Hallo,
gestern (und heute mittag nachverkostet) haben wir dann noch zwei weitere Weine aus 2017 probiert, auch blind, diese mal vom linken Ufer.
Chateau Lanessan - Haut-Médoc 2017:
Am 2. Tag die Tannine erwartungsgemäß mit etwas mehr Grip, aber insgesamt nicht besonders gerbstofflastig. Auch die Frucht deutlich exponierter. Ich finde die Aromen von roter Grütze und Menthol dabei ziemlich Lanessan-typisch. Der Wein ist zur Zeit sehr offen und zugänglich, ist einfach schön zu trinken. In der Wahrnehmung sind Jochen und ich m.M. recht nah beienander
[Link] Jochens Kommentar etwas weiter im Faden trifft es recht gut und ist glaube ich in keiner Weise abwertend gemeint:
Jochen R. hat geschrieben:Der 2017er ist ein solider Zechwein, der ´16er schon
eine andere Hausnummer (sehe ich bei 90 P.).
Ich kann mir vorstellen, dass der Wein eine etwas schwachbrüstige Säure und etwas zu wenig Substanz hat, um wirklich alt zu werden. Der ist nicht für die Ewigkeit gemacht, aber Entwicklung traue ich dem auch zu, würde ihn tendenziell auch über den 87P von Jochen sehen.
Der zweite Wein, der ins Glas kam war
Château Le Reysse - Vignobles Paeffgen - Médoc 2017:
Der hat mir noch einen Ticken besser gefallen, wirklich ein toller Wein. Die Frucht im Mund ist einfach wunderschön und die Kaffee-Noten dazu treffen voll meinen Geschmack! Zwar auch ein nicht zu extraktreicher Wein, aber schon intensiver und kraftvoller als der Lanessan. Auch dieser hier mit sehr schönen Gerbstoffen.
Die Gerbstoffe vom Lanessan habe ich als eher adstringent-zusammenziehend wahrgenommen, die vom Le Reysse als adstringent-samtig. In der Fachliteratur [1] werden adstringierend-zusammenziehende (puckering) Sinneseindrücke Tanninen wie der Gallussäure, Vanilinsäure und Syringasäure, die sich z.B. in den Traubenkernen finden, zugeschrieben.
Die adstringierend-samtigen Eindrücke werden Flavonolglycosiden (zu denen auch die Anthocyanine zählen) zugeordnet. Diese befinden sich hauptsächlich in der Beerenschale. Ich vermute, der Unterschied in den Tanninen und der Empfindung kommt durch den hohen Anteil an Cabernet Sauvignon (90% in Le Reysse), der mehr Farbstoffe und dickere Schalen hat. Zusätzlich ist bei kleinen Beeren und einer stärkeren Entlaubung der Gehalt an Flavonolglycosiden in Trauben höher.
Insgesamt finde ich den Wein recht sanft extrahiert, auf der Flasche steht aber 34 Tage, was ja jetzt nicht unbedingt kurz ist. Den Holzeinsatz beim Le Reysse finde ich recht dezent und gut gewählt für den leichteren Körper (und die Kaffeenote finde ich großartig), trotz 24 Monaten Barrique.
Stefan, ich würde mich sehr freuen, wenn du meine Eindrücke und Gedanken kommentieren kannst. Wie alt/neu waren die Fässer, bei welchen Temperaturen hast du vergoren, hast du untergetaucht? Und wie hast du die Gerbstoffzusammensetzung empfunden?
Ich werde mir jedenfalls von beiden Weinen noch mal etwas nachkaufen, liegt mir deutlich mehr als die rechtsufrigen, was auch allgemein (unabhängig von 2017) meiner Vorliebe entspricht. Wir hatten auch noch mal den Dalem und De La Dauphine im Laufe des Abends dagegen probiert. Der Dalem war von der Frucht deutlich kitschiger und unnatürlicher, der Dauphine mit unreifen, überextrahierten Tanninen.
Grüße, Josef
[1] J. C. Hufnagel, T. Hofmann, J. Agric. Food Chem., 2008, 56, 1376-1386.
[Link]