Große Bordeaux 2000 Verkostung - Pomerol/St. Emilion

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dyingromeo
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Große Bordeaux 2000 Verkostung - Pomerol/St. Emilion

Beitrag von dyingromeo »

Am 19.03.2011 war es endlich wieder so weit! Weinfreund AM lud zur großen Bordeaux Sause 2000! Vor rund 2 Jahren haben wir noch den Medoc-Weinen auf den Zahn gefühlt - von denen heute einige unerschwinglich geworden sind - und diesmal sollten wir die Weinen aus Pomerol und St. Emilion treffen! Das da großes auf uns zukam, war klar...aber lest selbst!

Ich sitze gerade am Flughafen Amsterdam auf dem Weg nach Bordeaux zu den Primeurs 2010 und habe ich die Zeit gefunden meine Notizen abzutippen... Bevor es allerdings losgeht möchte ich nochmals mein herzliches "DANKE Andi" raus rufen! Du weißt wofür ;-)! So gewohnt entspannt und mit den ganzen Nasen macht's einfach am meisten Spaß ... geile Probe... here we go!


Bordeaux 2000
19.03.2011

1. GRAND MAYNE - Der erste Wein präsentiert sich gleich mit einer herrlich feinen und tiefschichtigen Nase, von saftigen rotbeerigen Früchten unterlegt die von einem Hauch Madel/Marzipan getragen werden und zu dem sich ein dezente Portion Vanille gesellt. Nase und Gaumen zeigen sich mit dezenter Süße und toller Frische, moderner Einschlag, sehr rund und fleischig am Gaumen und doch eine ausgewogene Eleganz zeigend. Der Abgang endet auf saftiger Kirsche und zeigt eine überdurchschnittliche Länge. Potenzial ist vorhanden und so dürfte der Wein gut und gerne noch 2 Punkte zulegen können.
90+/100
2. ANDREAS - Zurückhaltende Nase, kaum Frucht, dafür deutlich stallige Aromen. Am Gaumen wirkt der Wein eher kantig und etwas ungehobelt, burschikos trifft es wohl am besten. Auch im Abgang nicht eher kurz im Vergleich zu den beiden anderen Weinen. Ich würde ihm den Titel „klassischer Essenbegleiter“ geben und zu einem saftigen Steak servieren. Da dürfte dder Weine seine volle Stärke aufweisen.
St. Emilion alter Schule. 86/100
3. CANON LA GAFFELLIERE - Expressive Nase mit viel Tiefgang der sich nach und nach im Glas immer deutlicher ausbaut, aktuell aber noch sehr vom Holz dominiert wird. Der Gaumen zeigt enormen Druck und kleidet den Mundraum vollkommen aus, dabei zeigen sich die Tannine sehr fein und geschliffen, obwohl der Wein sicherlich noch nicht im Ansatz die Pubertät erreicht hat. Antrinkbar, aber unglaublich jugendlich und braucht sicherlich noch 5 Jahre bis zu den ersten Genussschlücken. Hat ganz klar Größe und die nötige Substanz für viele Jahre Genuss auf hohem Niveau.92+/100
4. BELLEVUE – Der nächste Wein kam ins Glas und verströmte sofort einen herrlich saftigen, reifen und rotbeerigen Duft, gepaart mit einen grandiosen Süße. So fantastisch saftig –dem einen oder anderen vielleicht schon ein wenig zu „saftig“- mich hat er gleich ziemlich angesprochen, weil er in meinen Augen nicht –obwohl üppig- aufdringlich wirkte. Ganz klar ein moderner Vertreter seiner Gattung. Hinter diesem Geruchsturm an Fruchtigkeit kam leider ein –mal mehr mal weniger- deutlicher Aceton- und Klebstoffton hervor. Unglaublich tiefe Farbe, klarer Kern. Am Gaumen sehr rund und vielleicht etwas zu sehr gemacht, aber sehr einladend. Auch am Gaumen sehr saftig mit feiner Kirsche und Himbeere.
Obwohl bereits sehr trinkig- dürfte der Wein noch Potenzial für einige Jahre haben. Fruchttrinkern und –Liebhabern sei geraten, jetzt den Wein mit etwas Dekantierzeit anzutesten. Ich glaube nicht, dass da noch viel Entwicklung passieren wird…wieso auch, ist doch jetzt schon toll! 92/100
5. MONBOUSQUET – Fette Nase ohne übertrieben breit zu wirken, noch sehr holzdominiert mit ausladend möchtigem Mocca-, Kaffee- und Vanillenoten. Auch hier merkt man den modernen Einschlag deutlich. Hinter dieser Röstaromenorgie, dann aber auch ein wenig dunkelrotbeerige Frucht, mit mehr Brombeere als Himbeere. Am Gaumen zeigt der Wein dann aber deutlich Größe und spielt seinen Qualitäten voll aus. Druckvoll, sehr lang und ausgewogen, harmonisch mit feinem Tannin, deutlicherer Frucht als in der Nase. Auch wenn in diesem Stadium vielleicht das Gesamtbild noch etwas eindimensional wirkt, so bin ich fest davon überzeugt, dass das richtig gut wird. Gebt ihm einfach noch ein paar Jahre. Könnte Anspruch auf den „best Monbousquet ever“ Titel bekommen. Alleine wegen der Nase war mein Tipp Monbousquet. 94/100
6. Im nächsten Glas dann Verwunderung! Was ist das? Speck, Paprika, Rauch, Tabak, dann Kaffee! Wo war hier die Frucht geblieben? Auch am Gaumen ruppig und sehr schwierig! Eine schlechte Phase? Oder hat der Wein so sehr abgebaut? Ziemlich schnell als FIGEAC identifiziert….nicht das man dem Wein nicht anmerken würde, dass hinter all den Fragezeichen ein substantiell richtig gutes Gerüst stecken würde. Am Gaumen eher leicht und doch so druckvoll und lang. Hier zeigt sich spätestens, dass die Anlagen zur Größe gegeben sind und er von großer Herkunft ist. Gibt man dem Wein im Glas Zeit, entwickelt er sich deutlich und bestätigt doch, dass man hier auf Besserung setzen kann! Ich tippe auf Verschlussphase und bin guter Dinge. 93?/100
7. FLEUR DE GAY - Der nun folgenden hätte ich mir im Kopf etwas anders, will meinen üppiger und moderner- vorgestellt. Keine Spur von Überkonzentration, nein ausgewogen, balanciert mit viel rundem Tannin, Komplex, sehr lang und druckvoll. Überall dominiert die Kirsche. In der Nase eher die leicht likörige Variante, vielleicht auch etwas Mon-Cheri, am Gaumen eher die reife Schwarzkirsche. Obwohl die Nase etwas alkoholisch wirkt, ist am Gaumen und im Abgang nichts davon zu spüren. Tolle Tiefe und sehr lecker. 93/100 (ich hatte auf Trotanoy getippt)
8. Hatte sich hier etwa ein Pirat vom linken Ufer eingeschmuggelt? Eine so Medoc-lastige Nase von der rechten Seite der Gironde? Das muss doch Vieux Chateau Certan sein. Junge was ein Geschoss! Dieser Wein hier präsentierte eine Tiefe und Komplexität, klar noch kernig aber doch fein und balanciert, so druckvoll und doch so elegant, so jugendlich und doch schon so groß! Die Nase mit gasklarer Linie, rote Beeren, etwas Cassis, eleganter holzeinbau, nicht zu toastig, nein hier hat man exakt die Dosis gefunden die eben einen richtig großen Wein ausmacht. Ein wahnsinns Länge, auch hier feine rotbeerige Frucht, Süßkirsche, etwas Himbeere. Klasse! 95/100 …. Wie das ist nicht VCC? Das ist TROTANOY!
9. Der folgende Wein lies ähnlich wie Figeac große Augen und Fragezeichen aufkommen? Ist der Wein so … oder besser soll er wirklich so sein? Schlechte Flasche? Eins war klar, das was sich hier im Glas befand, war irgendwie so gar nicht meins. Eine extrem laktisch wirkende Nase, extrem Süß, Milchschokolade, Milchschokolade, Milchschokolade! Wer sich einmal an Kinderschokoriegeln überfressen hat, weiß jetzt was ich meine….einfach zu viel! Hinter der Michschoki, dann Himbeere, auch wieder sooo süß! Na gut…der erste Schluck…und wieder diese Süße! Absolut nicht Diabetiker geeignet! Im Abgang gesellt sich dann noch eine leichte Moccanote hinzu. Wo ist nur die nötige Säure, das Tannin um die Süße abzufedern? Für Süßweintrinker quasi eine Offenbarung…mir ist das viel zu unausgewogen. Im prinzip aber kein schlechter Wein. 90?/100 – Was das ist mein geliebter VIEUX CHATEAU CERTAN, denn ich sonst als so Medoc-lastigen Pomerol erster Klasse kenne?
10. Was nun ins Glas kam identifizierte sich schnell für mich als der Wein des Abends! Was eine tiefgründige Nase, so schön offen und einladend. Auch hier schwingte eine gewisse Süße mit, dabei war die Fruchtopulenz aber so fein und die Hintergrundnuancen so vielseitig, dass es die wahre Pracht war und ich dazu geneigt, mir den Wein Nasal zu Leibe zu führen. Himbeere, Kirsche, ein Hauch Cassis, ein Hauch Bananenchips getragen von einer sehr eleganten Holznote. Dabei hätte ich aber diesen sensationellen Gaumenauftritt verpasst, mit seinem enormen Druck, seiner Feinheit und Komplexität, die an diesem Abend seines Gleichen suchen musste. Der Abgang lang, mit Tiefgang und Vielschichtigkeit. Sensationell! TERTRE ROTEBOEUF – 97/100
11. Im gleichen Flight diese beiden Kandidaten hier. Vollkommen anders wie der Tertre Roteboeuf, aber ebenso tief und komplex…allerdings wesentlich jünger wirkend und kerniger und klassischer im Gesamtauftritt. Dieser Wein hier wollte nasal so gar nicht singen. Sehr dezent was da aus dem Glas kam. Ein Hauch Himbeere, eine Nuance Kirsche, etwas Holz, sonst kam da nicht viel. Am Gaumen dann aber eine ordentliche Breitseite! Toller Tiefgang, feine Komplexität und mit die nachhaltigste Länge im Abgang… Wahnsinn! Schmeckt ewig nach und will gar nicht mehr vom Gaumen und Rachen verschwinden. Braucht einfach noch Zeit, am besten weitere 10 Jahre liegen lassen … besser noch 15! 94+/100 Aber was war das? CHEVAL BLANC 2000! Ok! Dann aber irgendwie doch eine Enttäuschung!
12. Sein „Flightpartner“ war da wesentlich offener was das Mitteilungsbedürfnis anging…und unsere Aufnahmebereitschaft war groß! Eine gewissen Ähnlichkeit zum Wein in der Mitte ließ sich nicht leugnen…irgendwie aber würziger und noch etwas nachhaltiger als sein Pendant. Hier dominierten feine rote Beeren, ein Hauch Waldboden, erste Reife zeigend obwohl am Gaumen noch sehr jugendlich. Da dann fest gewoben mit deutlichem aber feinem Tannin, extrem Komplex und quasi perfekt balanciert. Schmeckt ewig nach! Für mich nur ganz hinter dem Tertre Roteboeuf. 96/100 - CHEVAL BLANC 1998!
13. Hell yeah! Geniale leicht exotische Nase: Süßholz, Kaffee-Mocca, dezent laktische Noten mit deutlicher Milchschokolade, ein Hauch –wirklich nur ein Hauch- gemüsige Anklänge, zeigt gleich wo der Hase langläuft und hält nicht hinter dem Berg mit dem was er zu bieten hat. Und das ist groß! Sehr runder und balancierter Gaumen, vielschichtig und enorm lang. Zeichnet sich durch seine Balance aus. Potenzial für mehr ist vorhanden. Tolle, komplexer Wein, der viele Jahre auf hohem Niveau Spaß machen wird. Antrinken. 96/100 CLOS L’EGLISE! So gut noch nie getrunken!
14. L'EVANGILE – Feine rote Früchte in der Nase. Zeigt gute Struktur, Eleganz und präsentiert sich sehr ausgewogen. Allerdings zeigt der wirklich noch ruppige Gaumen mit seiner Kernigkeit, dass er noch nicht voll auf der Höhe ist und noch einige Zeit der Entwicklung brauicht. Wird sicherlich noch besser werden. 94+/100
15. Beim 3. Wein des Flights viel gleich auf, dass er noch sehr zurückhaltend in der Nase ist und auch der Gaumen noch sehr vom mächtigen Tannin geprägt ist. Obwohl der Gaumen enorm druckvoll ist und der Abgang kein Ende findet, kommt da aktuell nicht so wirklich viel Spaß auf! Zur Zeit einfach verschlossen. Dass das richtig richtig gut ist, schmeckt auch der, der sich sonst gerne mit Lambrusco ernährt. 95+/100 LA CONSEILLANTE
16. ANGELUS – sehr tiefe Farbe, fast schwarz. Hat seit meiner letzten Begnung vor ca. 3 Jahren ziemlich dicht gemacht. Die Anlagen sind da, hohe Konzentration mit Tiefe und Komplexität. Kompakter Gaumen mit viel Gripp, kerniges Tannin, saftige Frucht! Großer Wein 95/100
17. TROPLONG MONDOT – wesentlich klassischer als die neueren Jahrgänge, die mir meist zu modern und konzentriert ausfallen. Der hier hat den nötigen Tiefgang, schmeckt einfach toll ohne ins überreife, rosinige zu verfallen und zeigt die Anlagen für eine gute Entwicklung die kommenden Jahre. Kann man sicherlich schon antrinken. 94/100
18. Schwarze Farbe, roughes Tannin, hohe Adstringenz, dunkle Kirsche. Schöner Wein IMO etwas zu breit und fett und ein kleiner „Sattmacher“. Will ich davon eine Flasche trinken? PAVIE DECESSE 93/100
19. GAZIN – feiner klassischer Pomerol, nicht zu modern, eher auf der klassischen Seite. Tolle Frucht, fein, balanciert mit Saft und Kraft! Sehr gute Länge mit der nötigen Portion Eleganz. 91/100
20. Der nächste Wein im Flight war so gar nicht meins. Sicherlich nicht schlecht gemacht. Wie man allerdings in diesem eher klassisch anmutenden Jahr eine deutliche Überreifenote hinbekommt –es sei denn es wird konzentriert was das Zeug hält und m,an will diesen überreifen Stil fördern- bleibt mir schleierhaft! Hier hätte ich anderes /besseres erwartet! LE GAY - 89/100
21. Der letzte Wein war dann nochmal eine richtige Überraschung![b][b] LE PIONTE[/b][/b] ! Pomerol wie ich es mir wünsche! Elegant, ausgewogen, saftig, aristokratisch…und das von einem „so kleinem“ Wein? Absoluter Kauftipp! Mehr Wein für das Geld kann man in Pomerol in dem Jahr wohl nicht bekommen! 93/100

Nach dem Hauptgang wurde noch ein PALMES D’OR 1996 aus der MAGNUM zur Erfrischung gereicht. Für mich der beste Champagner den je das Haus Nicolas Feuillatte verlassen hat…großes Jahr und richtig guter Champagner. Lag 10 Jahre auf der Hefe und präsentiert sich immer noch brutal jugendlich mit kantiger Säure und richtig frischer Nase! Extrem gute Länge, vielleicht noch etwas zu sehr von der Säure geprägt! Hat noch einige Reserven und wird noch viele Jahre Spaß auf hohem Niveau bieten! 94/100

Dann gab es noch einige Süßweine, von denen ich allerdings nichts mehr notiert habe und die eher enttäuscht als begeistert haben.
weinfreudige Grüße
Christian

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innauen
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Re: Große Bordeaux 2000 Verkostung - Pomerol/St. Emilion

Beitrag von innauen »

Hallo Christian,

toll wieder von Dir zu lesen. Eindrucksvolle Verkostung. Hat ob der Preise schon ein wenig den Geruch von Museumsbesuch, wo wenigstens alle zahlenden Besucher die Alten Meister ansehen können, wenn man sie schon nicht kaufen kann. Und schon wieder mischt La Pointe ganz gut mit :o :shock: :? Hatte ihn ganz anders erlebt. Naja, ich habe ja eine Pulle nachgekauft und werde das überprüfen :?: :geek:

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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dyingromeo
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Re: Große Bordeaux 2000 Verkostung - Pomerol/St. Emilion

Beitrag von dyingromeo »

Hallo Wolf,

es war die letzten Wochen einfach viel zu tun! Da musste ich mich leider auf das wesentliche konzentrieren und hatte leider nicht die Zeit mich hier intensiv einzubringen!

Gruß
Christian
weinfreudige Grüße
Christian

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oli_oli_oliver
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Re: Große Bordeaux 2000 Verkostung - Pomerol/St. Emilion

Beitrag von oli_oli_oliver »

Hi Christian,

vielen Dank für die Zusammenfassung.

Hört sich lecker an :)

Viele Grüße,

Oliver
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