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Burgund 2011

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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UlliB

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Re: Burgund 2011

BeitragDi 8. Jan 2013, 22:25

argentum hat geschrieben: Hinzu kommt aber auch meiner Meinung das französische Erbrecht, welches es immer mehr erschwert einen Hof als Erbe vernünftig übernehmen zu können, sind doch enorme Kosten damit verbunden, die bis zu drei Generationen rückwirkend sein können - wenn ich das richtig verstanden habe.


Hallo Philipp,

rückwirkend ist da gar nichts. Das französische Erbrecht ist geradezu berückend einfach: besteuert wird bei Grund und Boden der aktuelle Verkehrswert, und zwar mit einem Steuersatz von 33%. Punkt. So einfach ist das, und so verheerend in der Wirkung.

Der aktuelle Verkehrswert wird bei Weinlagen anhand der letzten abgeschlossenen Kaufverträge in der gleichen Lage ermittelt; wo in den letzten Jahren keine Verkäufe stattgefunden haben, wird auf Basis von Verkäufen in vergleichbaren Lagen durch die Finanzbehörde geschätzt. Nur mal als Beispiel der grand cru Chambertin: die letzten Transaktionspreise lagen hier zwischen 8 und 10 Millionen Euro pro Hektar, was heißt, dass ein Familienbetrieb, der einen Hektar im Chambertin besitzt, für den Erbfall nur für diesen einen Hektar eine Rückstellung von rund 3 Millionen Euro vornehmen muss. Diese Rückstellung muss aus (versteuerten !!) Betriebsgewinnen erfolgen, was die Winzer zwingt, entsprechend hohe Preise für ihre Weine zu nehmen. Hierdurch setzt sich eine ganz fatale Spirale in Gang: die hohen Preise für Boden treiben die Preise für den Wein, die hohen Weinpreise treiben dann wieder den Bodenpreis. Steigt der Preis für den Chambertin - getrieben durch Rendite suchende Liquidität - weiter an, muss die Rückstellung dementsprechend höher werden. Das kann zu einer Art "Hase-und-Igel"-Spiel werden, und das Endergebnis davon ist im Bordelais bereits zu besichtigen: dort sind Familienbetriebe auf dem linken Ufer fast vollständig eliminiert worden, weil niemand mehr die Steuern aufbringen konnte oder wollte und lieber verkauft hat, und fast alles gehört dort Kapitalgesellschaften: die vererben nämlich nichts. Das französische Steuerrecht vernichtet Familienbetriebe in den teuren Weingebieten.

Gruß
Ulli
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sorgenbrecher

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Re: Burgund 2011

BeitragDi 8. Jan 2013, 22:31

was spricht denn für den winzer dagegen, seinen betrieb selbst in eine kapitalgesellschaft umzuwandeln und dann entweder direkt oder über indirekte wege (z.b. stiftungen) die anteilenzu vererben ?
Gruß, Marko.
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UlliB

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Re: Burgund 2011

BeitragDi 8. Jan 2013, 22:40

sorgenbrecher hat geschrieben:was spricht denn für den winzer dagegen, seinen betrieb selbst in eine kapitalgesellschaft umzuwandeln und dann entweder direkt oder über indirekte wege (z.b. stiftungen) die anteilenzu vererben ?


Das würde nichts helfen, wenn im Erbfall das Betriebsvermögen mit den gleichen Sätzen besteuert werden würde - was ich mal annehme; der Staat wird im eigenen Interesse irgendwelche Schlupflöcher ziemlich sicher wirksam verschließen. Wie gesagt, im Bordelais ist dieser Prozess schon weitgehend abgeschlossen. Hätte es einfache Auswege wie die von Dir skizzierten gegeben, wären die ziemlich sicher genutzt worden - sie sind es aber nicht.

Gruß
Ulli
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argentum

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Re: Burgund 2011

BeitragMi 9. Jan 2013, 09:10

Danke Ulli, für die Erleuchtung, das hatte ich nicht ganz verstanden, ob dies nun rückwirkend ist oder nicht. Aber in dem Fall ja noch fataler...

Wer will es da einem Winzer verübeln, seinen Betrieb entsprechend zu veräussern, wenn er sich ansonsten "arm-reich-sparen" muss um den Familienbetrieb erhalten zu können?

Und wie gesagt, an den Grands Jours war es nochmals eindrücklich zu sehen wieviele Asiaten sich an die Stände drängten. Aber eben Brasilien, Indien, Norwegen... Auch da nimmt der "Weinhunger" zu. Darum sehe ich im Moment nicht, dass die Preise nicht weiter steigen sollten...
Gruss
Philipp

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argentum

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Re: Burgund 2011

BeitragMi 9. Jan 2013, 09:18

sorgenbrecher hat geschrieben:
argentum hat geschrieben:Nachtrag: Was 2011 betrifft bin ih der Überzeugung, dass sich auch in diesem Jahrgang wieder sehr schöne Weine finden lassen. Und dies auf der Weissen wie auf der Roten Seite... 8-)


da bin ich mir ebenso sicher !


darf ich dir meine Einkaufsliste mitgeben? ;-)
Gruss
Philipp

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sorgenbrecher

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Re: Burgund 2011

BeitragMi 9. Jan 2013, 09:34

gern, es gibt sicher schlechtere einkaufsführer fürs burgund......nur die verfügbarkeit dürfte ein problem werden.... ;)

ps.: so nah wie du am burgund wohnst, da wäre ich wohl einmal im monat vor ort (...und nach spätestens einem jahr arm und auf der warteliste für eine spenderleber)
Gruß, Marko.
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octopussy

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Re: Burgund 2011

BeitragMi 9. Jan 2013, 12:12

Tja, hinsichtlich des Ausmaßes der steigenden Preise mag bei mir tatsächlich der Wunsch Vater des Gedankens sein. Aber ich bleibe verhalten optimistisch. Die Trophäensammler, und das sind häufig die Preistreiber, werden - so denke ich - die Preise für einige Top-Erzeuger und Top-Lagen in den nächsten Jahren brutal treiben. Aber bei richtiger Suche findet man m.E. noch wirklich gute Weine zu vernünftigen Preisen. St. Aubin ist sicherlich kein "Geheimtipp" mehr, aber die St. Aubins von Langouereau oder Prudhon in der Preisklasse unter 20 Euro finde ich preislich wirklich gut. Da lassen sich sogar noch ein paar Euros mehr verkraften.

Jancis Robinson schreibt interessante Beobachtungen von ihrem Burgundbesuch im November 2012, die alle nichts Neues bringen, aber gleichwohl auch das hier im Thread schon Gesagte untermauern.

1. Wegen der gestückelten Besitzverhältnisse, auslaufenden Pachtverhältnissen, Traubenverkäufen, etc. kann praktisch jeder, der irgendwo vinifizieren kann, in den Markt eintreten. Das führt wohl zu heftigen Preissteigerungen v.a. für Grand Cru Trauben. Mark Haisma (selber ein Australier, der ein Négociant-Business auf die Beine gestellt hat) wird wie folgt zitiert:

'The fight that's out there for grand cru fruit is just insane, especially with all these new négociants that are American or Asian owned'.


2. Für die prestigereichsten Lagen werden extrem hohe Preise bezahlt. JR schreibt, dass der Kanadische Finanzier von Pascal Marchand jüngst eine Miniparzelle Le Musigny für EUR 3,4 Mio. gekauft hat.

3. Die örtlichen Familienbetriebe stehen wohl teilweise wegen der hohen Erbschaftssteuern (schon erwähnt) und der kleinen Mengen der Jahrgänge 2010, 2011 und 2012 mit dem Rücken an der Wand. Das macht den Markteintritt für Externe mit tiefen Taschen leichter.

Ulli, du magst schon recht haben, dass sich da etwas zusammenbraut, was zwangsläufig zu völlig verrückten Preisen führen wird. Warten wir's ab.
Beste Grüße, Stephan
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BuschWein

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Re: Burgund 2011

BeitragMi 9. Jan 2013, 16:00

Ein Problem für den Burgund-Hype ist aber auch wieder die Zersplitterung, für große Händler ist das Thema Burgund nicht einfach zu handhaben. Hohe Preise an sich sind ja für den Weinhandel nicht gut, man muss auch Flaschen zu dem Preis verkaufen können. Was nützen mir hohe Preise, wenn ich meine Kunden nicht beliefern kann, weil die Mengen einfach nicht da sind?

Und was auch noch etwas gegen eine Preissteigerung auf breiter Front spricht, die Fans mögen ihn noch so sehr lieben, in der Breite ist Pinot Noir einfach nicht im Trend, die Weine sind ganz vielen Leuten einfach zu dünn, hell, zu sauer. Insofern wird Burgund wohl immer ein Thema für eine kleinere Gruppe bleiben.

Aber es stimmt schon, Burgund ist medial wieder viel interessanter geworden. Und bei der Versteigerung sind die Preise tatsächlich enorm nach oben gegangen, also die Blue Chips werden sicher in den nächsten Jahren preislich stark steigen, ob es wirklich auch in der Breite deutlich nach oben geht, da bin ich nicht ganz so sicher.
Armin
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Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
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Créot

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Re: Burgund 2011

BeitragMi 9. Jan 2013, 16:49

Für die These, dass 30 bis 40 Topdomänen besonders in den Grand Cru Lagen deutlich zulegen werden, dass aber keine Preisinflation auf breiter Front zu erwarten ist, sprechen hoffentlich die ersten Preise der 2011er Chablis. Dauvissat, sicherlich nicht unter "ferner liefen", kostet 2011 nicht mehr als 2010 und relativ moderate 5-10% mehr als 2009 - auch wenn Chablis wohl noch (!) ein Sonderfall ist.
Nebenbei: Dass nicht nur viele 2007er und 2008er, sondern bereits 2009er und sogar 2010er zu reduzierten Preisen erhältlich sind, zeigt m.E. die Spreizung des Interesses, insofern Topweine, bzw. die preislich interessante zweite Reihe teilweise in 1 oder 2 Tagen ausverkauft ist, bereits die gute Mittelklasse aber nicht mehr so leicht zu verkaufen ist, ebenso wie anscheinend überteuerte Newcomer (ich denke da z.B. an Bernstein).
Und das, was nicht bei Meadows oder Galloni auftaucht, bietet sowieso keine große Preisphantasie und auch da gibt es einiges, das Spaß macht.
Insofern bin ich eigentlich ganz beruhigt, auch wenn ich mir in Zukunft einiges nicht werde leisten können (aber das gibt es auch jetzt schon ...)
Grüße
Stefan
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octopussy

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Re: Burgund 2011

BeitragFr 11. Jan 2013, 10:51

Hallo zusammen,

das schreibt Jancis Robinson über ihren Eindruck der Preisentwicklung, bestätigt in etwa, was hier im Thread schon geschrieben wurde.

Jancis Robinson hat geschrieben:Overall, I'm told, prices in euros have risen by about 7%, but the exchange rate with sterling has worked in Brits' favour so that most prices in UK merchants' offers are reasonably similar to those of the 2010s - with the exception of some of the top wines. The burgundy market is very very much less volatile and grasping than its counterpart in Bordeaux but there are dangerous signs that in some quarters it is slowly edging that way. But of course the more aware producers can see perfectly well online what sort of profits some merchants have been making on their wines.
Beste Grüße, Stephan
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