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Weinreise von Baden nach Burgund - ein Querschnitt

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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argentum

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Weinreise von Baden nach Burgund - ein Querschnitt

BeitragFr 15. Apr 2011, 08:33

--Tag 3 – Reise ins Burgund und erste Eindrücke--

Hab mir erlaubt dies themengerecht in Burgund einzustellen... Ihr könnt es sonst ja noch verschieben, wenn ihr anderer Meinung seid.

Samstage sind was Schönes. Auch morgens früh, wenn man ein Ziel vor Augen hat. Ich hatte insofern meine Schuldigkeit getan. Des Weiteren war ich selbst noch regelrecht trunken von den tollen Eindrücken Deutschlands, so dass ich es noch kaum fassen konnte mein erstes Mal im Leben nach Burgund zu kommen. Und das mit Leuten, die sich schon seit 1985 dort rumtreiben. Entsprechend war ich gespannt, wie es sein würde, was uns erwartete, wie es einfach sein und wirken würde, dieses magische Burgund – denn: die Weine kennen ist eines, die Umgebung, den Winzer und den Wein in einer Verbindung erlebt zu haben etwas anderes.

Back to Topic: 0730, einmal mehr perfekt gefrühstückt in der Sonne zu Schelingen. Die Sonne geht auf und die grünen Hügel des Kasierstuhls beginnen zu leuchten. Wir besteigen unseren Bus und ab geht’s in Autobahn in Richtung Burgund. Massimo, unserer Burgundorganisator gibt uns gleich das erste Ziel durch: Givry. An der unteren Ecke der Cote werden wir am Mittag in einer Önothek einen ersten Halt machen und als Überblick eine erste Serie Weine degustieren. Hauptsächlich Weisse.

Dem ist so. 1130 Uhr treffen wir in Givry ein und Alexandra, die Partnerin des Inhabers steht auch schon bereit, um uns in Empfang zu nehmen. Mit französischem Charme werden wir in das obere Geschoss gelotst, wo sich nach dem durchgehen eines massiven und schönen Balkenganges ein wunderschöner Deguraum in Weiss und Naturstein präsentiert. An jedem Platz eine Karte der Cote d’Or, mit Käse überbackene Brötchen und genügend Wasser lassen auf einiges hoffen – die Voraussetzungen stimmen! Massimo stimmt uns noch kurz ein und lässt uns wissen, dass wir speziell die Weine aus der Region durchprobieren werden, vor allem mineralisch, mit guter Säure und klarer Struktur. Also eher schnörkellose Teile aber nichtsdestotrotz gut... Ich bin gespannt!

Leider finde ich zur Zeit nicht mehr alle Notizen der 8 probierten Weine (7 weiss, 1 Rot). Wir starten mit einem Poully auf 1er Cru Niveau. Schön, aber eine für mich zu bissige Säure, auch wenn ich ansonsten nicht wirklich zimperlich bin wenn es ums Saure geht, aber das hier machte weniger lustig. Darauf folgte nochmals ein ähnliches Teil. Darob sah sich unser Führer veranlasst mit Alexandra kurz Rücksprache zu nehmen.

Darauf folgte die erste angenehme Überraschung: Rully 1er Cru 2008 von Vincent Dureuil. Klar, frisch, gute Säure, die nicht beissend aber durchaus lebendig vibrierend war. Schöner aber nicht zu langer Nachhall. Ein unkomplizierter aber schöner Weisser.

Ein weiterer schöner Vertreter war Rully 1er Cru „Les Pucelles“ der Domaine Paul und Marie Jacque 2008. Wiederum ein schöner Weisser. Die Säure ein wenig deftiger, beissender, aber nicht schlecht. Ein guter Apero Wein, der gut gekühlt auf jeder Sommerterrasse den Start versüssen kann.

Wie gesagt, beides schöne Weisse und das für ungefähre 16 Euro. In dem Sinn durchaus einen Versuch wert den ich jedem zu empfehlen wagen würde.

Danach wurde es fetter. Wir bewegten uns Richtung Maconnais. Viré-Clessé 'Quintaine' 2008, Jean-Pierre Michel für etwa 16 Euro stand nun auf dem Tisch. Fett, gaumenfüllend, dick, gar fast ölig war dies ein krasser Gegensatz zu den vorangegangenen Weinen, die uns mit ihrer lebhaften Art beglückt hatten. Meine Mitstreiter konnten diesem Wein weniger abgewinnen, ich sah ihn aufgrund seines Rückgrades und seiner Struktur eher als Begleiter von Speisen im Bereich Meeresfrüchte oder Geflügel. Die Idee wurde anschliessend auch bei den Mitdegustatoren durchgenickt. Schlecht war der auf keinen Fall!

Die nächsten beiden Weissen waren aus meiner Sicht nicht die Rede wert, dementsprechend stört es mich nicht, die Notizen nicht mehr zu finden. Ausser, dass ich hier niemanden mehr vor den Weinen warnen kann, sorry! Aber das wertet ja dann jeweilen die schönen Erlebnisse wieder auf. Wovor ich euch aber warnen möchte ist etwas, was ich mir nicht gedacht hätte:

Meursault 'Les Tillets' 2008, Domaine Bernard Boni, 26.50 Euro. Nachdem unser Silvio (Winzer und früherer Spitzendegustator) einen Weinfehler mit seiner Nase detektierte, welchen viele wohl nicht mal am Gaumen festgestellt hätten (Der Wein zu kühl und erst später mit Wärme wurde dies ersichtlich) wurde eine neue Flasche hingestellt. Viel zu fett, behäbig und übergewichtig dieser Meursault. Wirkte auf mich diffus, die vielgelobte Meursault-Frucht und Eleganz mit der die in Fülle rüber kommt war für mich nicht auszumachen. Einfach nicht das was ich mir erhoffte, einhellig auch die Meinung in der Runde.

Den roten zuletzt werde ich auch nicht erwähnen, er war einfach zu schwach. Meine Mitstreiter konnten ihm etwas abgewinnen und der liebe Silvio, selbst Winzer im Piemont, meinte ich sei etwas gar vernichtend mit meiner Kritik gewesen, als ich denselben mit Rübensaft verglich. Klar von einem Schmunzeln begleitet, aber eben... ;-) Nun, ein interessanter Einstieg am unteren Ende der Cote d’Or, auch wenn eben nicht alles Gold ist was glänzt, aber zwei Weine stachen für mich klar heraus: der 1er der Domaine Vincent Dureuil und der „Pucelles“ von Paul und Marie Jacque.

Degustation vorbei, zu Mittag gestärkt mit Charolais (was denn sonst?) und diesen geilen, echten französischen Pommes-Frites gings wieder auf Reisen. Yes, es wurde so wie ich es in meinen Büchern immer gesehen hatte. Auf der Strasse nach Beaune fuhren wir Richtung Puligny mit dem Ziel dieses ebenfalls magischen Dörfchens: Meursault! Links die Hügel, rechts die Village-Stöcke, einfach ein erhabenes Gefühl hier durchzureisen und sich von der Seite besonnen zu lassen.

Meursault kam näher und damit auch die Domaine Michelot, ein für mich vorneweggenommenes Erlebnis der weiteren Superlative dieses Wochenende. Neben dem Domainegebäude parkiertenwir unser Gefährt und machten uns mit Schwiezer Schokolade unterm Arm auf den Weg in den Innenhof. Wir mussten nicht mal klingeln, schon stand Monsieur Michelot, ein kleiner alter Mann mit sehr lebendigen Augen und dieser unbändigen Lebenslust ausstrahlenden Aura auf der Verande und stolzierte die Treppe hinunter. Das ist also Mr. Meursault, dachte ich an Massimos Worte vor der Ankunft bei dieser Domaine zurück.

Drei Generationen sind mittlerweilen bei der Domaine Michelot am Werk. Vater, Tochter mit Ehemann und Enkelsohn. Monsieur Michelot wies seinen Enkel denn auch an, die Gäste in die heiligen Hallen zu führen. An der Abfüllanlage ging es vorbei in den neurenovierten Keller, der komplett in weissen Kalkstein gefasst war. Ein echtes Kleinod und die Flaschen türmten sich regelrecht. Das Degustationsprogramm sah eigentlich drei Weine vor, aber Monsieur Michelot sah sich an die guten alten Zeiten erinnert als er noch einen Italiener als Mitarbeiter hatte und dieser sich weigerte Französisch zu lernen, so war der Hausherr gezwungen Italienisch zu können, wollte er ihn anweisen. Und Michelot plaperte munter drauflos. Während dieser freundschaftlich Runde am Tisch im Keller wurde zum anwärmen quasi der Bourgogne blanc eingeschenkt. Was soll ich sagen? Ich würde wohl die 10 Euro investieren und kaufen. Aber das sollte sich noch weiter steigern...

Wie gesagt, die Liste der zu degustierenden Weine sollte sich ausweiten:

-Bourgogne Blanc 2008
-Meursault „Clos Saint Felix“ 2008
-Meursault „Grands Charrons“ 2008
-Meursault „Narvaux“ 2007 / 2008
-Meursault 1er Cru Charmes 2002 / 2007 / 2008
-Meursault 1er Cru Genevrières 2007 / 2008
-Meursault 1er Cru Perrières 2000 / 2008

Auch an dieser Stelle muss ich um Nachsicht bitten, aber infolge der öhm ja, doch sehr gesteigerten Emotionen in dieser Situation, dem Gespräch mit Michelot Senior und den enorm vielen Eindrücken kann ich an dieser Stelle nur noch exemplarisch und auch nicht ganz komplett Auskunft geben zu den Weinen. Ich werde mein bestes geben und meine Notizen entsprechend einzugeben versuchen.

Bourgogne Blanc 2008 war wie gesagt der Starter. Schön trocken, mineralisch, mit einer guten Zitrusfrucht. Trocken, kurzer prägnanter Abgang. Jetzt trinken – 2013. 85 PP

Meursault „Clos Saint Felix“ 2008: Helles Gelb, florale Nase. Am Gaumen Melonenanklänge, Fruchtigkeit, mit einem leichten Bitterton im Nachhall. Ab 2014 (?).89 PP

Meursault „Narvaux“ 2007: Für mich klare 1er Cru Anlagen. Schöne Farbe, klar. Gelbe Früchte in der Nase, was sich mit einer komplexen Art am Gaumen fortstetzte. Vielleicht etwas zu präsente Säure. Ab 2013/14. 90 PP

Meursault „Narvaux“ 2008: 1er-Feeling bestätigt. Wiederum auch ein Meursault fürs Auge. Die Frucht intensiver und die Säure wesentlich besser eingebunden wie 07. Langer Nachhall, gute Frucht. Ab 2014. 91+ PP

Meursault 1er Cru „Charmes“ 2007: Charmes sollte eigentlich etwas bedeuten. Damit verbinde ich bei den Weissweinen Schmeichler, die keineswegs plump sind. Dieser hier war nicht geschaffen, um mir zu schmeicheln und so empfand ich den Wein auch nicht so charmant. Eher unauffällig in der Nase, zitrisch (gibt’s das Wort?). Sehr säurebetont, entsprechend Zitrusfrucht drin. 88 PP

Meursault 1er Cru „Charmes“ 2008: Notizen nicht mehr vorhanden, aber auch nicht besser als 07 in Erinnerung. 89 PP

Meursault 1er Cru „Charmes“ 2002: Das war Charme! In der Nase Nuss, richtig schöne Nuss. Etwas Petrol (?) und diese Würzigkeit eines gealterten Weines. Am Gaumen cremige Textur, so stell ich mir Charme vor. Jetzt trinken. 91+ PP

Meursault 1er Cru Genevrières: Von der ganzen Serie ebenfalls leider die Notizen nicht vorhanden. Aber ich entsinne mich, dass mich diese Serie ebenfalls nicht vom Stühlchen haute. --

Meursault 1er Cru Perrières 2008: Dieser Perrières hielt nicht hinter dem Berg. Kaum aus der Flasche im Glas liess dieser Wein eben seinen Charme spielen. Unglaublich schön diese Kombination aus exotischen Früchten, schon jetzt leicht nussigen Anklängen. Am Gaumen füllende Präsenz, seidige Textur die sich über die Geschmacksknospen legt und eine immense Komplexität an den Tag legend. Für mich der grösste Meursault, den ich bisher verkosten durfte! Ab 2015/16-?? 95+ PP

Meursault 1er Cru Perrières 2008: Da wurde nicht aufgeschrieben, sodnern einfach getrunken, meinen älteren Kumpels zugehört wie die alten Zeiten waren und geschwelgt. Sorry, aber da war nichts mehr mit schreiben, auch wenn es wirklich sensationell war. Ich kann ihn (oh Wunder) aber nur empfehlen! ;-)

Ich persönlich liess mir „Narvaux“ und den 1er Cru Perrières einpacken. Für mich die beiden Sieger dieses nachmittäglichen Marathons. Danach hiess es ab nach Beaune, Zimmer beziehen und Abendessen.

--ENDE Teil 3--
Gruss
Philipp

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