Do 27. Dez 2018, 15:19
Marché aux Vins, Charmes-Chambertin 2003
Marché aux Vins, Clos de la Roche 2003Irgendwas zwischen höchstens 1300m und unter 100m Luftlinie voneinander entfernt sind diese Weine gewachsen. Und es ist frappierend, wie unterschiedlich die Charaktere dieser beiden sind! Zudem zeigen sie keinerlei Anzeichen all' dessen, was man beim Blick auf den Jahrgang befürchten mag. Ganz im Gegenteil, zeichnen sie sich durch perfekte Balance und wunderbare Frische aus. Großartig!
Der Charmes wird seinem Namen völlig gerecht. Er ist so perfekt verwoben, daß es schwierig ist, ihn zu sezieren. Reife Walderdbeeren werden in der Nase von einer Andeutung dunklen Leders und schwarzer Trüffel begleitet. Am Gaumen leicht extraktsüß, perfekte Säure und v.a. im Abgang noch deutlich fein adstringent. Dort auch sehr leichte Lakritz- und Bleistiftminen-Bitternote.
Der Clos de la Roche kommt dunkler und würziger daher. Zwischen schwarzen und blauen Früchten zeigt sich eine ausgeprägte Wacholderwürze. Am Gaumen findet man auch zarte Extraktsüße. Im direkten Vergleich hat er ebenfalls grandiose Balance, aber von allem etwas mehr: Säure, Adstringenz, Dichte. Und er wirkt etwas strukturierter, weniger verbunden, und dadurch jünger, obwohl "fertig" und ebenfalls großartig zu trinken.
Falls jemand davon hat: Beide sind jetzt perfekt, aber es ist keine Eile geboten. Der Charmes ist ein wenig weiter. Ich sehe ihn minimal vorne, aber bin nicht sicher, ob das eine Stilfrage ist, oder doch an etwas größerer Komplexität und Harmonie liegt.
Selber Erzeuger, selbes Jahr, fast selber Ort: Selten hatte ich zwei Weine nebeneinander im Glas, die nahezu identische Voraussetzungen derart unterschiedlich interpretieren und dennoch auf Augenhöhe großartig waren! Dabei ist der Clos de la Roche mitnichten ein lauter oder rustikaler Wein. Aber im direkten Vergleich komme ich nicht umhin, ihn als "maskulin" und den Charmes als "feminin" zu empfinden. Größter Genuß zum Jahresende!
Das waren jetzt meine letzten Flaschen aus einer Zeit, als man beim Marché aux Vins noch tolle Weine in allen Kategorien bekam. Kurz darauf haben die neuen Besitzer Extrakt und Holzeinsatz hochfahren lassen, was mir leider den Spaß gründlich vermiest hat. Jetzt habe ich noch drei mittelmäßige Flaschen aus der Phase, als ich es noch nicht wahrhaben wollte. Und dann ist für mich eine Ära vorbei, die mir in meiner vinophilen Frühphase den bezahlbaren Zugang zu wirklich hochwertigen Burgundern erst ermöglicht hat...
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amateur des vins am Do 27. Dez 2018, 21:48, insgesamt 1-mal geändert.