Bordeaux 2021

[Bordelaiser]

Liebe Weinfreunde,

kurze Notiz zum Besuch zweier Chateaus mit Degustation im August (La Gaffeliere, Pape Clement), beide sehr empfehehlenswert, wenn man einmal vor Ort ist.

Wie ja bereits hier im Forum diskutiert und wenig überraschend, stellt sich 2021 auch aus Sicht dieser Chateaus als schwierig, oder in anderen Worten "not a great year" heraus. Man setzt alle verfügbaren Mittel ein, auch unter diesen widrigen Bedingungen einen guten Wein zu produzieren, was ja am Ende bei der richtigen Selektion wohl auch gelingen wird. Schauen wir mal, wie die verbleibenden Wochen bis zur Ernte werden. Zumindest aus heutiger Sicht werde ich aber das erste Mal seit 2013 bei der Subskription abstinent bleiben. Da wird sich wahrscheinlich nichts wirklich aufdrängen. Aber Schauen wir mal, wie sich's am Ende ausgeht

Übrigens, habe bei beiden Chateaus den 16-er mitgenommen, drei Stunden in die Karaffe, beides großartige Weine trotz der Jugend. WIeder einmal bestätigt sich, dass 2016 wirklich herausragt.

Beste Grüße,
Jens

[small talk]

In der ersten Augustwoche wurde das Wetter endlich besser. Mittlerweile ist es auch richtig trocken. Zwischenzeitlich war es sehr warm und ungewöhnlicher Ostwind hat die Trockenheit verstärkt (die Surfer am Strand hat das nicht gefreut). Die Gräben sind nun alle trocken gefallen. Unsere Reben sind von der Trockenheit unbeeindruckt. Deshalb kann das auch ruhig so bleiben. Heute Morgen hatten wir aber 4 mm Niederschlag, schon gestern mal kurz 1 mm was im Staub hängen geblieben ist. Die Beeren sind gerade in einer sehr empfindlichen Phase. Da passt der Regen wirklich nicht. Zum Glück hatten wir über den Tag wieder Wind, was die Trauben trocknet.
Mildiou/Falscher Mehltau ist nun überall auf den jungen Blättern, das sieht zwar nicht so klasse aus ist aber überhaupt kein Problem. Die älteren Blätter sind sehr gesund. Die Traubenreife kommt gut voran.
Die Traubenhaut ist schon überraschend dünn und bei den aktuellen Zuckergehalten hat die Botrytis leichtes Spiel - da sind wir gerade in einer kritischen Phase. Deshalb war der Regen heute Morgen schon sehr gefährlich. Jetzt ist wieder alles trocken und so soll es die nächsten Tage auch bleiben. Für Mittwoch ist nochmal eine Regenfront angekündigt, aber das kann sich auch noch ändern, wie schon so oft dieses Jahr. Die Wettervorhersage ist nur noch sehr kurzfristig zuverlässig. Es bleibt spannend.
Das Heu für die Winterfütterung ist gemacht und eingefahren. Die Kühe sind noch auf der Sommerwiese und kommen am Wochenende wieder auf die Wiese hinterm Château. Da ist jetzt genug zu grasen bis die Lese rum ist.
Mit den Lesevorbereitungen haben wir schon etwas angefangen. Das geht dann nächste Woche richtig los. Da kommen dann auch die Mitarbeiter zurück aus ihrem wohlverdienten Urlaub - bisher war es ein sehr arbeitsreiches Jahr und die haben alle klasse mitgemacht.
Einen Vergleich zu 2013 würde ich jetzt nicht ziehen, schließlich hatten wir bisher in der entscheidenden Phase ganz passables Wetter. Wenn die Botrytis nicht zu stark wird, kann das noch ganz ordentlich werden. Es kommt jetzt auf die nächsten vier Wochen an. Von mir aus können einige auch wiedermal einen Jahrhundertjahrgang rausposaunen – für die die es so brauchen das ist sowieso totaler Quatsch und wer braucht den schon.
Ab und an kommen Besucher, das ist mitunter sehr interessant.
Ich bin noch im ‚Relax – Modus‘ – das wird sich bald ändern.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan

[pessac-léognan]

Danke, Stefan, für deine wie immer sehr direkten und klaren Infos aus dem nördlichen Médoc. Schön, dass auf deinen Gütern auch noch Platz ist für Kühe. Sind das Limousin-Rinder? Oder Milchkühe?
Gruß aus dem Burgund
Jean

[small talk]

Hall Jean,
das ist eine Herford Mutterkuhherde. Sehr extensiv. Unsere Weidewirtschaft mit den Rindern sind seit 2012 auch ‚bio‘ zertifiziert. Das geht hier gut. Die Weinwirtschaft auf ‚bio‘ umstellen hatte drastische folgen. Neben höherem Risiko auch ein erheblich höherer Pflanzenschutzaufwand mit bedenklichen ‚Anreicherungen‘ bestimmter Schwermetalle… und womöglich auch noch Rückständen davon im Wein. Mit meiner Bewirtschaftung möchte ich gute Weine ohne Rückstände, die Ökologie der Landschaft so wenig wie möglich belasten und der Natur möglichst viel Raum geben. Da passt ‚bio‘-Weinbau hier nicht so gut rein. Mit der Weidewirtschaft klappt das allerdings richtig gut. Die Mehrarbeit durch ‚bio‘-Einschränkungen ist verkraftbar (kann sogar Spaß machen). Der Tierarzt hat bei Medikamenten die freie Wahl – nur die Wartezeiten werden verdoppelt. Die Kühe sind pflegeleicht, zutraulich und sehr robust und immer draußen. Das Fleisch ist erstklassig und passt gut zum Wein…
Beste Grüße aus Médoc
Stefan

[small talk]

Übers Wochenende hatten wir 20 mm Regen zum Glück war es Kühl und es gab Wind. Die Alkoholpotentiale liegen noch weit unter 13 %. Durch das verfügbare Wasser werden die auch so schnell nicht ansteigen. Diese Mischung lässt das Botrytis-Risiko ansteigen. Und die Reife ist noch nicht fertig – auch noch nicht homogen.
Heute ist Vollmond und wir haben sehr gute Wetterbedingungen. Tagsüber sonnig warm mit etwas Wind und Nachttemperaturen um die 12-11° sind perfekt. Ein Wetterwechsel ist mit dem Mondwechsel nicht in Sicht. Diese guten Aussichten lassen auf einen guten weiteren Reifeverlauf hoffen.
Die Merlot-Beeren sind sehr groß. Das lässt vermuten, das die Gehalte an Gerbstoffen und Anthocyanen im Saft nicht so hoch sein werden (Verhältnis Saft und Traubenhaut). Die Cabernets sehen gut aus. Angesichts dieser Situation wollen wir so lange wie nur möglich mit der Lese warten. Vorausgesetzt die Trauben bleiben gesund. Das kann dann mal wieder auf eine sehr schnelle Lese hinauslaufen. Es bleibt spannend.
Mit der Handlese der unreifen Trauben / Grünlese sind wir letzte Woche fertig geworden. Mit den Vorbereitungen im Chai habe ich heute angefangen.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan

[Zaccetti]

Danke für die Updates. Es freut mich jedesmal von dir zu lesen. Sehr interessant!

[mediafotografie]

…lese hier seit Jahren (gerne) mit ohne viel zu schreiben - möchte mich auch bei Stefan bedanken, die Berichte direkt aus dem Medoc finde ich sehr interessant (besonders in diesem Jahr, in dem ich als Laie froh bin, kein Winzer zu sein)! Danke!


thomas

[bordeauxlover]

Ich kann mich den „Vorschreibern“ nur uneingeschränkt anschließen. Auch ich finde die Beiträge aus erster Hand aus dem Medoc ungemein bereichernd für dieses Forum. Gerne weiter so!

Bordeauxfreundliche Grüße
Armin

[Georg R.]

Auch von mir - als stiller Mitleser - herzlichen Dank an Stefan.
Obwohl das Kapitel Bordeaux für mich beendet ist, sauge ich immer noch einiges auf, was mit meiner alten Weinliebe in Verbindung steht.

Vielleicht noch ein Tipp als alter Forennutzer...egal in welchem Forum man sich einbringt, man findet immer Zeitgenossen, deren Freude darin besteht, die Gemeinschaft in irgendeiner Weise zu stören.
Bin kein Psychologe, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass ignorieren das effektivste Mittel ist, ihnen den Spass zu nehmen, auch wenn das nicht immer einfach ist.


Gruss
Georg

[TOM]

Auch von mir ein großes Dankeschön! Die Berichte sind wirklich wertvoll und bereichernd! Man trinkt den Wein danach mit viel mehr Ehrfurcht!

Ergänzend bleibt anzumerken, dass ich nicht nur die Berichte sondern auch den Le Reysse von Stefan sehr zu schätzen gelernt habe. Obwohl ich bisher nur 2016+2018 kenne, ist das mit Abstand der beste Medoc unter 20 Eur in meinem Keller. Der 2018er hat zurzeit eine herrliche Fruchtphase...