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1er Cru und Grand Cru Aufstufungen

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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octopussy

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1er Cru und Grand Cru Aufstufungen

BeitragMi 19. Feb 2014, 18:01

Die Bemühungen an der Côte d'Or, bestimmte Weinberge zum Grand Cru aufzustufen oder 1er Crus einzuführen, intensivieren sich. Aktuell bekannt sind mir folgende Initiativen:

Pommard will Rugiens-Bas und Rugiens-Hauts, Les (Grands und Petits) Epenots und den Clos des Epeneaux zum Grand Cru aufgestuft haben: http://www.wine-searcher.com/m/2014/02/ ... u-approval

Nuits St. Georges (bzw. einige Winzer dort) wollen Les St. Georges zum Grand Cru aufgestuft haben: http://www.decanter.com/news/wine-news/ ... -grand-cru

Im Mâconnais gibt es eine Initiative, bestimmte Weinberge in bestimmten AOCs (z.B. Pouilly-Fuissé) zu 1er Crus aufzustufen und die Regelungen zur Nennung von Lagennamen zu reformieren: http://www.decanter.com/news/wine-news/ ... emier-crus

Auch wenn ich diese Initiativen gut verstehen kann, bin ich - Ausnahme Mâconnais - eher skeptisch. Denn die viel besungene Büchse der Pandora würde durch die beantragten Aufstufungen in Pommard und Nuits St. Georges definitiv weit geöffnet werden. Wenn Les St. Georges ein Grand Cru sein soll, warum nicht Les Vaucrains, Les Cailles oder Boudots? Wenn Pommard drei Grand Crus Lagen kriegen soll, warum nicht auch Volnay? Im Übrigen steht in dem Wine Searcher Artikel über Pommard, dass die Winzer in Pommard mit ihren Premier Crus "Rugiens" und "Epenots" im Durchschnitt erheblich höhere Preise erzielen als mit ihren sonstigen Premier Crus. Das zeigt, dass der Markt deren Güte anerkennt. Eine Aufstufung zum Grand Cru würde vielleicht noch eine kleine Preissteigerung bei den renommierten Erzeugern rechtfertigen, evtl. eine etwas größere bei den nicht so renommierten und ansonsten m.E. wirtschaftlich kaum Auswirkungen haben.

Anstelle von Aufstufungen von Premier Crus zu Grand Crus wäre es auch meiner Sicht sinnvoller, in einigen Gemeinden Premier Crus einzuführen, z.B. in Marsannay.

Wem sind weitere Initiativen zu Aufstufungen in der Klassifikation bekannt? Und wie ist die Meinung zu den bestehenden Initiativen?
Beste Grüße, Stephan
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weingollum33

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Re: 1er Cru und Grand Cru Aufstufungen

BeitragMi 19. Feb 2014, 21:47

Hallo Stefan,
als Weinliebhaber halte ich wenig von diesen Initiativen. Wer sich wirklich für die Weine dieser Dörfer/Region interessiert, der hat längst genug gelesen und getrunken, um zu wissen, welche Weinlagen für den eigenen Gaumen von Interesse sind. Vor diesem Hintergrund ist dieses Terrain ein gutes "Jagdrevier". Ich habe insbesondere im letzten Jahr diesbezüglich die Weine von Pommard für mich "entdeckt"!

Ganz abgsehen davon ist eine Hochstufung als Grand Cru häufig mit "Ungerechtigkeiten" im Vergleich zu nicht hochgstuften Lagen verknüpft. Wie Du in Nuits St. Georges aufgezeigt hast, gibt es zahlreiche weitere Lagen, die eine ähnlich hohe Qualität aufweisen, auch wenn die Weine von Les St.Georges von den meisten Kritikern als die Komplettesten angesehen werden. Ich selber habe zahlreiche Flaschen aus Nuits St Georges im Keller - habe bisher jedoch zu wenige Weine der jeweiligen Lagen getrunken, um mir wirklich ein eigenes Urteil bilden zu können. Dennoch glaube ich, dass die Weine von Les St Georges mit den "schwächeren" Grand Crus (Corton, Clos de Vougeot,..) qualitativ durchaus mithalten können.

In Bezug auf Pommard denke ich, dass man den gleichen Fehler begeht, wie z.B. bei Corton und Clos de Vougeot. Der als Grand Cru gekennzeichnete Bereich ist zu groß und die Qualität der dort wachsenden Weine zu uneinheitlich. In Bezug auf Rugiens z.B. hat nur der untere Bereich "Rugiens bas" einen ausgezeichneten Ruf!

Für den qualitätsbewußten Verbraucher hat eine Hochstufung meines Erachtens keinerlei Vorteile. Für die Winzer natürlich schon - der Absatz der Weine wird vermutlich einfacher. Dies steigert allerdings dauerhaft nicht unbedingt den Anreiz, einen möglichst hohen Qualitätstandard zu erreichen. Jedenfalls wird dem (Wein-)Laien der Schriftzug "Grand Cru" die Auswahl beim Kauf im Handel oder im Restaurant erleichtern.

Aus Sicht der Winzer kann ich das Anliegen nachvollziehen. Aus Sicht des Weintrinkers eher weniger! Unzweifelhaft ist sicherlich, dass aus den genannten Lagen hervorragende Weine kommen können!
Gruß Tobias
Zuletzt geändert von weingollum33 am Mi 19. Feb 2014, 22:29, insgesamt 1-mal geändert.
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UlliB

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Re: 1er Cru und Grand Cru Aufstufungen

BeitragMi 19. Feb 2014, 22:06

octopussy hat geschrieben:Im Übrigen steht in dem Wine Searcher Artikel über Pommard, dass die Winzer in Pommard mit ihren Premier Crus "Rugiens" und "Epenots" im Durchschnitt erheblich höhere Preise erzielen als mit ihren sonstigen Premier Crus. Das zeigt, dass der Markt deren Güte anerkennt. Eine Aufstufung zum Grand Cru würde vielleicht noch eine kleine Preissteigerung bei den renommierten Erzeugern rechtfertigen, evtl. eine etwas größere bei den nicht so renommierten und ansonsten m.E. wirtschaftlich kaum Auswirkungen hat.


Hallo Stefan,

ich glaube nicht, dass diese wirtschaftliche Einschätzung auch heute noch zutrifft. Ich nehme an, dass Du als Burgund-Liebhaber die Preisentwicklung in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hast? - Was Du da durchweg sehen kannst, ist, dass die Preise für die grand crus in den letzten Jahren prozentual deutlich schneller steigen als die für die 1er crus und jetzt gerade förmlich explodieren. Handelshäuser berichten , dass sich die Preise für Trauben aus grand cru - Lagen im Zeitraum von 2008 bis 2011 im Schnitt verdreifacht (!) haben.

Den Grund kannst Du von Winzern und international tätigen Händlern erfahren: wohlhabende Kunden aus dem asiatischen Raum möchten nach der Devise "only the best" am Liebsten nur grand crus kaufen, und sind dafür dann auch bereit, wirklich tief in die Tasche zu greifen. Tatsächlich scheint hier der formale Klassifizierungsstatus ein ganz entscheidendes Kaufargument zu sein, so falsch das im Hinblick auf die tatsächliche Weinqualität im Einzelfall auch sein mag. Und anders als im Bordelais, wo von den top-klassifizierten Weinen durchaus erhebliche Mengen produziert werden, führt das im Burgund zu sofortiger Verknappung der "heißen Ware" mit entsprechenden Folgen für die Preise.

Bezogen auf die von Dir erwähnten Lagen kannst Du das gut verfolgen: war 2008 ein Rugiens oder ein Les St. Georges von einem guten Produzenten noch recht nahe dran an einem Clos St. Denis oder einem der Chambertin-Satelliten (sofern die nicht gerade von den Rousseaus und Leroys dieser Welt stammten :roll: ), ist heute der preisliche Abstand doch einigermaßen groß geworden.

Über den Prestige-Gewinn hinaus ist eine Aufstufung zum grand cru durchaus wirtschaftlich interessant, zumindest kurzfristig betrachtet. Der Pferdefuß kommt dann irgendwann in Form der französischen Erbschaftssteuer :lol:

Gruß
Ulli
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octopussy

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Re: 1er Cru und Grand Cru Aufstufungen

BeitragFr 21. Feb 2014, 16:40

UlliB hat geschrieben:ich glaube nicht, dass diese wirtschaftliche Einschätzung auch heute noch zutrifft. Ich nehme an, dass Du als Burgund-Liebhaber die Preisentwicklung in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt hast? - Was Du da durchweg sehen kannst, ist, dass die Preise für die grand crus in den letzten Jahren prozentual deutlich schneller steigen als die für die 1er crus und jetzt gerade förmlich explodieren. Handelshäuser berichten , dass sich die Preise für Trauben aus grand cru - Lagen im Zeitraum von 2008 bis 2011 im Schnitt verdreifacht (!) haben.

Den Grund kannst Du von Winzern und international tätigen Händlern erfahren: wohlhabende Kunden aus dem asiatischen Raum möchten nach der Devise "only the best" am Liebsten nur grand crus kaufen, und sind dafür dann auch bereit, wirklich tief in die Tasche zu greifen. Tatsächlich scheint hier der formale Klassifizierungsstatus ein ganz entscheidendes Kaufargument zu sein, so falsch das im Hinblick auf die tatsächliche Weinqualität im Einzelfall auch sein mag. Und anders als im Bordelais, wo von den top-klassifizierten Weinen durchaus erhebliche Mengen produziert werden, führt das im Burgund zu sofortiger Verknappung der "heißen Ware" mit entsprechenden Folgen für die Preise.

Bezogen auf die von Dir erwähnten Lagen kannst Du das gut verfolgen: war 2008 ein Rugiens oder ein Les St. Georges von einem guten Produzenten noch recht nahe dran an einem Clos St. Denis oder einem der Chambertin-Satelliten (sofern die nicht gerade von den Rousseaus und Leroys dieser Welt stammten :roll: ), ist heute der preisliche Abstand doch einigermaßen groß geworden.

Hallo Ulli,

das sehe ich teils so wie du, teils aber anders. Betrachtet man nur die Côte de Beaune, so hat der dortige einzige Pinot Noir Grand Cru, nämlich Corton, nach meinem Empfingen allenfalls die auch sonst stattfindenden Preissteigerungen erfahren. Die teuersten Cortons (DRC, Bonneau du Martray, Clavelier, usw.) erzielen zwar höhere Preise als die teuersten Pommard Rugiens und Epenots, die nur in Ausnahmefällen (z.B. Comte Armand Clos des Epeneaux) in Deutschland die 100 Euro Marke knacken. Schaut man sich die "Mitte" (gute bis sehr gute Erzeuger) an, so scheint mir der Corton keinen ausgewiesenen Grand Cru Bonus im Vergleich zu Pommard Rugiens und Epenots zu haben.

Etwas anders sieht es sicher an der Côte de Nuits aus. Da hat sich mit Ausnahme einiger seltener Weine einzelner Erzeuger (diverse kleine Vosne-Romanée 1er Crus, einige GC Clos St. Jacques, einige Chambolle Les Amoureuses) tatsächlich die Schere zwischen 1er Cru und Grand Cru etwas weiter geöffnet, auch unter Berücksichtigung eigentlich nicht so renommierter Grand Crus wie Charmes- und Mazoyeres Chambertin, Echézeaux und Clos de Vougeot.
Beste Grüße, Stephan

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