Fr 24. Jan 2020, 20:21
Domaines Léandre Chevalier Blaye
L'homme Cheval LQY Vin de France 2016 (50%M/50%CS)
13.5% P&P bei 14°
Dunkelrote, leicht durchsichtige Farbe
Aber eigentlich muss man hier mit der Nase beginnen. Schon beim Öffnen des Korkens entströmt der Flasche eine zimmerfüllende Geruchswolke, als ob der Zentaur auf dem Etikett wie ein Flaschengeist das Weite suchen würde! Sowas habe ich noch nie erlebt. Im Glas setzt sich diese Wucht von reifen Merlottrauben fort. Die Nase ist gefangen in diesem Duft, der kindliche Erinnerungen an Trauben aus dem Tessin weckt, wie ich sie seither nie mehr so fruchtig genießen durfte. Erst ganz lange danach auch etwas Lakritze, superfein, und eine feine Würzigkeit nach ebenso reifen, aber nicht überreifen Kirschen.
Gegen diese Wucht in der Nase kommt der Gaumen lange nicht an. Erst allmählich auch hier wieder die Traube, die Kirsche, eine ganz feine Würzigkeit gegen Sternanis hin. Ein Hauch frisches Brot. So fein, so über die Zunge huschend, als ob kein Tannin im Spiel wäre.
Der Abgang ewig lang, auf Weichsel wechselnd. Eigentlich besteht dieser Wein nur aus Nase und dann wieder Abgang. Dazwischen ist nicht viel Platz. Während andere Weine mundfüllend sind, raumgreifend, lässt hier die Nase nicht los, bis nur noch der Abgang bleibt von etwas, das wohl getrunken worden sein muss...
Eine Zahl kann das alles kaum auf den Punkt bringen. So viel Nase und so viel Abgang bei etwas dazwischen, was fast unmerklich bleibt. Wenn es denn trotzdem sein muss: 93/94
Der Wein erinnert ein wenig an einen Sirène de Giscours, vor langer Zeit sehr jung direkt nach der Abfüllung getrunken, nur viel filigraner und viel duftiger. Wie so was Ätherisches wohl werden wird? Am besten bald trinken, meine ich. Für knapp 14€ ein unglaubliches PGV.
Den traditionell im Barrique ausgebauten DLC 2016 lasse ich wohl noch liegen.
Schade, dass Dominique Léandre Chevalier, dieses Weingenie, nicht so viel ökonomischen Sachverstand hatte, um den Konkurs abzuwenden!
24h später: Das Duftmonster hat sich normalisiert, lässt dem Gaumen mehr Raum: Duft und Geschmacksnuancen nun wie bei einem sehr guten zehnjährigen Cru Bourgeois, in der Nase Lakritze und Cassis, ebenso am Gaumen, hier auch frisch gegerbtes Leder, etwas Cubatabak, alles ganz fein verwoben, wenig Zeder, aber überhaupt nicht holzig, da ist nichts von Holz (kein Holzausbau!), als ob es Zederngrün wäre (aber ich weiß nicht, wie das schmeckt, es müsste aber irgendwie so sein: Zeder ohne Holz). Fazit: am zweiten Tag ein klarer, leicht duftiger, mittelkomplexer, völlig ungetrübter Wein mit Rückgrat, der zu einem spricht, anstatt wie zu Beginn mit seinem Duft zu überwältigen. 90/92 Punkte.
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pessac-léognan am Sa 25. Jan 2020, 21:41, insgesamt 1-mal geändert.