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Bordeaux 2023

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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Ollie

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Re: Bordeaux 2023

BeitragDo 11. Apr 2024, 23:50

amateur des vins hat geschrieben:
Olaf Nikolai hat geschrieben:Bordelaise
Was Hänschen nicht lernt...
scnr


Früher nahmen Leute ja nur dasjenige Zeugs in den Mund, dessen Namen sie auch richtig aussprechen (und schreiben) konnten.
Das waren Zeiten.
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Olaf Nikolai

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 08:27

Wie ich fachkompetente Beiträge zur Sache liebe.
Aber ich weiß ja von wem es kommt und das passt dann auch schon.
Zuletzt geändert von Olaf Nikolai am Fr 12. Apr 2024, 12:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Ollie

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 10:19

I love the smell of Fachkompétence à la Bordelaise in the morning, v.a. aus so berufener Feder...

Für diejenigen, die bei den Weinberserkern nicht mitlesen, ein Hinweis auf einen sehr vergnüglichen Zweiteiler im The Drinksbusiness über die kritische Situation des Jahrgangs 2023 im speziellen und des en-primeur-Systems im allgemeinen,

Teil 1 und Teil 2.

Eine für mich sehr bemerkenswerte Stelle (und eine der wenigen Aussagen über die Handlungsmöglichkeiten der Erzeuger) war die:

It is credible to think that, above all in the context of a generous vintage (with yields high), properties are now deciding between degrees of strictness in the selection for their grands vin on the basis of how much they might credibly think they can sell and at what price.


Auf Deutsch: Je mehr Aufwand bei der Selektion der Trauben für den grand vin, desto weniger grand vin, desto teurer der grand vin, desto geringer der Absatz des grand von, desto weniger Einnahmen, desto weniger Gewinn, der den Selektionsaufwand rechtfertigt, desto weniger Selektion, desto größer die Menge an grand vin, aber desto schlechter der grand vin, desto geringer der Preis des grand vin, desto größer muss der Absatz des grand vin sein, um auf den gleichen Gewinn zu kommen, aber desto geringer das Interesse am grand vin, also desto weniger Absatz des grand vin.

Könnte z.B. Brane-Cantenac dreimal soviel Wein zu 90 Punkten produzieren wie solchen zu 94 Punkten und die dreifache Menge auch verkauft bekommen zu 35 Euro pro Flasche? Zu 25 Euro? Der Weinmarkt kann solche Mengen an Bordeaux höchstwahrscheinlich gar nicht mehr absorbieren. Welcher Negociant sollte ihnen diese Produktion auch abnehmen, bei den Rahmebedinungen? Um die Marke zu schützen, müsste der Zweitwein gestärkt werden (was auch das Marketing vereinfachen würde), aber das Mengenproblem bleibt - zumal ja kaum noch jemand Wein trinkt.

Wenn jetzt der "Gesellschaftsvertrag" im Bordelais aufgekündigt wird (falls es ihn jemals gab), wonach die "Leuchttürme" fürs Renommé sorgen, von dem auch die kleinen Crus Bourgeois und Artisans profitieren, nun aber die Leuchttürme ihren Wein lieber selber in der 20-Euro-Klasse verklappen, wann immer sie es brauchen (aber mit der Elastizität, wieder alles in den grand vin zu schütten), dann werden noch viele zehntausend Hektar gerodet werden müssen, und nicht nur auf den billigen Rängen. Und das in einer Zeit, in der die Traubenqualität so hoch war wie noch nie - auch wenn diese Dekade sich absehbar dem Ende zuneigt.

Übrigens ist die Institut des Sciences de la Vigne et du Vin der Uni Bordeaux mit der Jahrgangsbeurteilung raus, allerdings erst einmal nur auf Franzöisch.

Edit: Typos fixed.

Cheers,
Ollie
Zuletzt geändert von Ollie am Fr 12. Apr 2024, 13:38, insgesamt 2-mal geändert.
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Elah

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 13:19

Danke für die Links Ollie. Habe den Beginn des Texts mal durch den Übersetzer gejagt.

Die derzeitige Situation im Weinbaugebiet Bordeaux ist paradox: Während die Winzer dank der klimatischen Bedingungen und der technischen Beherrschung seit mindestens einem Jahrzehnt fast jedes Jahr Weine von hoher Qualität erzeugen konnten, nehmen die kommerziellen Schwierigkeiten zu und der Markt durchläuft derzeit eine schwere Krise. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass der Ruf eines Jahrgangs nicht nur vom Geschmack der Weine abhängt, sondern auch von den Erwartungen, die die Händler und Verbraucher an die Weine knüpfen. In einem instabilen Markt, der von großen Sorgen um die Weltwirtschaft geplagt wird, und nach einem Jahrgang 2022, der durch die Qualität seiner Weine glänzte, aber kommerziell nur bedingt erfolgreich war, präsentierte sich der Jahrgang 2023 schon vor seiner Entstehung in einem eher feindseligen Umfeld. Die Diskussion über die Ursachen dieser Schwierigkeiten oder auch die Mittel zu ihrer Behebung überlässt man den Marktspezialisten. In dieser Notiz geht es darum, auf sachliche Weise auf den Verlauf des Jahrgangs 2023 in Bordeaux und seine Qualität einzugehen. Losgelöst vom wirtschaftlichen Kontext oder der kommerziellen Zukunft des Jahres konzentriert sie sich auf die Erinnerung an die Klimadaten und die Beschreibung ihrer Auswirkungen auf die Physiologie der Reben sowie auf die Hauptmerkmale der großen Bordeauxweine zu Beginn ihres Ausbaus.

Dank der relativ kühlen und sonnenarmen Bedingungen im Spätwinter 2022-2023 erfolgte der Austrieb nicht zu früh, sodass die Schäden des in den letzten Jahren so gefürchteten Aprilfrostes ausblieben. Der Wechsel zwischen milden und kühlen Perioden im Frühjahr führte zu einem unregelmäßigen Wachstum der Reben mit einem Feuchtigkeitsgrad, der die Entwicklung des Falschen Mehltaus begünstigte. Während des gesamten Weinwirtschaftsjahres stellte die Bekämpfung dieses Krankheitserregers eine große Herausforderung für die Winzer in Bordeaux dar und verursachte vor allem bei den Merlots sehr erhebliche Schäden. Im Gegensatz zu dem, was eine vereinfachende Berichterstattung in den Medien glauben machen könnte, sind jedoch nicht alle Weinberge gleichmäßig betroffen, mit geringen bis vernachlässigbaren Ernteverlusten in einigen Weingütern, sowohl am linken als auch am rechten Ufer. Dies ist ein erster Grund für die unterschiedlichen Erntemengen in den einzelnen Jahrgängen. Der sonnige, warme und eher trockene Mai begünstigte das Wachstum der Reben, aber auch die Blüte, die schnell und gleichmäßig verlief, ohne dass es zu einem ausgeprägten Verrieseln oder Millerandage kam. Für die vom Falschen Mehltau verschonten Weingüter ist das Erntepotenzial daher vielversprechend.

Im Juni stieg sie noch weiter an, da der fehlende Wasserdruck während des Fruchtansatzes das Wachstum der Beeren begünstigte. Bis zum 15. August schien der Sommer paradox zu sein: etwas wärmer als der Durchschnitt, wenn auch mit wenig Sonne, insgesamt trocken, aber mit regelmäßigen Gewittern. Unter diesen Bedingungen zog sich der frühzeitig einsetzende Véraison fast einen Monat lang hin, während die Reben auf den meisten Terroirs weiter wuchsen, was eine schwierige Reifung der Trauben befürchten ließ. Glücklicherweise änderte sich die Situation ab dem 16. August drastisch, als am Monatsende eine in diesem Stadium des Rebenzyklus noch nie dagewesene Hitzeperiode einsetzte, die das Wachstum zum Erliegen brachte. Die Trauben reiften unter guten Bedingungen und mit Ausnahme von jungen Weinbergen auf entwässernden Böden oder Trauben, die übermäßig der Sonne ausgesetzt waren, blieben Welkeerscheinungen selten. Die Weinlese der Merlot-Trauben begann in der ersten Septemberwoche und wurde ab der folgenden Woche allgemein durchgeführt. Um den 20. September wurde ein heftiger Regenschauer angekündigt, der die Ernte der Cabernets in einigen Crus beschleunigte, während andere sich dafür entschieden, die Ernte nach diesen Regenfällen, die schließlich weniger stark ausfielen als angekündigt, zu verschieben. Das Ende der Weinlese fand unter optimalen Bedingungen statt, sodass die schöne Nachsaison genutzt werden konnte, um die letzten roten Trauben ohne Angst vor Verwässerung oder Fäulnis zu ernten.

Die Erhaltung des Säure- und Aromapotenzials der Trauben ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Herstellung großer trockener Weißweine. Die meteorologischen Merkmale des Sommers 2023 ermöglichten dies, insbesondere dank des Sonnenscheindefizits in Verbindung mit den mäßigen Temperaturen im Juli und Anfang August. Die ersten Sauvignon-Trauben wurden im Sauternes ab dem 12. August geerntet, die Weißweinlese begann jedoch erst im August.
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Lars Dragl

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 13:21

Hallo!

Man muß dazu immer mitbedenken, dass es bei Produkten, die aus der Natur kommen, immer Schwankungen gibt und Jahre immer mal schwach oder besonders stark sind. Man bekommt als Kunde oft nur das Gejammere mit. Wenn gut verdient wird, dann hörst du als Kunde nichts. Da wird dann geschwiegen, gebaut und investiert, damit man nicht zu viel Steuern zahlen muss. Da rede ich jetzt aber von den namhaften Betrieben.

Nichtsdestotrotz fühle ich mit den Betrieben mit, die ernsthaft in Schwierigkeiten sind. Bei Brane-Cantenac würde ich das jetzt eher bezweifeln. Meiner Meinung nach liegt das Problem für Bordeaux in der Nachfrage und der wirklich vielfältigen und nicht selten großartigen Konkurrenz. Die Preis überzogen haben ja lange nicht alle Betriebe.

Ich bin seit einigen Jahren raus bei Bordeaux und trinke meine Bestände auf. Während der Pandemie habe ich mir zudem dermaßen den Keller voll gemacht (was rückblickend bei den derzeitigen Preisen auch keine ganz dumme Idee war), dass ich nur noch vereinzelt was einkaufe. Da leidet natürlich die Abwechslung etwas, aber man kann ja nicht alles haben.

Herzliche Grüße

Lars
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UlliB

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 14:41

Danke auch von mir, Ollie, dür das Einstellen der Links. Für mich besonders interessant ist das finale Resümee der Jahrgangsbeurteilung des ISVV. Leider schaffe ich es nicht, es durch den Übersetzer zu jagen, aber mein Französisch reicht dafür durchaus. Meine Kurzzusammenfassung der Zusammenfassung:

Die Weißen sowohl in trocken als auch in edelsüß sind gelungen. Bei den Roten sieht das aber anders aus, der Jahrgang ist heterogen, aber einige Weine sind sehr gut gelungen [was ja automatisch heißt, dass das bei vielen anderen genau nicht der Fall ist]. Die Rotweine besitzen nicht das Fleisch und die Dichte "gewisser jüngerer Jahrgänge" [gemeint sein dürften 2018, 2019, 2020, und 2022], aber sie sind typisch und zeigen eine harmonische Struktur, die durch eine behutsame Vinifikation erhalten wurde.

Ganz am Ende folgt dann in sehr blumigem Französisch der Wunsch, dass man den Jahrgang doch bitte nicht gleich als mäßig abschreiben sollte, was vermutlich die Richtung schon mal vorgibt :lol:

Das passt alles recht gut zu der weiter oben schon erwähnten Aussendung von Lobenberg. Blickt man durch die zahlreich geworfenen Marketing-Nebelbomben hindurch, bleibt da als Fazit: der Jahrgang 23 hat charmante und früh trinkbare Weine geliefert. Das ist nun an sich nichts Negatives, aber "charmant" und "früh trinkbar" sind nicht gerade die Attribute, mit denen ausgezeichnete oder gar große Bordeaux-Jahrgänge beworben werden.

Vielleicht ist das sogar im Sinne der Erzeuger, denn ein weiter Jahrhundert-Jahrgang hätte sie bei der Preisstellung vor ein unlösbares Dilemma gestellt. Mit einer Einstufung als "nicht ganz so gut wie '22, aber immer noch gut genug" könnten die wahrscheinlich am Besten leben, da sie ohne Gesichtsverlust und große Schädigung von Lagerwerten die Preise senken können.

Es wird dieses Jahr besonders spannend, wie die Profis die Weine einschätzen.

Gruß
Ulli
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Sauternes

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 15:42

Und damit ist wohl jegliche Illusion gestorben, die an einen sehr guten und günstigen Jahrgang ala 2019 geglaubt haben, was vielleicht auch gut so ist.
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Elah

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 16:57

Hier wird auch ein schöner Überblick geliefert: https://gavinquinney.com/2024/04/11/bor ... op-report/

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UlliB

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 18:29

Elah hat geschrieben:Hier wird auch ein schöner Überblick geliefert: https://gavinquinney.com/2024/04/11/bor ... op-report/

Danke für den Link, besonders interessant für den, der Zeit und Muße hat, sich durch die Vielzahl von Tabellen und Graphiken zu kämpfen. Der für den Bordeaux-Interessierten zu diesem Zeitpunkt interessanteste Absatz ist recht kurz:

"There’s little doubt that 2016, 2018, 2019 and 2020 were terrific years for red Bordeaux and 2022 was widely appreciated by most observers when tasted from barrel. I’d be surprised if 2023 is put in the same bracket as those vintages but it should be ranked somewhere between those and 2017 and 2021, depending on the appellation and the estate."

Quinney lässt sich (noch) nicht auf einen direkten Jahrgangsvergleich ein. Im Netz fliegt hier und da die Einschätzung als "verbesserter 2012er" herum, was zum Geschriebenen und zu Lobenbergs Aussage "charmant und früh trinkbar" in etwa passen würde.

Ob sich so etwas verkaufen lässt, wenn man auf die ultrateuren 22er einen Preisabschlag von 30, 35, oder 40% vornimmt, wie manche erwarten? Ich habe da ein paar Zweifel. Aber man wird sehen...

Gruß
Ulli
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2023

BeitragFr 12. Apr 2024, 19:42

"Charmant" und "früh trinkbar" kann in Verbindung mit Preisnachlässen von um die 30% für einige Forumsteilnehmer fortgeschrittenen Alters ja durchaus ein Kaufkriterium sein, um einem jungen Bdx-Jahrgang wider alle Vernunft doch noch einmal eine Chance zu geben :lol: Gerade wenn ein "verbesserter Jahrgang 2012" als Vergleich herangezogen wird: Wo gibt's das schon, dass ein GPL nach kaum 12 Jahren sich so flott trinken lässt wie unlängst der 12er?
Auch wenn ich mir nicht anmaßen möchte, das Durchschnittsalter der hier Schreibenden (geschweige Lesenden) à la Bordelaise - Olaf verzeihe mir mein Gifteln - zu ermitteln, habe ich doch den Eindruck, dass hier vorwiegend ältere Herren am Werk sind... :roll:
Ich bin jedenfalls durchaus gespannt, was die Degustatoren aus Bdx zu berichten haben. Mein Keller ist übervoll, ja, aber für ein paar Fläschchen wird sich ja wohl noch ein Plätzchen finden lassen? :o
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