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Burgund 1988 und älter

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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sorgenbrecher

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Burgund 1988 und älter

BeitragSo 26. Feb 2012, 14:12

da vermutlich nicht besonders viele burgunder dieser älteren jahrgänge getrunken werden bzw. meist als bestandteil von größeren proben als besondere verkostungsnotizen eingestellt werden, halte ich es für sinnvoll, dass hierzu ein sammelthread aufgemacht wird.
falls doch interesse an separaten threads für einzelne jahrgänge besteht, dann bitte ich die mods, dies entsprechend abzuändern.

den anfang hier mache ich mit einem 1971er chambolle-musigny in einer negociant-abfüllung von louis latour. 1971 gilt ja als sehr gutes jahr für rote burgunder und so hielt ich das risiko auch für einen einfachen village-chambolle überschaubar.

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der flaschenzustand war noch akzeptabel, die füllhöhe bei ca. 4cm, allerdings schon eine risikoflasche aufgrund des bereits sehr oxidierten und zerbröselten korkens, der sich auch nicht mehr im ganzen entfernen ließ und der wein daher vorsichtig durch ein sieb karaffiert wurde.
die etwas trübe farbe, bereits deutlich ins braune gehend, und ein deutlicher wasserrand im glas lassen nicht das allerbeste erwarten.
in der nase an einen portwein erinnernd, sehr intensiv, brandig und überreife süße pflaumen. keine offenbarung, aber auch nicht unangenehm.
am gaumen dann doch noch erstaunlich gut, wahnsinnige extraktsüße, keine tannine spürbar, auch hier eher sehr reife süße pflaumen und himbeeren, leider kaum noch eine belebende säure spürbar, aber gut zu trinken. als pinot noir (ich kann mir durchaus vorstellen, dass die damals verbreitete praxis, wein der südrhone mit zu verschneiden vielleicht auch hier angewandt wurde) ist der wein kaum noch erkennbar, aber als altweinerlebnis zum oder auch als dessert allemal eine schöne erfahrung.
Gruß, Marko.
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UlliB

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragSo 26. Feb 2012, 15:50

sorgenbrecher hat geschrieben: (ich kann mir durchaus vorstellen, dass die damals verbreitete praxis, wein der südrhone mit zu verschneiden vielleicht auch hier angewandt wurde)


Hallo Marko,

die AOC-Regeln haben auch schon 1971 das Verschneiden von Burgundern mit Weinen aus anderen Anbaugebieten verboten, und ich halte es schon für einigermaßen gewagt, einen eindeutig illegalen Vorgang als "verbreitete Praxis" darzustellen (auch wenn's vereinzelt noch vorgekommen sein mag). Gerade ein großes Handelshaus wie L. Latour wäre dabei aber einiges an Risiko gefahren, da hier die Wahrscheinlichkeit, dass einer "plappert", deutlich höher ist als bei einem Kleinerzeuger.

Die Berichte über Verschnitte mit südfranzösischen und gelegentlich auch algerischen Weinen (die es auch für das Bordelais gibt), gehen in aller Regel auf das 19. Jahrhundert zurück; mit dem Etablieren des AOC-Systems in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde diese Praxis durchgängig verboten.

Übrigens scheinen im Falle von Burgund eher Weine aus der Nordrhone (d.h. Syrah-basierte Weine) als die Grenache-betonten Weine der Südrhone zum Einsatz gekommen zu sein.

Gruß
Ulli
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Oberpfälzer

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragSo 26. Feb 2012, 18:58

Hallo zusammen,

leider habe ich fast gar nichts reifes im Keller. Vor etwa 2 Jahren bei Ricardo ergattert:

Chambertin A.C. 1982, Louis Trapet Pere & Fils
Super Füllstand, Kork aber ziemlich durchnässt, liess sich aber recht einfach aufziehen (kein "Spezialwerkzeug" notwendig).

Die Nase wunderschön gereift, sehr intensiv, vielschichtig nach (immer noch frischer) roter Kirsch-Frucht, Nuancen an Waldboden, etwas Würze und Lakritze und schöner Mineralik.
Am Gaumen ein toll gereifter Pinot, gut mittlerer Extrakt (mehr als ich erwartet habe), knapp lebhafte aber sehr feine Säure die leichte Adern auf der Zunge zeigt, sehr schön passender leicht süsser Kern; immer noch leicht wahrnehmbare leicht körnige Gerbstoffe, sehr gut strukturiert; sehr harmonisch, vielschichtig wie die Nase; mittlerer bis langer Abgang mit langem Nachhall. 91 OpfP.

Er stellt als Speisenbegleiter die Gewürze gross in Szene und harmoniert insbesondere mit dem Fenchel hervorragend.

Ein ganz tolles Trinkerlebnis, welches mir aufzeigt, dass ich ein paar meiner "Jungen" im Keller gut verstecken und dort noch viele Jahre reifen lassen sollte in der Hoffnung, dass sie ebenso toll reifen können wie dieser.
Servus
Wolfgang
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Oberpfälzer

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragSo 26. Feb 2012, 20:34

Weil mir der o.g. Burgunder so sehr gefiel, habe ich meine letzte alte Flasche auch noch aufgezogen:

Corton Bressandes A.C. 1985, Societe "Les Bressandes"
Auch dieser ist wunderschön gereift und zeigt keine Spur von Überalterung. Wunderschöne Frische. In Sachen Dichte, Struktur, Finesse und Komplexität kommt er aber an den Chambertin 82 nicht heran, wirkt eine Spur karger, hat aber genügend Druck am Gaumen. Die Gerbstoffe sind noch wahrnehmbar. Sehr guter Wein. So mag ich Pinot.
Servus
Wolfgang
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Mr. Tinte

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragFr 13. Apr 2012, 08:56

Letzten Samstag mit Rieslingmaster zu einem sehr feinem Menue (danke Dominik!) folgenden Wein im Glas:
Pommard Grivelet-Cusset 1937 (@Dominik: bitte um Korrektur falls ich etwas falsch geschrieben habe)

Die Farbe zeigt deutlih Reifenoten, ziegelrot, aber immernoch undurchsichtig, Wasserrand, Brauntöne, leichte Trübung. In der Nase zunächst ein störender Essigtouch, flüchtige Säure? Doch danach geht die Post ab, süsse reife Kirschen, dunkle Beeren, schwarzer Trüffel, danach Himeeren, Creme Brulee, enorm ausladend. Im Gaumen keine störende Töne wahrnehmbar, eine unglaubliche Struktur. Süsse, und Säure vermählen sich zu einem explosiven Geschmacksbündel von Himbeeren und Pflaumen. Unglaubliche Länge. Zur Justierung dieser VKN: gleich danach einen Las Cases 1978 im Glas ohne jegliche Altersnoten un dieser wirkte wie ein harmloses Wässerchen...Und dies aus dem Mund eines Bordeaux Freaks... ;)
Trinken: jetzt.

Von mir 95 GPoints (Abzug von 2 Points aufgrund des Essigtouchs in der Nase, der immer wieder aufkam)!
Liebe Grüsse,

Goce
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sorgenbrecher

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragSa 30. Jun 2012, 08:04

vor einiger zeit hatte ich eine, aufgrund des füllstandes, risikoflasche vom 1928er Pommard-Rugiens aus der berühmten Collection Dr. Barolet mit erheblichem preisabschlag erworben. einerseits war ich aufgrund des grenzwertigen füllstandes skeptisch, andererseits kam die flasche aus erstklassiger quelle und die weine aus der collection dr. barolet zählen zum qualitativ hochwertigsten, was man aus diesen alten jahrgängen bekommen kann. zudem hatte der wineterminator diesen wein zuvor mit 100p. im glas (http://www.wineterminator.com/weinkriti ... der-8.html).

908

gestern nun konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und die flasche wurde ihrer eigentlichen bestimmung zugeführt.

um es zusammenzufassen: ich hatte glück, großes glück ! und dieses altweinerlebnis zaubert mir noch heute ein breites und seliges lächeln ins gesicht.

die farbe bereits sehr hell, zwar mit durchaus erkennbaren brauntönen, aber eher ein sehr helles erdbeerrot, nur minimaler wasserrand.
in der nase frische himbeerfrucht gemischt mit trüffeln, keinerlei oxidation feststellbar. schon hier ein absolutes "wow"-erlebnis aufgrund der unglaublichen frische.
am gaumen dann sehr sanft (die beschreibung des wineterminators von "feinste Seide und Cashmere" kann ich absolut nachvollziehen), pure himbeer- und erdbeerfrucht, das ganze getragen von einem wunderbaren süße-säure-spiel. die süße niemals an todessüße erinnernd, die säure niemals spitz oder unangenehm, sondern eine noch wundervolle frische gebend. kein powerwein mit viel druck, sondern ein harmonisches trinkerlebnis der besonderen art. erstaunlich der unendlich wirkende abgang mit einer leichten minz-note, die nochmals die frische unterstrich.

insgesamt eine süchtig machende altwein-erfahrung, die nur das problem erzeugt, dass man das öfter wiederholen möchte und man damit zwangsläufig gefahr läuft finanziell zu verarmen....
Gruß, Marko.
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Weinbertl

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragSa 30. Jun 2012, 11:09

Hallo Marko,

eine sehr schöne Weinbegegnung, von der Du hier berichtest.
Geht es einem nach so einem Erlebnis nicht so, dass man sein Qualitätsverständnis wieder ein wenig überdenkt? Dass man sich vielleicht fragt, ob die noch gestern getrunkene konzentrierte Jungwein-Fruchtbombe (aus dem Jahr 2009 :lol: ) jetzt immer noch so toll erscheint und so ein grandioses Altwein einfach zeigt, was Erhabenheit im Wein bedeuten kann?

Gruß
Robert
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Robert
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sorgenbrecher

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragSa 30. Jun 2012, 11:29

Weinbertl hat geschrieben:Dass man sich vielleicht fragt, ob die noch gestern getrunkene konzentrierte Jungwein-Fruchtbombe (aus dem Jahr 2009 :lol: ) jetzt immer noch so toll erscheint und so ein grandioses Altwein einfach zeigt, was Erhabenheit im Wein bedeuten kann?


uneingeschränkt ja !

einerseits ist es gut, dass man sowas nicht täglich haben kann und die besonderheit und erhabenheit derartiger altweinerlebnisse dadurch nur weiter aufgewertet wird, andererseits kann das schon süchtig machen.... :?

für mich sind der genuss von jungen, aktuellen weinen und der genuss von altweinen zwei sehr unterschiedliche sachen. ich kann junge weine sehr genießen, ich kann mich auch herrlich mit anderen mittrinkern darüber austauschen, kontrovers diskutieren, manchmal analysieren, oft auch einfach nur daran erfreuen....aber derart perfekt gereifte altweine berühren mich noch dazu auf andere art und weise. sie erzeugen respekt und eine gewisse ehrfurcht, sie sind meist nicht reproduzierbar, sie sind geschichte in der flasche und sie erzeugen das bewußtsein, dass mit jedem einzelnen schluck dieser raren flaschen wieder etwas seinem ursprünglichem zweck, dem genuss, unwiederbringlich zugeführt wird.....
Gruß, Marko.
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Mr. Tinte

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragMi 25. Jul 2012, 16:10

Nach einem guten Ponsot 2006 Gevrey Chambertin gab es eine verdeckte Flasche.

Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass darin ein Pinot, ja und sogar ein 1957...

Pommard Louis d'Armont 1957:

Dunkle Farbe mit braunen Trübungen, Wasserrand. Man rätselte da die Nase sich von ihrer beste Seite zeigte, ob hier ein Pinot drin ist...Warme Sauerkirschen, ein Hauch Pflaumen, schwarzer Trüffel, Gewürze, leicht rauchig, sehr offen, mit warmer Ausstrahlung. Im Gaumen en Wein mit derart viel Druck das man fast erschlagen wurde. Auch hier warme Sauerkirschen, Himbeeren, sehr viel Säure die sich aber mit der vorhandenen Süsse ein Hin und Her lieferte. Noch Resttannin spürbar! Beim rätseln wurde Jahrgänge wie 1961 genannt (Philippo! :) ). Einfach gross und unbeschreiblich druckvoll. Neben einem solchen Wein wirkte sogar der süsse, samtige, topstrukturierte Gaffeliere-Naudes wie ein Nebendarsteller!
Gross, klassisch und unnachahmbar! Das einzige was störte war ein unsauberer Ton in der Nase...

Trinken jetzt-2030

Von mir 95 GPoints.
Liebe Grüsse,

Goce
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Mr. Tinte

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Re: Burgund 1988 und älter

BeitragMi 25. Jul 2012, 16:19

Danach gab es meinen persönlichen Traumwein!

Santenay Clos de Malte 1959 Poulet Pere & Fils

Die Nase gab sich malzig, süss, Karamell, darin Kirschen, Himbeeren und Milchschokolade. Auch leichte Rauchtöne und Kaffee. Sehr tief, warm, leicht portig (93 GPoints)...Hätte nicht erwartet was im Gaumen auf mich zukam. Extreme Dichte, süss mit noch präsenter Säure, die sich im Gegensatz zum Pommard sehr weich und perfekt eingebunden zeigte. Das war von der Struktur und Aromatik her etwas zwischen einem sehr guten Port, Sherry und dem Gaffeliere-Naudes. Ich fand auch weissen Trüffel, Kakao, wieder Milchschokolade, Pflaumen, Himbeeren. Und zum Schluss gab es einen unendlichen Abgang (weit über 2 Min!).
Gaumen 100 GPoints...Mehr kan man leider nicht geben...Auch hier durfte ich mehr als ein Glas haben, da nicht alle am Tisch gleich stark beindruckt waren... :mrgreen: :roll: :D

Austrinken!

Von mir 97 GPoints
Liebe Grüsse,

Goce
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