30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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susa
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30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von susa »

... in den letzten 10 Jahren. Ich finde, das ist eine ziemliche Menge.

http://blog.france3.fr/cote-chateaux/20 ... 0-ans.html

Natürlich nicht die klassifizierten Großen, sondern die kleinen, die mit ein paar Hektar über die Runden kommen müssen. Die müssen, um flüssig zu bleiben, sich ins eigene Fleisch schneiden und immer öfter Rebflächen verkaufen, bis die Betriebsgröße unter die Wirtschaftlichkeitsgrenze sackt. Und als Erfolgsmodell am Ende des Artikels wird ein Beispiel genannt, wie ein Winzer durch Vergrößerung, d.h. Ankauf neuer Güter und Flächen, Ausnutzen entsprechender Synergieeffekte in die Erfolgsspur kommt.

Dass die Fassweinpreise seit 2008 von c. 75ct/Liter auf c. 1,25€/Liter gestiegen sind bringt angesichts sinkender Mengen auch nur denen einen Vorteil, die sowieso genug haben.

Der Flächenschwund ist etwas geringer ausgefallen als die Betriebsaufgaben, d.h. einige der aufgegebenen Flächen wurden von anderen übernommen; auch die durchschnittliche Betriebsgröße ist von 11.65 auf 15.42 ha gestiegen.

Geht es also nur mit Größe?

Moin
s
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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manubi
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von manubi »

Hi susa,

der Trend ist doch in allen Bereichen agrarischer Produktion unverkennbar hin zu immer größeren Einheiten.

In meiner Jugend gab es in meinem Heimatdorf ca. 80 Betriebe, die vollständig von ihrer landwirtschaftlichen Produktion lebten. In den 60er Jahren reduzierte sich die Zahl schon auf etwa die Hälfte, wobei die Flächen von leistungsfähigeren Bewirtschaftern übernommen wurden, die kurzfristig erhebliche Produktionssteigerungen auf diesen Flächen erreichten.

Heute gibt es in unserer Gemeinde noch 8 (in naher Zukunft höchstens noch 6) aktive Betriebe. Die bewirtschaftete Fläche ist in etwa gleich geblieben - bis auf einige nicht mehr in Bewirtschaftung stehende Grenzertragsflächen -, die Produktionsmengen haben sich aber sicher mehr als verdoppelt.

Auch in der Weinerzeugerszene wird der Trend zur größeren Betriebseinheit weitergehen, wobei der "Gewinn" hier (hoffentlich) nicht in größere Produktionsmengen, sondern in bessere Qualitäten gehen wird.

Einen besonderen Grund, das zu beklagen, gibt es m.M. nicht.

Beste Grüße

Manfred
Ich koche immer mit Wein. Manchmal kommt sogar etwas davon in den Topf . . .
Bernd Schulz
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von Bernd Schulz »

der Trend ist doch in allen Bereichen agrarischer Produktion unverkennbar hin zu immer größeren Einheiten.....

.....Einen besonderen Grund, das zu beklagen, gibt es m.M. nicht.


Da bin ich anderer Meinung: Der allgemeine Industrialisierungstrend in der Landwirtschaft führt zu Folgeerscheinungen, die mir durchaus nicht gefallen. So halte ich z.b. die Schweinemast in den Großanlagen nicht nur für qualitativ, sondern auch ethisch höchst bedenklich (und verweigere daher den Kauf und Verzehr des entsprechenden Fleischs inzwischen weitestgehend).

Und auch beim Wein sind mir viele kleine Betriebe deutlich lieber als wenige große. Ganz abgesehen davon, dass es um die Existenz etlicher Menschen, die sonst nicht wissen, welchen Beruf sie ergreifen sollen, geht, bin ich mir ziemlich sicher, dass kleinmaschigere Strukturen die stilistischen Vielfalt und letztendlich auch die Qualität beförder (die Weine, die ich am liebsten trinke, stammen zum großen Teil aus kleinen Familienbetrieben).

Insofern sehe ich die in susas Eingangsposting angesprochene Entwicklung als erschreckend und bedauerlich an.

Je mehr kleine (Wein)bauern aufgeben müssen, desto stärker sind wir Verbraucher den industriell wirschaftenden Agrarbonzen ausgeliefert.

Viele Grüße

Bernd
BuschWein
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von BuschWein »

Bernd, ich gebe Dir in vielen Argumenten recht, nur den Schluss kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Je mehr kleine (Wein)bauern aufgeben müssen, desto stärker sind wir Verbraucher den industriell wirschaftenden Agrarbonzen ausgeliefert.

Es sind doch auch die Verbraucher, die dafür sorgen, dass die kleinen Erzeuger aufgeben müssen, da sie weder bewusst nach regionalen Herstellern suchen noch tolerieren, wenn ein kleiner weniger günstig ist.

Aber auch wir sind doch nicht viel anders, wir wählen doch auch ganz speziell die Winzer aus, die wir als gut genug erachten, sprich ist die Qualität mal schwächer, dann gehen wir da auch nicht mehr hin. Und nur weil ein Erzeuger klein ist, heißt das ja noch lange nicht, dass er gut erzeugt, in vielen Bereichen heißt es nicht mal dass er weniger umweltschädlich erzeugt.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder ich versuche höchste Qualität zu liefern und schaffe es auch diese Qualität bekannt zu machen oder ich versuche möglichst effektiv zu arbeiten, dazu gehören sehr oft auch erweiterte Betriebsgrößen die bestimmte Anschaffungen und Arbeiten erst wirtschaftlich sinnvoll machen.
Armin
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maha
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von maha »

Ich bin mir nicht sicher ob man die Argumente von Weinbau in den "Ackerbau und Viehzucht" transferieren kann. Da gibt es doch gewaltige Unterschiede.
Beim Weinbauern hab ich gezeilt die Wahl welchen Wein ich bei welchem Erzeuger kaufen möchte. Steht ja gross drauf.
Ob die Kartoffel oder der Weizen jetzt aber vom Bauern Müller oder Huber kommt, weiss ich als Verbraucher gar nicht. Hier kann ich nur steuern wenn ich versuche gem. Kennzeichnung zu kaufen (Bio-Siegel, Regional, ...)
Damit befinden wir uns aber in einer ganz anderen Diskussion.

Gruss
Marko
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Bernd Schulz
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von Bernd Schulz »

Es sind doch auch die Verbraucher, die dafür sorgen, dass die kleinen Erzeuger aufgeben müssen, da sie weder bewusst nach regionalen Herstellern suchen noch tolerieren, wenn ein kleiner weniger günstig ist.


Natürlich bestimmt die Nachfrage das Angebot, natürlich sind auch die Verbraucher, die das Billigfleisch und die Kampfpreismilch ohne jedes Nachdenken kaufen, schuld an der Misere.

Das ändert aber nichts daran, dass ich die Entwicklung, welche die Landwirtschaft in den letzten fünfzig Jahren genommen hat, absolut desaströs finde. Die Auffassung, da gäbe es nichts zu bedauern, finde ich schon.... mindestens etwas merkwürdig.... :(

Viele Grüße

Bernd
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Gerald
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von Gerald »

Bei Kleinstbetrieben ist aber schon auch das Problem, ob sie sich die für eine qualitativ hochwertige Weinproduktion notwendigen Gerätschaften überhaupt leisten können. Ganz abgesehen vom Aufwand für Vertrieb etc.

So gesehen sehe ich den Bericht eigentlich nicht so dramatisch ...

Grüße,
Gerald
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austria_traveller
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von austria_traveller »

Bernd Schulz hat geschrieben:Natürlich bestimmt die Nachfrage das Angebot, natürlich sind auch die Verbraucher, die das Billigfleisch und die Kampfpreismilch ohne jedes Nachdenken kaufen, schuld an der Misere.

Zwar total offtopic, aber man sollte sich auch die Frage stellen, ob sie sich das leisten können. Oder warum viele von dem Job den sie haben, nicht leben können ? Ganz so einfach ist es nunmal nicht.
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
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UlliB
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von UlliB »

Bernd Schulz hat geschrieben: Und auch beim Wein sind mir viele kleine Betriebe deutlich lieber als wenige große. [...] ...bin ich mir ziemlich sicher, dass kleinmaschigere Strukturen die stilistischen Vielfalt und letztendlich auch die Qualität befördern


Hallo Bernd,

das gilt aber nicht überall, und in Teilen des Bordelais gleich gar nicht. Im Médoc wurde der Weinbau nach der Urbarmachung des Landes durch den Bordelaiser Stadtadel ganz gezielt in Form von ausgesprochenen Großbetrieben errichtet - historisch betrachtet waren etliche Güter sogar noch deutlich größer, als sie es heute sind; es sind im Laufe der Geschichte eine ganze Menge Teilungen erfolgt. Die Tendenz kehrt sich hier erst in den letzten 20 Jahren um; kleine Erzeuger (vor allem cru bourgeois) verschwinden seitdem in den "großen Namen".

Und die Großbetriebe im Médoc besitzen dort ganz eindeutig die qualitative Führerschaft, da beißt die Maus keinen Faden ab. Es gibt dort keinen kleinen Familienbetrieb, der im Hinblick auf die Qualität seiner Weine mit den Großerzeugern wirklich mithalten kann.

Dass die Bildung von Oligopolen großer Erzeuger einer konsumentenfreundlichen Preisentwicklung nicht gerade entgegen kommt, steht auf einem anderen Blatt. Aber im Burgund kann man gerade erleben, dass auch eine ausgeprochen kleinteilige Erzeugerstruktur nicht vor völlig durchgeknallten Preisen schützt. Ich würde das Argument "Preise" insofern nicht überstrapazieren.

Gruß
Ulli
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octopussy
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Re: 30% der Bordeaux-Winzer haben aufgegeben

Beitrag von octopussy »

Ich denke, dass die Erzeuger in den AOCs Bordeaux und Bordeaux Superieur es besonders schwer haben. Die Menge ist riesig. Nur mal zum Vergleich: 2012 wurden in ganz Deuschland ca. 9 Mio. HL Wein erzeugt (Quelle: DWI Statistik 2013/2014). Im Bordelais wurden insgesamt 2010 knapp unter 6 Mio. HL Wein erzeugt (Quelle: Wikipedia France). Von diesen fast 6 Mio. HL entfallen mehr als 50% auf die AOCs ohne Dorf- oder "Côtes" Namen (z.B. Bordeaux, Bordeaux Superieur, Bordeaux Rosé).

Der Bordeaux "génerique" stand ja schon immer im Schatten der Weine aus den AOCs mit Namen. Aber früher stand "Bordeaux" immer noch für ein gewisses gehobenes Image, auch bei den Flaschen im LEH/Discounter für 3 bis 5 Euro. Alleine die Aufmachung mit "Château xyz" auf dem Etikett versprach ja schon eine gewisse Güte. Die Zeiten scheinen mir vorbei zu sein.

Ich finde es auch traurig, wenn Weinbauern von ihrer Ernte nicht mehr leben können und aufgeben müssen, aber diese Entwicklung ist tatsächlich in vielen Bereichen der Landwirtschaft zu beobachten. Der Preisdruck ist einfach groß.
Beste Grüße, Stephan
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