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Bordeaux 2017

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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UlliB

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Re: Bordeaux 2017

BeitragSo 20. Dez 2020, 13:52

amateur des vins hat geschrieben:Petit Verdot weist m.M.n. eine gewisse "Penetranz" auf, und ein Sechstel Anteil in der Cuvée ist schon echt viel. Das dürfte auch der Grund dafür sein, daß man ihn praktisch nie reinsortig oder auch nur in höheren Anteilen findet, sondern fast immer nur in winzigen Mengen quasi als Gewürz verwendet.

Reinsortige Petit Verdot gibt es von mehreren Erzeugern in Südspanien. Ich habe mir von zwei Produzenten mal etwas als Beipack zu einer Sherry-Lieferung kommen lassen, und war davon durchaus angetan. Da war überhaupt nichts penetrant, sondern die Weine hatten eine feine Blaubeerfrucht, die mich an Syrah von der nördlichen Rhône erinnert hat. Die Sorte scheint mir auch im Bordelais im Moment im Kommen zu sein, da sie den Klimawandel offensichtlich wesentlich besser "verdaut" als Merlot oder Cabernet Franc.

Ach ja, farbtief und Violett mit einer sehr deutlichen Tendenz ins Blaue waren die Weine tatsächlich.

Das "Anstrengende", was pitts empfindet, würde ich auch beim Tannin verorten. Das gehört sich aber für einen jungen Bordeaux so, und mit etwas Übung kann man daran gewissermaßen vorbei verkosten. Allerdings ist die individuelle Empfindlichkeit auch unterschiedlich: den oben erwähnten Calon Ségur '17 empfand meine Frau nach dem ersten Glas als gerbend und sperrig, während für mich bei diesem Jungwein so ziemlich alles passte.

Gruß
Ulli
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stollinger

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Re: Bordeaux 2017

BeitragSo 20. Dez 2020, 14:26

Ich kenne einen recht schönen Übersichtsartikel zu dem Thema: A quarter century of wine pigment discovery[1]. Darin ist erklärt:

Die Farbe von Jungweinen wird beeinflusst von Anthocyanen, die kommen in einer kräftigen, roten Form vor (das Flavylium-Kation, Absorption bei 520 nm), einer farblosen Carbinol-Pseudobase, und der lilanen Chinoidal-Form. Sprich, es handelt sich um eine Molekülklasse, die abhängig vom pH-Wert in unterschiedlichen Formen vorliegen kann. Der pH-Wert bestimmt das Verhältnis im Gleichgewicht. Man kann sich das eigentlich recht eingänglich auf Wikipedia ansehen, ist dasselbe wie bei Rotkohl und Blaukraut. [Link].

Neben der pH-abhängigen Änderung der Farbe sind diese Anthocyane nicht stabil gegen SO2, sie werden durch SO2 gebleicht und dadurch farblos.

Farbstabile Pigmente werden im Wein erhalten, wenn Anthocyane mit Tanninen und Flavanolen reagieren und gemeinsame polymere Pigmente ausbilden. In diesen Polymeren sind die Anthocyanin-Einheiten stabil gegen SO2 und die Farbe ist nicht durch den pH-Wert beeinflusst. Diese Polymere haben die typische kräftige rote Färbung von Rotweinen.

Der chemische Unterschied in der Weinflasche zwischen einem lilanen Jungwein und einem roten, jüngeren Wein ist also, dass monomere Anthocyane durch SO2 gebleicht wurden und/oder, dass sie chemisch in polymere Einheiten eingebunden sind und nicht mehr als Monomere vorliegen.

Neben der Polymerisation mit z.B. Tanninen und Flavanolen können die Anthocyane aber auch noch mit anderen Bestandteilen des Wein reagieren und andere Farbstoffmoleküle bilden. Die zweite wichtige Klasse (neben den polymeren Pigmenten) stellen dabei die Pyranoanthocyanine dar. Diese entstehen durch Hefen während der Fermentation oder durch kontrollierte Oxidation (Mikrooxigenation) während der Weinbereitung durch die Reaktion mit einem Nucleophil.

Pyranoanthocyanine sind ebenfalls stabil gegen SO2 und unabhängig vom pH-Wert. Im Vergleich zu den polymeren Pigmenten ist die Absorption kurzwellig verschoben, sie sind etwas orange-gelblicher.

Das Verhältnis und die Konzentration von den verschiedenen Farbstoffmolekülen und polymeren Pigmenten ist also von der Konzentration und der Verhältnisse der möglichen Reaktionspartner von Anthocyanen (damit also von der Rebsorte und der Intensität der Extraktion), dem pH-Wert und der Menge an Sauerstoff abhängig. Die Unterschiede können da ja bekannterweise recht ausgeprägt sein, wenn man die Farbe von Jungweinen vergleicht (z.B. Nebbiolo vs. Cabernet Sauvignon vs. Mourvedre vs. Petit Verdot vs. ...).

Wenn man jetzt innerhalb einer Rebsorte oder Rebsortenmischung bleibt, gibt es aber durchaus Techniken der Vinifikation, die einen recht prominenten Einfluss auf die Farbe und auch auf den gesamten resultierenden Wein haben. Dazu zählt z.B. Ganztraubenvergärung/Kohlensäuremaischung (macération carbonique), dabei arbeiten die Hefen etwas anders auf Grund der geringen Sauerstoffverfügbarkeit. Die Weine sind recht lila und reich an Glycolen und sehr fruchtig, expressiv. In Bordeaux spielt das nur eine geringe Rolle, ich meine Carmes Haut Brion vergärt so einen Teil. Leider wird der Begriff Ganztraubengärung häufig mit konventioneller Gärung ohne Entbeeren (also mit Rappen) vermischt -- vielleicht vermische aber auch nur ich das-- jedenfalls besteht da eine gewisse Unschärfe.

Eine weitere önologische Technik, die einen starken Anteil auf die Weinfarbe hat, ist die Mikrooxigenation[2]. Durch gezielte Sauerstoffgabe wird die Polymerisation von Tanninen (und auch Anthocyaninen und Tanninen) gefördert, um den Wein zugänglicher, weniger adstringent zu machen. Dadurch wird auch die Farbe durch polymere Pigmente sehr intensiv rot. Ebenso wird aber auch die Konzentration von Nucleophilen durch den Sauerstoff erhöht, aus Sauerstoff und Ethanol entsteht Acetaldehyd, was mit Anthocyanen zu den beschriebenen Pyranoanthocyaninen führt. Wenn die Microoxigenation schieft geht, kann das auch schon mal zu entfärbten Weinen führen. Etwas weiter vorne in dem Faden habe ich zu zu der auffällig intensiven und nicht lilanen Farbung von Sociando-Mallet 2017 etwas geschrieben [Link]. In dem Zusammenhang habe ich Microoxigenation gemutmaßt; ich stelle ja gerne Theorien auf, sollte man nicht zu ernst nehmen. Microoxigenation kann auch eingesetzt werden, um die Konzentration von vegetalen, teilweise als unangenehm empfundenen, Aromen zu reduzieren. Diese vegetalen Aromen entstehen z.B. durch unreife, grüne Trauben. In Jahren mit Spätfrost, wie 2017, kam es in vielen Weinbergen zu einer inhomogenen Reife, weil nach dem Spätfrost noch ein zweites Mal ausgetrieben sind. Ob das bei Sociando-Mallet der Fall war, weiß ich nicht. In jedem Fall verändert Microoxigenation die Zusammensetzung der Alterungsprodukte von Weinen im Vergleich zu Weinen, die nicht oxygeniert wurden.

Wenn du also lila gefärbte Weine nicht besonders magst, könnte das entweder an den noch recht unsanften Gerbstoffen liegen, an einem hohen Anteil von Glycerin und anderen Gärungsnebenprodukten, oder auch an den spezifischen Aromen von Petit Verdot (ist ja sehr floral mit Veilchen und Lavendel). Vielleicht gefällt dir auch einfach die Farbe einfach nicht :D .

Grüße, Josef

p.s.: Die Konzentration von wichtigen Pyranoanthocyaninen wie Vitisin A und Vitisin B scheint unabhängig vom Alter der Weine wohl stabil zu sein. Die Anthocyaninkonzentration (der freien) nimmt ab, und auch polymere Pigmente fallen als Depot aus. Die gelblich-orange Farbe der Pyranoanthocyanine bleibt zurück.

[1] A. L. Waterhouse, J. Zhu, J. Sci. Food Agric., 2019, 14, 5093-5101. [Link]
[2] E. Gómez-Plaza, M. Cano-López, Food Chemistry, 2011, 125 , 1131–1140. [Link]
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Zweifel

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 17:20

Hallo Josef
Ganz herzlichen Dank für die Ausführungen zur Farbe und die Angabe der Referenzen!

Für diejenigen, die nach einem reinsortigen Petit Verdot aus dem Bdx suchen hier ein Hinweis. Château Belle-Vue macht einen Wein der vermutlich reiner PV ist Bezugsquelle Martel CH. Ich glaube der war auch im Subs Angebot von Baur au lac.
Beste Grüsse
Hans, - Rudolf
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pessac-léognan

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 17:24

Der Wein heißt, glaube ich, Petit-Verdot de Belle-Vue und hat regelmäßig höhere Noten als der normale Cru Bourgeois.
Gruß
Jean
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Zweifel

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 17:27

Merci Jean
Gruss Hans-Rudolf
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Jochen R.

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 18:17

Regelmäßig ist relativ: gab´s den Petit-Verdot by Belle-Vue
auch schon mal vor 2016?

Liest sich (Quelle Mövenpick CH) natürlich spannend inkl.
der Ausbau in Amphoren etc.
Rarität aus 100% Petit Verdot - limitiert!
Einen Médoc aus 100% Petit Verdot – ja das gibt es und was für einen. Bei unserem Besuch auf Pédesclaux wurden wir nach der Verabschiedung von Besitzer Jacky Lorenzetti nochmals hereingebeten. Er habe da noch etwas zum degustieren meinte ein grinsender Vincent. Was ganz Neues - die Neugier war geweckt. Auf der Flasche steht in grossen Lettern „Petit Verdot by Belle-Vue“. Im Jahre 1956 gab es in Bordeaux einen strengen Frost bei dem sehr viele Rebstöcke erfroren, dieser Wein ist aus Petit Verdot Beständen die 77 Jahre alt sind (ganz genau wurden die Setzling in den Jahren 1930/36/40 ausgepflanzt). Der Ausbau wurde zu 15% in Amphoren, 20% in neuen Barriquen (aus österreichischer Eiche von Stockinger und ungarischer Eiche von Kadar) sowie den üblichen Verdächtigen Taransaud & Darnajou. Der perfekte Wein für Ihr nächstes Barbecue!

Interessant wäre noch, ob dieses "Experiment" dann auch in
einem Jahr wie 2017 funktioniert?

Viele Grüße,
Jochen
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stollinger

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 20:23

pessac-léognan hat geschrieben:Der Wein heißt, glaube ich, Petit-Verdot de Belle-Vue und hat regelmäßig höhere Noten als der normale Cru Bourgeois.
Gruß
Jean

Die RVF schreibt zum Jahrgang 2018: Avec un macératio a froid, une extraction douce et un élevage en jarres et barriques, [...]. Avec des notes de pivoine, vanille, poivre, fruits rôtis, on sent un belle maturité, ce qui n'est pas toujour le cas avec ce cepage. La bouche est dense, avec une matiére veloutée, enrobée par un élevage que certains ont trouvé trop appuyé. Nerveuse, la finale allonge le vin.

Kaltvergoren mit sanfter Extraktion, Vanille und eingekochte Früchte. Klingt jetzt für mich nicht nach einem Wein, der viel Wert auf ungeschminkte Rebsortentypizität legt; fürs Barbeque wird schon passen.

Grüße, Josef
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UlliB

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 21:33

stollinger hat geschrieben:
pessac-léognan hat geschrieben:Der Wein heißt, glaube ich, Petit-Verdot de Belle-Vue und hat regelmäßig höhere Noten als der normale Cru Bourgeois.
Gruß
Jean

Die RVF schreibt zum Jahrgang 2018: Avec un macératio a froid, une extraction douce et un élevage en jarres et barriques, [...]. Avec des notes de pivoine, vanille, poivre, fruits rôtis, on sent un belle maturité, ce qui n'est pas toujour le cas avec ce cepage. La bouche est dense, avec une matiére veloutée, enrobée par un élevage que certains ont trouvé trop appuyé. Nerveuse, la finale allonge le vin.

Kaltvergoren mit sanfter Extraktion, [...]

Das ist jetzt zwar OT, aber Kaltmazeration ist etwas anderes als Kaltvergärung, und auch wenn mein Französisch etwas eingerostet ist, geht es hier eindeutig um Ersteres. Das Verfahren wurde vor rund 50 Jahren im Burgund entwickelt und ist von dort dann in andere Gebiete geschwappt. Die Effekte sind für einen Chemiker, der sich gerne mit den diversen Anthocyanen, Polyphenolen, Flavonen und ähnlichem im Wein beschäftig, sicher interessant. Es dürfte sich also für Dich lohnen, da mal etwas tiefer einzusteigen 8-)

Gruß
Ulli
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stollinger

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMo 21. Dez 2020, 21:40

Danke Ulli,

Den Unterschied habe ich mir nicht bewusst gemacht, hast natürlich Recht.

Hausaufgaben...

Grüße, Josef
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Jochen R.

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Re: Bordeaux 2017

BeitragMi 23. Dez 2020, 19:16

Jochen R. hat geschrieben:Les Hauts de Lynch Moussas 2017:
...
Tolle Nase, fein duftend: Bittermandeln, Kirschen, blumig/würzig,
animalisch/tabakig-
Schlank bis mittelgewichtig mit toller Frucht, frisch, floral/würzig
mit schöner Adstringenz, mittellang.
89 P. - ich muss morgen nachkaufen!

Viele Grüße,
Jochen

Manchmal geht ja in Abhängigkeit der Tagesform der Gaul mit einem
durch und das hat mir jetzt keine Ruhe gelassen :lol: Aber die 2. Flasche
ist fast eine Blaupause und mir gefällt das wirklich sehr gut :oops:
(Aber Achtung: nichts für Fans konzentrierter Frucht!!)

Für einen Zweitwein eines in der Vergangenheit nicht gerade so glanz-
vollen Weinguts (wobei der 2016er wirklich toll ist) und dazu einem sicher
nicht überragenden Jahr m. M. fast schon eine Sensation.

Hatte schon jemand den Erstwein im Glas?

Viele Grüße,
Jochen
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