Aktuelle Zeit: Fr 26. Apr 2024, 19:57


Bordeaux 2015

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
  • Autor
  • Nachricht
Offline

Weinschlürfer

  • Beiträge: 530
  • Registriert: Do 16. Jul 2015, 17:18

Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 16. Apr 2020, 18:13

Zumindest bei den Grosshändlern in FRA bekommst du 2016 noch in Hülle und Fülle :)
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 16. Apr 2020, 18:28

Bordelaiser hat geschrieben:Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass die 2015-er und 2016-er Kampagnen sehr gut durchverkauft wurden und die Chateaus auch nur, wenn überhaupt, relativ kleine Mengen zurückbehalten haben. Das hiesse, es gibt nur noch wenig Lagerbestand in der Kette. Worauf basiert Deine konträre Einschätzung?

"In der Kette" heißt zuallererst mal direkt bei den Chateaux. Um 2010 herum hat um Bordeaux herum eine rege Bautätigkeit begonnen, da wurden jede Menge Läger für Wein gebaut (ich habe das selber vor Ort gesehen). Dafür gab es zwei Gründe: zum einen spielte die neue Kundschaft aus Asien das Primeur-Spiel nicht mit und kaufte nur Wein, wenn der auch sofort physisch in der Flasche verfügbar war, gerne auch aus etwas älteren Jahrgängen. Der zweite Grund war, dass man auf der Basis des Preisverlaufs in den vergangenen Jahrzehnten davon ausgegangen war, dass die Preise auch in Zukunft immer weiter steigen und der Lagerbestand somit laufend an Wert gewinnen würde.

Durchverkauft wurde vom Handel tatsächlich nur das, was von den Chateaux jeweils freigeben wurde. Und das wurde seit der 2010er-Kampagne ein immer kleinerer Teil der Ernte. Nur als ein Beipsiel: Rauzan Ségla - vom 15er und 16er wurde hier jeweils nur die Hälfte der Ernte en primeur freiggeben, vom 18er dann gar nur noch 20%. Der ganze Rest der 15er und 16er dürfte immer noch weitgehend im Chateau liegen, der 18er ja sowieso, aber eben unverkauft. Und das ist wie gesagt nur ein Beispiel - das Geschrei in den letzten Jahren, dass die Chateaux immer weniger Wein für die Subs freigeben, den Rest zurückbehalten und damit natürlich auch die Preise hoch gehalten haben, war kaum zu überhören. Du kannst das bei Bedarf in den entsprechenden Jahrgangsthreads nachlesen.

Was noch im Handel rumliegt, ist eine andere Frage - das kann wohl nur ein Insider sagen. Ganz wenig scheint es aber auch nicht zu sein.

Und schließlich gibt es noch die Groß- und Kleinspekulanten, die den Wein nicht gekauft haben, um ihn zu trinken, sondern um Gewinne damit zu machen. Zu erster Kategorie gehören insbesondere mehrere in London aufgelegte Weinfonds. Es gibt nur Gerüchte, was die genau im Bestand haben, aber es sollen jedenfalls etliche Millionen Flaschen aus dem Ultra-Premiumbereich sein.

Das Potential für eine regelrechte Implosion des Marktes ist jedenfalls vorhanden. Ob es nun dazu kommt oder nicht: keine Ahnung. Man wird's sehen.

Gruß
Ulli
Offline

Bordelaiser

  • Beiträge: 47
  • Registriert: Mo 12. Feb 2018, 21:05

Re: Bordeaux 2015

BeitragDo 16. Apr 2020, 19:46

Danke, Ulli, sehr aufschlussreich.

Interessant ist Dein Beispiel Rauzan-Segla, ich hatte das Chateau im Sommer 2018 besucht, da konnte man noch nicht einmal eine Flasche Wein fürs Dinner mitnehmen, weil angeblich alles en-primeur verkauft wird und nur Flaschen für die Degustation vor Ort verfügbar sind. Da hat also ganz offensichtlich ein Umdenken stattgefunden :)

Wie auch immer, wir können uns sicher auf das eine oder andere gute Angebot in der nächsten Zeit freuen, das dann ja auch wahrscheinlich dankenswerterweise hier im Forum weitergegeben wird.

Besten Gruss,
Jens
Offline

pessac-léognan

  • Beiträge: 842
  • Registriert: Fr 11. Jan 2019, 11:57

Re: Bordeaux 2015

BeitragFr 17. Apr 2020, 17:43

Schon wieder so ein fantastischer 'kleiner' 2015er:
Château d'Aiguilhe Côtes de Castillon 2015 14.5%
P&P bei zunächst 14°
Farbe: Wunderschönes reines, nur ganz leicht durchscheinendes Purpur
Nase: Schwarze Kirsche, wenig réglisse, ultrafeines Zedernholz, ganz zart auch Wacholdergehölz, alles umgeben von einem Anflug von Weihrauch.
Gaumen: Hier zunächst superreifes Cassis, dann auch hier wieder schwarze Kirsche, in der Mitte mit etwas ohne Zucker, aber mit sehr wenig superfeinem Vanille gekochtem Holunder, schwarze Walderde, auf die es gerade geregnet hat, gegen den langen Abgang hin etwas halb zwei-, halb dreijährige Wacholderbeeren. Das gibt einen Supergrip. Die Tannine sind ganz fein, die Säure verspricht eine mittlere Reife.
Jetzt und in den nächsten 10 Jahren (so ist zu vermuten) ein unglaublich genussvoller Bdx der modernen, fruchtigen, aber (zumindest im Gaumen) fast gar nicht holzigen Art. Extrem gutes PGV.
95 Punkte (in diesem Fall ausnahmsweise voll einverstanden mit Lob)
Offline
Benutzeravatar

Speedsocke

  • Beiträge: 85
  • Registriert: Sa 15. Sep 2018, 09:26

Re: Bordeaux 2015

BeitragFr 17. Apr 2020, 18:05

Habe vor geraumer Zeit mal bei einer Lidl-Aktion bestellt und heute dann endlich mal verkostet:

Château Larrivet Haut-Brion (2015)

Cuvee lt. Weingut: 33 % Merlot, 62 % Cabernet Sauvignon, 5 % Cabernet Franc.
Zunächst in temperaturkontrollierten Zementtanks vinifiziert. Ausbau im Eichenholz (Franz. Eiche, 1/3 neues Holz).

Rubinrot mit bräunlichen Reflexen. Bereits am Rand heller. Leicht trüb. Max. mittlere Farbtiefe.
Schwarzkirsche, dunkle Reife Beeren, nasser Kiesel, Ansatz von Rumtopf. Keine Adstringenz. Frische Säure. Mittlerer Nachhall.

91 Parker-Punkte (Lisa Perrotti-Brown, 2/2018).

Irgendwie dachte ich aber, dass da noch mehr kommen müsste. Ist er tatsächlich eher etwas schwächer (habe noch nicht so die Vergleichsmöglichkeiten) oder habe ich ihn eher in einer schlechten Phase erwischt?

Habe mal bei jemanden den Begriff des „Nachkaufreflex“ (finde ich super, habe ich übernommen) gelesen. Der stellt sich aktuell noch nicht ein.
Dateianhänge
IMG_3099.jpg
Offline

pessac-léognan

  • Beiträge: 842
  • Registriert: Fr 11. Jan 2019, 11:57

Re: Bordeaux 2015

BeitragFr 17. Apr 2020, 20:39

pessac-léognan hat geschrieben:Schon wieder so ein fantastischer 'kleiner' 2015er:
Château d'Aiguilhe Côtes de Castillon 2015 14.5%
P&P bei zunächst 14°
Farbe: Wunderschönes reines, nur ganz leicht durchscheinendes Purpur
Nase: Schwarze Kirsche, wenig réglisse, ultrafeines Zedernholz, ganz zart auch Wacholdergehölz, alles umgeben von einem Anflug von Weihrauch.
Gaumen: Hier zunächst superreifes Cassis, dann auch hier wieder schwarze Kirsche, in der Mitte mit etwas ohne Zucker, aber mit sehr wenig superfeinem Vanille gekochtem Holunder, schwarze Walderde, auf die es gerade geregnet hat, gegen den langen Abgang hin etwas halb zwei-, halb dreijährige Wacholderbeeren. Das gibt einen Supergrip. Die Tannine sind ganz fein, die Säure verspricht eine mittlere Reife.
Jetzt und in den nächsten 10 Jahren (so ist zu vermuten) ein unglaublich genussvoller Bdx der modernen, fruchtigen, aber (zumindest im Gaumen) fast gar nicht holzigen Art. Extrem gutes PGV.
95 Punkte (in diesem Fall ausnahmsweise voll einverstanden mit Lob)

2.5 Stunden später
Der Wein hat mit Luftzufuhr und bei 20.5° viel von seiner Primärfrucht verloren und ist fast vollständig auf die Wacholderseite 'gekippt', die zuvor lediglich den Abgang markierte. Dazu dunkler Tabak und etwas Hochlandkaffee. Ein fast gänzlich anderer Wein, immer noch beeindruckend, aber nicht mehr von dieser überwältigend fruchtigen Zugänglichkeit wie zu Beginn... (vielleicht doch der Anfang einer Art von Verschluss?)
92 Punkte
Offline

port_ellen

  • Beiträge: 528
  • Registriert: Fr 2. Dez 2011, 16:45

Re: Bordeaux 2015

BeitragFr 17. Apr 2020, 21:01

ich denke, dass das die temperatur des weins ist.

bei meinem gerade geöffneten 04 veyry ist der effekt auch sehr deutlich - je wärmer, desto "dunkler" wird die frucht, desto schöner (weicher) die tannine, desto eher tritt die noch vorhandene fruchtsäure in den hintergrund und wird vom charakter her "pikant", auch tabakige / mineralische noten werden deutlicher.

im kühleren zustand ist die fruchtsäure deutlicher, der wein "fruchtiger" und saftiger, die tannine können dann etwas mehr "beissen".

und meiner erfahrung nach spielt sich das ganze in einem engen temperaturfenster von 16-20 grad ab.

bei einigen verkostungsnotizen denke ich, dass unterschiedliche wahrnehmungen auf unterschiedliche temperaturen zurückgehen und der effekt nicht klein ist.

m.
...and you may ask yourself - well...how did I get here ?
Offline

Michael24

  • Beiträge: 169
  • Registriert: Mo 8. Jun 2015, 18:14
  • Wohnort: Wien

Re: Bordeaux 2015

BeitragFr 17. Apr 2020, 23:26

Speedsocke hat geschrieben:Habe vor geraumer Zeit mal bei einer Lidl-Aktion bestellt und heute dann endlich mal verkostet:

Château Larrivet Haut-Brion (2015)
Irgendwie dachte ich aber, dass da noch mehr kommen müsste. Ist er tatsächlich eher etwas schwächer (habe noch nicht so die Vergleichsmöglichkeiten) oder habe ich ihn eher in einer schlechten Phase erwischt?


Hi,
das Bild aus diesem Winkel macht schon Sinn, das sollten wir des Öfteren zu einer Verkostungsnotiz einstellen.
Als Lidl "Leidensgenosse" hatte ich neben dem Lynch Moussas 15 auch den Larrivet HB 15 bestellt. Auch wenn ich den LarrivetHB deutlich interessanter als den Lynch Moussas finde, kann ich deine Notizen gut nachvollziehen.
Wie gleich nach der Lieferung hier im Forum beschrieben, sehe ich im LarrivetHB zumindest einen Anflug von Klasse, weshalb ich ihm auch ein paar Jahre der Reife in meinem beengten Keller gönnen werde.
Offline

pessac-léognan

  • Beiträge: 842
  • Registriert: Fr 11. Jan 2019, 11:57

Re: Bordeaux 2015

BeitragSa 18. Apr 2020, 11:06

port_ellen hat geschrieben:ich denke, dass das die temperatur des weins ist.

bei meinem gerade geöffneten 04 veyry ist der effekt auch sehr deutlich - je wärmer, desto "dunkler" wird die frucht, desto schöner (weicher) die tannine, desto eher tritt die noch vorhandene fruchtsäure in den hintergrund und wird vom charakter her "pikant", auch tabakige / mineralische noten werden deutlicher.

im kühleren zustand ist die fruchtsäure deutlicher, der wein "fruchtiger" und saftiger, die tannine können dann etwas mehr "beissen".

und meiner erfahrung nach spielt sich das ganze in einem engen temperaturfenster von 16-20 grad ab.

bei einigen verkostungsnotizen denke ich, dass unterschiedliche wahrnehmungen auf unterschiedliche temperaturen zurückgehen und der effekt nicht klein ist.

m.


Da hast du wohl recht, lieber Matthias, die Temperatur spielt auch nach meiner Erfahrung eine sehr wichtige Rolle. Gerade deshalb liebe ich, insbesondere, aber nicht nur, bei jungen Weinen, den P&P-Effekt bei niedriger Temperatur. In der Nase oft explosiv und grandios. Aber auch am Gaumen oft ein unnachahmliches Erlebnis, dem alles, was später bei höherer Temperatur kommt, nicht annähernd mehr standhält. Andere Weine in anderen Stadien gewinnenen dagegen mit Luftzufuhr und mit steigender Temperatur. Allerdings kippt das selbst dort meist bei 20° ins Gegenteil. So stelle ich geöffnete Weine für den zweiten Tag wieder in den Keller und habe bei 15 oder 16° ein vergleichbares Erlebnis nochmals, wenn auch auf bescheidenerem Niveau. Darauf bin ich auch beim d'Aiguilhe 2015 gespannt.
Gruß
Jean

Tatsächlich: Am zweiten Tag, bei Kellertemperatur, erneute Fruchtigkeit, auf der sehr schwarzbeerigen Seite, begleitet von mehr Lakritze als am Tag zuvor. Solide 92/93 Punkte. Bestätigt das sehr gute PGV!
Offline

pessac-léognan

  • Beiträge: 842
  • Registriert: Fr 11. Jan 2019, 11:57

Re: Bordeaux 2015

BeitragSo 26. Apr 2020, 17:42

Château de Pressac Saint-Émilion GCC 2015
15% Alkohol (Rebsortenzusammensetzung variiert je nach Quelle nicht unerheblich: 71 - 78% M / 10 - 16% CF / 8 - 9% CS / 2 - 3% Malbec / 1 - 2% Carmenère)
P&P bei 18°

Farbe: dunkles, reines, an den Rändern ganz leicht durchscheinendes Purpur
Nase: Merlotaromatik mit schwarzer Kirsche, etwas réglisse, Frühlingsblumen und etwas Gewürznelke
Gaumen: Schwarze Schokolade, aber nicht auf der süßen Seite, Leder, etwas Teer, Brombeeren durchscheinend, minim schwarze Trüffel, schmelzendes Tannin, leichtes, feines Carmenère-Bitterl
Abgang: Hier machen sich die 15% Alkohol spürbar, indem sie den Abgang (und damit das Gesamterlebnis) klar verkürzen.
Ansonsten ein sehr trinkiger, kraftvoller Wein mit Ansätzen von Komplexität, nicht so sehr fruchtig, geschweige denn süß (wie es RG und Lob wahrhaben wollen), sondern eher auf der würzigen (und in der Nase gar blumigen) Seite (womit ich hier eher bei Gerstl wäre...)
91 Punkte (1 Punkt für den alkoholbedingt kurzen Abgang bereits abgezogen)
VorherigeNächste

Zurück zu Bordeaux und Umgebung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: AhrefsBot und 24 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen