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Bordeaux 2001

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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UlliB

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Re: Bordeaux 2001

BeitragMo 30. Apr 2018, 09:08

Irgendwie gibt es keinen wirklich passenden Thread, um Vertikalverkostungen zu posten, und einen neuen wollte ich nicht aufmachen – dann also hier, da der beste Wein der Veranstaltung aus meiner Sicht aus 2001 kam.

Es geht um eine Mini-Vertikale von Cos d’Estournel, nämlich um die Jahrgänge von 2001 bis 2004 sowie 1995 und 1996.

Wie schon an anderen Stellen erwähnt, habe ich zu Cos ein etwas ambivalentes Verhältnis. In den 80ern sind hier einige der größten Bordeaux entstanden, die es seinerzeit gab. Aber um 1990 kam es zu einem grundlegenden Stilwechsel. Der Neuholzanteil wurde deutlich erhöht, und man wechselte zu einer Holzsorte, die dem Wein intensive dunkel-röstige Noten (im Jungwein gibt es immer sehr deutliche Espresso-Töne) im Mouton-Stil verpasst hat. Gleichzeitig wurde auf dem Gut so ziemlich alles an moderner Vinifikationstechnik installiert, was es im Markt gab, u.a. gleich mehrere Vorrichtungen zur Mostkonzentration (Umkehrosmose und Hochvakuumverdampfung), was Jancis Robinson zu der ironischen Bemerkung veranlasste, dass die Familie Prats ihren Wein demnächst vollständig verschwinden lassen könne.

Nachdem man gelernt hatte, mit der Technologie umzugehen (Anfangs gab es da noch einige skurrile Pannen, z.B. den 92er), entstanden in der Folge regelmäßig hochkonzentrierte, hochglanzpolierte Weltweine, die bei Primeurproben bei etlichen Verkostern gut abschnitten, aber in der Fruchtphase immer mehr oder weniger herkunftsbefreit waren – bei Blindverkostungen hätte ich sofort zugestimmt, wenn da jemand einen Piraten aus Mittelitalien, Kalifornien oder Australien vermutet hätte.

Nun, es zeigt sich aber, dass die Weltwein-Schminke nach rund einem Jahrzehnt abfällt und darunter ein durchaus typischer Bordeaux vom linken Ufer zum Vorschein kommt, der bei Parallelverkostungen zwar regelmäßig mit hoher Konzentration auffällt und gerade in diesem Bezug hin und wieder etwas monothematisch wirkt, aber seine Herkunft nicht verleugnet.

Alle Weine wurden gut eine Stunde vor der Verkostung dekantiert.

2004 Sehr schöne, absolut klassische Nase eines Bordeaux vom linken Ufer, fast schon prototypisch. Im Gaumen zunächst dicht, sehr schöner Auftakt, reißt aber in der Mitte ein wenig ab und wird jahrgangstypisch etwas kantig. Recht hohe Säure, nicht übermäßig lang. Alles in allem aber wirklich schön.

2003 In der bis nach 2010 anhaltenden langen Fruchtphase war dieser Wein geradezu unglaublich lecker (sic!), mit üppigen, aber wohlproportionierten Rundungen, zum kistenweise wegsaufen – ja, ein herkunftsloser Weltwein, aber so etwas von gut… mittlerweile ist hier Ruhe eingekehrt, und die Herkunft zeigt sich. Runder und fülliger als der 2004er, immer noch üppig, gute Länge, aber auch weniger klar definiert, wirkt im direkten Vergleich gar ein wenig schlaff. Keine Eile, aber hier denke ich im Hinblick auf das Trinkvergnügen doch, dass ich den Wein in der Fruchtphase lieber gemocht habe. Vielleicht gibt es noch einen zweiten Frühling, aber im Moment kann ich die 97 Parker-Punkte und die 96 von Neal Martin nicht nachvollziehen.

2002 Klar der schwächste Wein der Probe. Zwar konzentriert, aber verwaschen und unpräzise. Isoliert getrunken vermutlich immer noch passabel, aber im direkten Vergleich zu den anderen Weinen fiel er deutlich ab.

2001 Im direkten Nachgang zum 2002er im Glas; spielt schon beinahe in einer anderen Liga: wirkt immer noch frisch, sehr klar, in absolut wunderbarer Balance, rote Frucht und florale Noten, vielschichtig und geradezu betörend elegant (nicht unbedingt das, was ich bei Cos erwarte), feine Säure gibt dem Wein Spannung, langer Abgang. Sehr, sehr gut. Perfekte Flasche im richtigen Moment.

1996 Kam mit einem scharfen, rettichartigen Fehlton ins Glas. Fing sich dann nach einigen Minuten und wurde zu einem schönen, dichten, aber irgendwie unspektakulären Bordeaux. Angesichts einer ziemlich euphorischen Bewertung im Parallelthread war‘s vermutlich eine problematische Flasche, wobei ich den Fehler nicht eingrenzen kann. Der Korken war jedenfalls ok.

1995 Gewissermaßen die sechs Jahre ältere Variante des 2001er. Ebenfalls sehr harmonisch und völlig stimmig, elegant und perfekt gereift, jetzt auf dem Punkt. Der 01er hat vielleicht minimal mehr Spannung, aber das sind nur Nuancen. Wunderschöner Wein.

Gruß
Ulli
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Jochen R.

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Re: Bordeaux 2001

BeitragMo 30. Apr 2018, 18:55

UlliB hat geschrieben:Irgendwie gibt es keinen wirklich passenden Thread, um Vertikalverkostungen zu posten, und einen neuen wollte ich nicht aufmachen – dann also hier, da der beste Wein der Veranstaltung aus meiner Sicht aus 2001 kam.

Es geht um eine Mini-Vertikale von Cos d’Estournel, nämlich um die Jahrgänge von 2001 bis 2004 sowie 1995 und 1996.

Wie schon an anderen Stellen erwähnt, habe ich zu Cos ein etwas ambivalentes Verhältnis. In den 80ern sind hier einige der größten Bordeaux entstanden, die es seinerzeit gab. Aber um 1990 kam es zu einem grundlegenden Stilwechsel. Der Neuholzanteil wurde deutlich erhöht, und man wechselte zu einer Holzsorte, die dem Wein intensive dunkel-röstige Noten (im Jungwein gibt es immer sehr deutliche Espresso-Töne) im Mouton-Stil verpasst hat. Gleichzeitig wurde auf dem Gut so ziemlich alles an moderner Vinifikationstechnik installiert, was es im Markt gab, u.a. gleich mehrere Vorrichtungen zur Mostkonzentration (Umkehrosmose und Hochvakuumverdampfung), was Jancis Robinson zu der ironischen Bemerkung veranlasste, dass die Familie Prats ihren Wein demnächst vollständig verschwinden lassen könne.

Nachdem man gelernt hatte, mit der Technologie umzugehen (Anfangs gab es da noch einige skurrile Pannen, z.B. den 92er), ...

Hallo Ulli,
danke für die Notizen! Und interessant, das war mir nicht klar bzw.
erklärt, warum ich Cos bisher immer etwas reserviert entgegentrete
- zu Beginn meiner BDX-Leidenschaft gruselige Erfahrungen u. a. mit
Cos 1992 (was war da genau?) und 1993.
Im November letzten Jahres präsentierten sich bei einer Cos/Montrose-
Doppelvertikale Cos 1989 und 1996 phantastisch!

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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UlliB

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Re: Bordeaux 2001

BeitragDi 1. Mai 2018, 10:00

Jochen R. hat geschrieben:
- zu Beginn meiner BDX-Leidenschaft gruselige Erfahrungen u. a. mit
Cos 1992 (was war da genau?) und 1993.

Hallo Jochen,

1992 war ein extrem problematisches Jahr, eines der nassesten, die es in Bordeaux jemals gegeben hat. Da die Regenfälle bis zur Lese anhielten, waren die Trauben aufgeschwemmt und sind zum Teil geplatzt und in Fäulnis übergegangen. Heute würde man bei einem solchen Jahrgang bei den Spitzengütern rigoros mehrfach selektionieren (auch um den Preis, dass dann für den Erstwein nicht mehr viel übrigbleibt) und die gesunden Trauben vorsichtig extrahieren und nur moderat konzentrieren. Damals hatte man aber geglaubt, dass man die Probleme mit der modernen Kellertechnik schon richten würde, und eher oberflächlich selektiert, aber stark extrahiert und massiv konzentriert; dabei wurde aber nicht bedacht, dass bei der Mostkonzentration nicht nur das überschüssige Wasser entfernt wird, sondern auch Fehltöne aus dem unsauberen Lesegut konzentriert werden. Kurz gesagt: aus Dreck wurde konzentrierter Dreck. Das Problem betraf allerdings nicht alleine Cos, und tatsächlich ist 1992 das letzte Jahr, in dem es auch bei renommierten Erzeugern eine Reihe wirklich grob fehlerhafter Weine gab (schwächere Jahrgänge gab es auch noch danach, aber ohne derartige Fehltritte).

1993 war insofern etwas besser als 1992, als dass es nicht so viel faules Lesegut gab. Das Hauptthema hier ist Unreife, und das Leitmotiv des Jahrgangs, mit dem er sich stets aus Blindproben herausfischen ließ, waren Grüntöne (grüne Gemüsepaprika). Auch hier wurde bei Cos überextrahiert und überkonzentriert, und das Ergebnis war ein im Jugendstadium wirklich grasgrüner Wein. Der hat sich später zwar anders als der 92er ein wenig gefangen, war aber auch 20 Jahre nach der Lese immer noch von deutlicher Unreife geprägt. Manche Leute goutieren so etwas durchaus als "typisch"; im Wesentlichen sind solche Weine aber nur dazu geeignet, in Vertikalen unangenehm aufzufallen.

Gruß
Ulli

Gast1

Re: Bordeaux 2001

BeitragDi 27. Nov 2018, 19:52

Guten Abend zusammen,

heute Abend in den Weinkeller gegangen und dabei eine noch unangebrochene Kiste 2001er L'Eglise Client entdeckt. :D Das musste dann folgerichtig zu einem Rumpsteak mit Bratkartoffeln auf seinen Trinkgenuss überprüft werden:

Chateau L'Eglise Clinet
2001 Pomerol
13,5% Alk.

Etwa eine Stunde dekantiert (ist zu wenig!), satte bordeauxrote Farbe, die Nase strahlt Tiefe und Klasse aus, offen. Anfangs noch kratzig, die Tannine adstringierend, dann mit zunehmender Zeit verschwindend und nicht mehr wahrnehmbar übergehend in ein weiches harmonisches Mundgefühl. Es bleibt dennoch straff, stützende Säure, rotbeerig, Vollmilch Schokolade, Paprika, Rauch, mit viel Tiefe und sehr guter Länge. Ein Wein, der Klasse ausstrahlt, auf Ebene eines Premier Crus, 95+ Pkte.

Braucht m.E. zur vollen Genussreife noch etwas Reifezeit. Werde meine nächste Flasche in zwei Jahren öffnen.

Weinfreundliche GRÜSSE
Christian
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Segla

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Re: Bordeaux 2001

BeitragDo 3. Jan 2019, 20:34

Heute einen sehr erfreulicher Canon la Gaffeliere 2001 im Glas. Ein fast versöhnlicher Abschluß der Feiertage. Habe einige italienische Enttäuschungen hinter mir... :cry:
Der Canon ist kein ganz großer Wein, für das damals relativ kleine Geld aber ein toller Wein. Absolut unverkennbar, viel schwarze Johannisbeere und schöne Länge. So macht Bordeaux Spaß!
Gruß Segla
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port_ellen

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Re: Bordeaux 2001

BeitragDo 3. Jan 2019, 22:37

der canon klingt gut !
ich hatte über die tage auch einen prima 2001er (wieder mal):
les grands chenes cuvee prestige.
reif, ausgewogen, vielleicht einen tick überhang von röstaromen gegen die (gerade noch ausreichende) frucht.
substanz, tiefe und trinkspass aber nicht weit hinter den parallel getrunkenen 2000ern, etwas weniger komplex als z.b. 2000er du tertre. punkte ? so 89...
gruss, m
...and you may ask yourself - well...how did I get here ?
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Je-Mi

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Re: Bordeaux 2001

BeitragFr 4. Jan 2019, 16:59

"...heute Abend in den Weinkeller gegangen und dabei eine noch unangebrochene Kiste 2001er L'Eglise Client entdeckt. :D" (Invest)
Komisch, ist mir noch nie passiert. ;)
Bei Weinen aus Pomerol tappe ich total im Dunkeln. Welche Weine aus aktuellen Jahrgängen könnt ihr empfehlen für den Preisbereich um 30 €.
Grüße Jens
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toska

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Re: Bordeaux 2001

BeitragFr 4. Jan 2019, 18:01

La Grave à Pomerol

Château Mazeyres 

Gruss, Toska
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stollinger

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Re: Bordeaux 2001

BeitragFr 4. Jan 2019, 18:08

Je-Mi hat geschrieben:"bei Weinen aus Pomerol tappe ich total im Dunkeln. Welche Weine aus aktuellen Jahrgängen könnt ihr empfehlen für den Preisbereich um 30 €.

war hier schon mal Thema:

viewtopic.php?f=21&t=4437&p=114819#p114802

Grüße, Josef
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toska

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Re: Bordeaux 2001

BeitragFr 4. Jan 2019, 18:10

Montrose 2001

Knapp 1h Luft. Nase ins Glas- wow! Da spielt Musik, Mozart. Aristokratischer Ausdruck. Sehr fein und komplex, auf den Punkt gereift.
Saftige prägnante Säure, ganz zart Cassis, exotische Einsprengsel, floral, Eleganz vom Anfang bis zum Ende, St. Estephe at its best!

Fazit: mein erster wirklich grosser Bordeaux, und jemand hier meinte, dass auch ein perfekter Sociando(welcher bei mir der 96er vor Jahren war) in dieser Liga nicht mitspielen kann. Sehe das seit M 01 auch so...
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