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Beaujolais

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
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Ollie

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 00:33

amateur des vins hat geschrieben:
Ole hat geschrieben:Die Frage ist allerdings: Welche Schwerpunkte setzt der Winzer? Arbeitet er den Boden-/Lagencharakter heraus oder setzt er die Akzente auf Frucht, auf Jahrgang oder ist ihm die Entwicklung eines ganz eigenen Stils das Wichtigste.
Ich halte es für relativ wahrscheinlich, daß das Wichtigste häufig ist, genug Geld zu verdienen. Romantik kommt dann später. Und wenn der Nachbar oder die regionale Koryphäe Erfolg hat, ist es naheliegend, dem nachzueifern. So hat man einen regional normativen Effekt; Ausnahmen bestätigen die Regel.


Wow. Das Grundproblem, in zwei Beiträgen umrissen. Was da oben steht, kann man dekonstruieren, die ganzen Implikationen, Annahmen und empirisch gesicherten Nachweise (ahja?) aufdröseln, dann wochenlang über sie nachdenken und mit den Gedanken (und vielleicht sogar den Ergebnissen des Nachdenkens) schließlich ein Buch füllen.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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innauen

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 05:48

Ollie hat geschrieben:
Wow. Das Grundproblem, in zwei Beiträgen umrissen. Was da oben steht, kann man dekonstruieren, die ganzen Implikationen, Annahmen und empirisch gesicherten Nachweise (ahja?) aufdröseln, dann wochenlang über sie nachdenken und mit den Gedanken (und vielleicht sogar den Ergebnissen des Nachdenkens) schließlich ein Buch füllen.


:lol: Manchmal habe ich den schlimmen Verdacht, Winzer wollen am Ende Geld verdienen :? Aber dann besinne ich mich schnell und stelle fest, nein, die wollen mich nur glücklich machen :mrgreen:
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 10:25

amateur des vins hat geschrieben:Und wenn der Nachbar oder die regionale Koryphäe Erfolg hat, ist es naheliegend, dem nachzueifern. So hat man einen regional normativen Effekt; Ausnahmen bestätigen die Regel.

Was wir oft für „Lagencharakter“ halten, weil es bei mehreren Winzern in einer Region herauszuschmecken ist, wäre vor allem eine im Keller aufgrund von Marktmechanismen entstandene Konvention? Nach einer solchen Einheitlichkeit sucht man aber oft recht erfolglos (ob man für sie nun „Lage“ oder „Keller“ verantwortlich macht). Bei den Brouilly-Weinen schien zwar ein gemeinsamer Hintergrund durch, aber die Unterschiede (Kaufargumente) überwogen. Andererseits ist seltsam, dass z. B. Fleuries so fröhlich schmecken, wie es ihnen in unzähligen Publikationen nachgesagt wird…. Falls zuerst die Winzer eine vermeintliche „Lage“ kreierten, der sie sich dann verpflichtet haben, wäre dies immerhin eine Erklärung für rebellische Lagenweine ohne "Lagencharakter". Oder vin naturel, die nicht nach der Rebsorte schmecken.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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amateur des vins

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 12:43

Kle hat geschrieben:Nach einer solchen Einheitlichkeit sucht man aber oft recht erfolglos (ob man für sie nun „Lage“ oder „Keller“ verantwortlich macht).
Inwiefern ist diese Einheitlichkeit etwas anderes als die vielbeschworene Typizität?

Du hast recht, man sucht nach ihr oft recht erfolglos. Oder auch garnicht. Deshalb betreibe ich auch keine geologischen Studien, sondern versuche Winzer zu finden, deren Weine mir gefallen. Und behalte dennoch im Hinterkopf, daß mir ein Chardonnay vom Kalk häufig besser schmeckt als vom Lehm.

Wenn man annimmt, daß der Einfluß des Winzers den des Bodens überwiegt, es aber trotzdem eine gewisse regionale Gemeinsamkeit gibt, muß man zwangsläufig andere Erklärungsmodelle heranziehen. Ich freue mich auf die Widerlegung der Abguck-Hypothese. Ollie, Du kannst ja mal mit einem Faltblatt oder Essay anfangen. Dein Buch lese ich dann später.
Besten Gruß, Karsten
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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 14:23

Nun ja, es gibt halt eine Spannung zwischen Konvention/Uniform und Individualität. Einerseits will man als zugehörig (Typizität!) gelten, andererseits möchte man nicht im Einheitsbrei untergehen, sondern möchte als besonders erkennbar sein. Und natürlich werden beide Pole auch durch den Markt beeinflußt. Seit Parker sein System etabliert hat und bestimmten Weinen 100 Punkte gab, hat sich manches beim Bordeaux und Barolo etc. (und auch beim Beaujolais, obwohl’s da wohl nie 100 Punkte gab) verändert – und auch zur Geschmacksänderung beigetragen. Man will nun auch in der Art von 100P-Weinen produzieren, um höhere Preise zu erzielen und zahlt höhere Preise, um solche Weine zu trinken. Wirkliche Exzentrik leisten sich hauptsächlich die, die nur Mikromengen produzieren und hohe Preise deshalb erzielen, weil die Knappheit eben Distinktion schafft.
Ole
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EThC

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 14:42

...m.E. war es "früher" vermehrt schon so, daß man eine gewisse regionale Beschränktheit hatte und sich bei den Winzern einer Gegend dann auch ein einheitlicherer Stil eingebrannt hat, als man das heute erlebt. Der Boden bleibt einigermaßen gleich (obwohl: kann man das hinsichtlich der Umwelteinflüsse und Bearbeitungsmethoden wirklich sagen?), das Mikroklima ist wohl überall klar im Fluß, durch die Globalisierung kann sich ein Winzer einen viel größeren Eindruck über Stile und Möglichkeiten machen und in direkter Folge gibt es gefühlt viel mehr Winzer, die ihr Ego dementsprechend befriedigen wollen (was ich gar nicht negativ meine).

Beispiel aus dem Beaujolais: hier gibt es eine Winzerin namens Anne-Sophie Dubois, die in der Champagne aufgewachsen ist, deren Herz aber eher für das zentrale Burgund schlägt. Sie hat ihre Ausbildung an der Côte d'Or gemacht, aber zur Gründung eines eigenen Weinguts zwischen Beaune und Dijon fehlte die nötige Penunze. Sie wurde dann im Beaujolais fündig und macht da nun Weine nach ihrer Vorstellung, die -soweit ich sie bis dato kenne- tatsächlich deutlich in Richtung Kern-Burgund schauen und für's Beaujolais dementsprechend wenig typisch sind. Scheint ihr aber Wurscht zu sein...
Viele Grüße
Erich

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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragDi 16. Mär 2021, 15:22

...ähnlich wie bei Chateau Moulin à Vent, wo man zeitweilig garnicht gern mit Beaujolais in einen Topf geworfen werden wollte, weil „Bourgogne“ viel besser zum eigenen Anspruch passte. Und das bei dem Namen…
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Tristram Shandy
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Ole

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Re: Beaujolais

BeitragDo 25. Mär 2021, 13:02

Eine Lage, ein Jahr, drei Winzer:

Domaine de la Bonne Tonne (Grillet): Morgon, Côte dy Py 2009
Transparentes Kirschrot, an den Rändern helles Mahagoni; typische Gamaynase: zarte Säure, verhaltene Frucht; am Gaumen reife Kirschen, in dunklere Töne übergehend, Brombeeren, Kräuter, trockenes Laub, ein Hauch Vanille; zupackend, zunächst leichte Adstringenz, die aber umgehend abebbt und in einen harmonischen Fruchtausklang mit dezentem mineralischem Akzent mündet.

Domaine Passot-Collonge: Morgon, Côte dy Py 2009
Farblich noch jung wirkender, fast schwarzer Wein; in der Nase verhaltene dunkle Frucht; am Gaumen wirkt er etwas körperreicher als der Bonne Tonne, zeigt zarte Tannine und reife Kirschfrucht mit feiner Süße, dann dunklere Töne und gleitet in eleganter Säure und leicht mineralisch aus; ein intensiver, kompakter Wein, voll, rund und tief. Von dem gibt’s 4500 Flaschen, er stammt von 45jährigen Rebstöcken.

Château des Jacques (Jadot): Morgon, Côte dy Py 2009
Farbe dunkel wie beim Vorgänger, sehr klar; Nase zunächst äußerst zurückhaltend, schließlich entfernte Frucht, etwas Milchsäure; am Gaumen Tanninattacke, stark adstringierend, stumpf; im Verlaufe andeutungsweise dunkle Fruchtnoten, etwas Cassis; die Adstringenz bleibt dominant, der Wein endet austrocknend. We were not amused.
Ole
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragDo 25. Mär 2021, 22:21

Domaine de la Bonne Tonne (Grillet): Morgon, Côte du Py 2009
Sofort sehr präsent und voluminös. Erst dominiert die fröhliche Brombeerfrucht, bald heften sich dunklere, waldige, auch ledrige Aromen an sie. Ja, kein Wein, in dem man graben muss, sondern dessen Komponenten gebunden erscheinen. Vanille-Holzton macht sich ab und zu bemerkbar. Wirkt so rund und handwerklich ehrbar, dass sich das spielerisch-Genussvolle wie von selbst daraus zu ergeben scheint.

Domaine Passot-Collonge: Morgon, Côte du Py 2009
Auch Passot zupackend und ausfüllend, dabei die Frucht für mich stark flankiert von kräuterigen, ätherischen, auch medizinalen und Klebstoffnoten. Die feine, delikate Säure ist ein Erlebnis. Tiefgründig, ja, auch unergründlich mit seinen dunklen Noten, die nie erdig enden, sondern immer mit der Frucht verbunden bleiben. Nächtlicher Obstgarten. Als das erste Glas zur Neige geht, scheint die Aromatik stumpfer zu werden, aber Irrtum. Nach dem Nachschenken ist der Wein wieder frisch und voller Leben. Nach 24 Stunden geradezu ein Meisterwerk. Kräuter und deutlich Blaubeere, sehr frisch, geht dann in eine sehr schöne Süße mit Marzipan über.
DSC_0605.jpeg
Bei Madame Passot

Château des Jacques (Jadot): Morgon, Côte du Py 2009
Beim Jadot eine Anmutung wie von aufgeweichtem Holz mit laktischen Noten. Schmeckt mir nicht. Interessant, wie minimalistisch der Wein seine Frucht präsentiert. Ähnlich der Haut Cuisine-„Currywurst“ im Gläschen. Oder, als ob mit Gamay eine finessenreich-zarte burgundische Interpretation versucht wurde. Mit mehr Luft scheint sich der Wein phasenweise auf ein besseres Niveau zu begeben. Viele Aromen verweben sich zu einem entwaffnenden Gesamteindruck. Dann ist es schon wieder vorbei und hilft letztlich nicht.

Gruß, Kle
Zuletzt geändert von Kle am Sa 27. Mär 2021, 11:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Tristram Shandy
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Kle

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Re: Beaujolais

BeitragSa 27. Mär 2021, 11:01

Ole, beim Stöbern in diesem thread stieß ich unter anderem auf Stephans Notiz zum Côte du Py von Passot, den es vor acht Jahren bei Dir schon einmal gab...
octopussy hat geschrieben:
Gruppe 3: Monique & Bernard Passot Morgon 2009

Domaine Passot les Rampaux - Morgon Douby 2009
Domaine Passot-Collonge - Morgon Les Charmes 2009
Domaine Passot les Rampaux - Morgon Côte du Py 2009

(alle 13.5 % Vol.)

Diese Domaine kannte ich nicht. Aber von der Qualität war ich äußerst überzeugt. Mit jedem Wein steigerte sich die Qualität. Während der Douby noch ein klein bisschen harmlos war, gab es beim Charmes schon leuchtende Augen, die beim Côte du Py noch strahlender leuchteten. Insgesamt waren auch diese drei Weine sehr dunkelfruchtig in der Aromatik. Ein bisschen wie kleine schwarze und blaue Beeren, die von einem Granitblock zerquetscht werden. Großartige Weine.


Ich finde, so kann man die fruchtig-dunkelwürzige Art des Weines auch heute noch beschreiben. Es ist vielleicht sogar einer der wenigen Wege, eine assoziative Vorstellung davon zu geben und zeigt zugleich, wie unmöglich eine „richtige“ Beschreibung ist. A la Wittgensteins (was ich nicht oft genug zitieren kann): "Beschreib das Aroma des Kaffees! - Warum geht es nicht? Fehlen uns die Worte ? Und wofür fehlen sie uns? - Woher aber der Gedanke, es müsse doch so eine Beschreibung möglich sein? Ist dir so eine Beschreibung je abgegangen? Hast du versucht, das Aroma zu beschreiben, und es ist nicht gelungen?
((Ich möchte sagen: »Diese Töne sagen etwas Herrliches, aber ich weiß nicht was.« Diese Töne sind eine starke Geste, aber ich kann ihr nichts Erklärendes an die Seite stellen. Ein tief ernstes Kopfnicken. James: »Es fehlen uns die Worte«. Warum führen wir sie dann nicht ein? Was müßte der Fall sein, damit wir es könnten?))"


Gruß, Kle
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