkörnigem Tannin und belebender Säure, Holz ganz im Hintergrund, viel Substanz und Fruchtdichte mit noch cachierter Finesse und Vielschichtigkeit, gute Länge.
Noch mindestens 5 Jahre wegsperren, dann kann man einen wirklich grossen Wein entkorken.
Klasse Stoff ! Aber auch jetzt schon sehr verführerisch !!

Fortsetzung folgt !!

Grüsse
Bodo

.... und weiter geht's mit dem Giro d'Italia:

2003er Montepulciano d'Abruzzo "Villa Gemma" (Masciarelli)-Abruzzen-

schwarz wie Arabiens Nächte, sehr konzentriert und fruchtdicht, etwas Holz, Kakao, dunkle Beeren, sehr animierend. Auf der Zunge viel Grip,feinkörniges Tannin, gut eingebundene Säure, kraftvoller Körper, aber hervorragend eingebundener Alkohol (14,5 Vol%) ohne jegliche Brandigkeit und Überreife, noch etwas verschlossene Beerenfrucht, sehr konzentriert, langer Abgang.
Ein Powerwein mit angenehmen Proportionen, der noch Potential haben dürfte und wohl auch noch etwas Eleganz entwickeln kann.

1998er Amarone (Allegrini)-Venetien-
gereifte Farbe, leicht likörige Frucht, Brombeere und Kirsche, dezente Würze, wirkt fast etwas spritig.
dezente Extraktsüsse, weitgehend abgeschmolzenes Tannin, passende Säure, der Alkohol drückt aber mächtig durch, spritige Portweinnoten, vielleicht schon etwas über dem Punkt, langer, wärmender Abgang. Unbedingt jetzt trinken, da der Alkohol immer mehr spürbar wird. Trotzdem zweifellos ein guter Amarone.

Dann kamen die "Süssen":

2000er Recioto di Valpolicella (Tezza)-Venetien-

sehr lebendige Farbe, feine Dunkelbeerenfrucht,bestens eingebundenes Holz, noch sehr lebendig, perfektes Süsse/Alkoholverhältnis, viel fruchtbetonter als der Amarone, keinerlei Überreife oder Spritigkeit, langer Abgang. Ein sehr guter Recioto im besten Alter. 92 P.

1990er Vin Santo (Monsanto)-Toskana-

Gereifte, angenehme Nase mit dezenter Rancionote,mürbe Frucht, dito auf der Zunge, würzig (Walnuss und Koriander),angenehme, nicht überzogene Süsse, mit passender Säure, mittellanger bis langer, würziger Abgang. Sehr schön gereifter Vin Santo, der immer noch viel Spass macht 89 P.

Zum Abschluss noch außer Konkurrenz:

2008er Monzinger Halenberg Riesling Spätlese (Emrich-Schönleber)-Nahe-

jugendliches Grüngelb, eine volle Ladung exotischer Früchte (Maracuja, Zitrus, Mango), sehr elegant und finessenreich, macht richtig Lust auf den ersten Schluck.
Filigrane Süsse, tolle Säure, die für extreme Trinkigkeit sorgt, leichter bis mittlerer Körper, trotzdem sehr geschmacksintensiv, glasklare, laserartige Frucht, mittler bis langer, fruchtbetonter Abgang.
Der Wein steht erst ganz am Anfang, macht aber auch jetzt schon mächtig viel Trinkspass.
So eine Flasche leert sich quasi von selbst und eine zweite Flasche sollte immer parat stehen.
94 P.

2007er Trittenheimer Apotheke Riesling Kabinett (Ansgar Clüsserath)-Mosel-
Dieser finale Wein hat es naturgemäß etwas schwer gegenüber dem grandiosen Vorgänger:
feine Zitrus/Aprikosenfrucht, noch jugendlich, wirkt etwas höher dosiert in der Süsse, daher fehlt momentan noch ein wenig die Harmonie, gute Säure, leicht im Alkohol, sehr sauber und klar, aber nicht die Brillanz und Finesse des Vorgängers.
88 P.

Das eine oder andere Bierchen beendet dann diesen gelungenen Weinabend.

Grüsse
Bodo

Ich habe schon den einen oder anderen Ornellaia aus den 90er Jahren getrunken (den 95er mehrmals) und hätte den Wein niemals wiedererkannt. Hat hier ein Stilwandel, weg von der Eleganz und Finesse, zu purer Opulenz und Power stattgefunden ?

Hallo Bodo, der von dir zutreffend festgestellte Stilwechsel begann schon 1999. Ab diesem Zeitpunkt ist der Wein für mich relativ uninteressant geworden. Von den älteren Jahrgängen haben für meinen Geschmack 88,95,97 und besonders 98 herausragende Ergebnisse gebracht.

Beste Grüsse

dylan

Hi Dylan,

danke für die Info !

Grüsse
Bodo

Servus Bodo,

deine ausführlichen und fundierten Verkostungsnotizen sind wirklich gut und nachvollziehbar, da traue ich mich ja kaum noch, meine eigenen einzustellen , vor allem wenn sie noch gravierend von deinen abweichen, so wie bei dem für mich hervorragenden Jermann !

Heute ist aber erst mal Frustbewältigung nach dem gestrigen Spiel der Bayern angesagt !

Grüße
Don

Hallo Don,

Du weisst doch, dass es nur einen einzigen fundierten und immer richtigen Geschmack gibt: nämlich ausschließlich den eigenen
Also lass die Tasten glühen, sobald der "Bayern"-Kater vorbei ist.
Apropos Bayern: wer so amateurhaft verteidigt und vorne die Dinger nicht reinmacht, muss sich nicht wundern, wenn die schlechtere, aber deutlich clevere Mannschaft eine Runde weiterkommt.

Grüsse
Bodo

Macht euch mal keine Sorgen um die Bayern, die werden in der nächsten Saison wieder angreifen, in der Europa League

Gruss

dylan