Re: Bordeaux 2018
Verfasst: Sa 24. Apr 2021, 11:41
vanvelsen hat geschrieben:pessac-léognan hat geschrieben: Château Cantenac Brown Margaux 3ème Cru Classé 13.5% alc
Fazit: Der Wein wirkt im Augenblick im Vergleich zu vielen anderen 18ern nicht besonders vorteilhaft, als verschlösse er sich demnächst bereits, die Teile passen nicht wirklich zusammen, die sehr hohen Noten der Fassverkostungen, aber auch bei der Arrivage (um die 95 Punkte: AG, JA, JS, Quarin, JL, Yves Beck, JM, Roger Voss, Adrian vV) sind mir im Moment etwas schleierhaft, da bin ich eher bei den 16 Punkten von JR, André Kunz, R. Bichsel (Vinum).
Der Wein nimmt es augenblicklich nach meinem Geschmack nicht mit dem preiswerteren Finessenwein (obwohl 1% Alkohol mehr!) Ferrière (ebenfalls 3ème Cru de Margaux) auf, der die 95 Punkte immerhin streift. Momentan liegt der Wein für mich eher bei 89/90+
(94-96/100): 2018, Château Cantenac-Brown: Leuchtendes Rubin- Tief, nobel, dunkelfruchtig im Duft, medizinale Noten, Minze, frisches Süssholz, Veilchen, sehr komplex. Der Gaumen beginnt schlank, breitet sich dann aus, zeigt eine feine Textur, super feinmaschige Gerbstoffe, knackige Frucht gepaart mit viel Eleganz, das ist verführerisch, man möchte gleich schlucken. Sehr gelungen, könnte früh Spass machen und wird gut reifen. 2026-2045+ (Verkostet auf Château Dauzac (UGCB), am 01.04.2019)
Mach mal nen 09er auf aktuell, dann siehst du wo die Reise hingehen könnte...
Hallo Adrian
Danke für deine Rückmeldung! Ich wollte deine VKN von 2019 in keiner Weise in Zweifel ziehen (wenn du übrigens gelegentlich einen Mitverkoster für die 20er Muster suchst, bin ich nicht so weit von Windisch weg und würde mich über eine PN jederzeit freuen...) und schätze deine VKN i.A. überhaupt sehr. Ich wollte - und meine Hervorhebungen oben sollen das andeuten - nur einmal mehr zu bedenken geben, dass Weine aus Bdx, auch solche mit sehr langer Tradition wie Cantenac Brown, m.E. seit einigen Jahren (wohl definitiv seit 2009, vorher sporadisch, wie 2003, z.T. 2005, aber bei einigen Weinen auch bereits 1990), eine gewisse Tendenz entfalten, die man mit 'Unberechenbarkeit bezüglich Entwicklung' bezeichnen könnte. Ich habe hier bereits mehrfach kundgetan, dass ich dem 'modernen Bdx' insgesamt durchaus nicht abgeneigt bin und all dem Grünen, das vielleicht nach 20 Jahren einmal begann, Waldboden und Pilzen Platz zu machen, bevor man das Getränk einigermassen trinken konnte, überhaupt nicht nachtrauere. Allerdings ist das dann halt auch mit mehr Risiko und Ungewissheit verbunden. Viele Weine scheinen mir heute in gewisser Weise 'zickig' zu sein, ihre Entwicklung in mehrfacher Hinsicht weniger kontinuierlich und vorhersehbar. Während ich z.B. - um jetzt nicht ein 'grünes', sondern ein sehr positives Beispiel zu nennen - hier auch schon mehrfach erwähnt - sämtliche 12 Flaschen Giscours aus dem sehr klassischen Jahr 2000 in den Jahren von etwa 2012 bis etwa 2018 extrem stabil in einem ausnahmslos fantastischen Zustand im Bereich von 93 bis 95 Punkten geniessen durfte und nur bedaure, dass ich keine mehr übrig habe (jüngere Notizen hier zeigen, dass der Wein zumindest nicht schlechter geworden ist...) oder 2000er Barton oder Ducru B. jetzt erst beginnen, vollen Genuss zu bieten und diesen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit stabil für die nächsten 10 bis 20 oder mehr Jahre (LB) bieten werden, zeigen mir Erlebnisse etwa mit dem 2003er Pontet Canet (in den Jahren von 2016ff. ein richtiger Genusswein, dann plötzlich total abgetaucht mit extremer Medizinalnote) oder mit dem 2015er DdC (ähnliches Erlebnis jüngst), dass Weine aus Hitzejahren, die sich in Bdx und anderswo jagen, sich in einer viel weniger vorhersehbaren und v.a. sehr viel abrupteren Weise entwickeln könnten als solche aus klassischen Jahren, von denen es keine mehr zu geben scheint (selbst 2016 ist wohl nur bezüglich Alkoholgehalten noch klassisch zu nennen). Solche abrupten 'Stimmungswechsel' (deshalb habe ich vorher von Zickigkeit geschrieben) kannte ich eigentlich vorher nur von überseeischen, insbesondere chilenischen Bdx-Blends, etwa Clos Apalta, Seña, Don Maximiano, die sich bereits viel länger durch ihre meist hohen Alkoholgrade auszeichneten.
Was nun 2018 betrifft (ich konnte die Weine leider nicht aus dem Fass probieren, sondern erst seit letztem Herbst nach der Arrivage), scheint mir (mit grosser Vorsicht) eine gewisse Tendenz ablesbar, die sich in meinen Augen bei Meyney (aber vielleicht eben auch bei Cantenac Brown) innerhalb von nur wenigen Monaten in fast exemplarischer Weise gezeigt haben könnte: die (möglicherweise abrupte) Entwicklung von einem extrem trinkigen Wow-Effekt-Wein hin zu einer gewissen Klassizität bei meiner jüngsten Wiederbegegnung mit Meyney (vielleicht aber auch nur als Übergangsstadium zu einem baldigen Verschluss?) oder eben sogar (CB) sehr früher Verschluss. In beiden Fällen bliebe eben dann schon ziemlich ungewiss, "wo die Reise hingehen könnte". Oder anders gesagt: Vielleicht ist die Reise mancher moderner Bdx mit sehr viel mehr Umwegen und Abwegen und Seitenwegen (und vielleicht auch Varianzen?), aber auch mit mehr Unberechenbarkeit über das Ziel der Reise und dessen Erreichbarkeit verbunden. Viele 'Vielleicht' und viele 'könnte' - ich weiss - aber genau das meine ich.
Und so wäre dann halt einfach jede VKN noch mehr als ohnehin schon eine subjektive Momentaufnahme mit sehr ungewissem Zukunftswert. Und bei den 18ern geht es mir im Moment einfach nur darum, (für mich persönlich) abzuwägen, ob (bei den Preisen der 18er) sich ein Nachkaufreflex einstellt (konkret: ob ich die paar noch unverkauften Flaschen aus der für mich vor Ostern geöffneten Kiste im Gestell bei Denner für 50 CHF kaufen soll) oder eben auch nicht. Beim CB ist (für mich) eher Letzteres der Fall.
Gruss
Jean