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Bordeaux 2000

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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Kle

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Re: Bordeaux 2000

BeitragSa 2. Mai 2020, 08:47

pessac-léognan hat geschrieben:Château Léoville-Barton GCC de Saint-Julien 2000 12.5%
Gaumen: Wenn man jemandem erklären wollte, was 'Zigarrenkiste' bei einem Wein meint, müsste man ihm nur einen Schluck dieses Weines kredenzen. Wenn ein Wein unmittelbar und mundfüllend diese Zigarrenkistenaromen entfaltet, dann dieser Saint-Julien. Dabei werden sogleich Kindheitserinnerungen wach: Früher gab es diese grossen Zigarrensortimentskisten aus Zedernholz, mit Abteilungen im Innern, in denen Zigarren und Zigarillos derselben Marke untergebracht waren. Ich erinnere mich an genau diese Kisten einer bestimmten Marke, ich glaube, es war Partagas. Dabei verhielt es sich so: Der Abt eines Klosters ennet der Grenze erstand - neben einfacheren 'Stumpen' für die Mönche, jedes Mal eine solche Zigarrenkiste, wohl für sich und die anderen 'Obrigkeiten' im Kloster. Da der Grenzübertritt mit einer solchen Kiste wohl ein Risiko darstellte und dieses Riesending nicht unter der Soutane zu verbergen war, wurde sie geleert und der Inhalt in kleinere Behältnisse verteilt. Die leere Kiste bekam der Junge, der dieses Prozedere, das sich unter Flüstern abspielte, in begieriger Erwartung mit verfolgte, und sobald er in ihrem Besitz war, war sogleich jegliches Interesse am Soutanenträger verflogen und nur noch auf die leere Zigarrenkiste gerichtet. Genauer: auf deren Gerüche. Jedes Fach hatte eine etwas andere Nuance, mit der Zeit vermählten sich jedoch diese Gerüche und bildeten auf eine merkwürdige Art eine Einheit. (Die Kiste blieb übrigens lange leer, ehe das eine oder andere Fach mit Kleinjungenkram gefüllt wurde, womit die Kiste mit der Zeit funktionalisiert wurde und ihre Geruchsfokussierung teilweise verlor.)
Gerade eben beim Trinken des Léoville-Barton war also nun mundfüllend genau diese Zigarrenkistenerinnerung, ohne das geringste Zögern, geweckt, nach wohl mehr als 50 Jahren. Interessanterweise also zeigte sich die so überaus deutliche Geruchserinnerung im Mund beim Kauen des Weins als Geschmack - als ob der kleine Junge damals Kautabak gegessen hätte (was garantiert nicht der Fall war). Und erst dann stieg dieser Zigarrenkistengeschmack quasi zurück in die Nase, und beim erneuten Riechen waren die ursprünglichen Noten in der Nase gänzlich überlagert von dieser Zigarrenkiste.


vielen Dank für diese anschauliche Schilderung!
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
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duhart09

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Re: Bordeaux 2000

BeitragSa 2. Mai 2020, 08:49

Lieber Hannes,

Probiert habe ich den zwar lange nicht. Den letzten Kommentaren auf cellartracker wie auch meinem Vorurteil zufolge aber unbedingt ausgiebig dekantieren - und hier bitte ebenso unbedingt von Euren Erfahrungen berichten!

Danke
Uli
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Hannes85

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Re: Bordeaux 2000

BeitragSa 2. Mai 2020, 14:30

Werde ich machen, es gibt eine kleine 2000er Verkostung, Lynch Bages, Gruaud Larose und Sociando Mallet.
Bin sehr gespannt, den Sociando Mallet hatten wir bereits vor drei Monaten im Glas, war toll, schöne Frucht, zugänglich, vermutlich gerade in einer tollen Trinkphase.
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dylan

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Re: Bordeaux 2000

BeitragSa 2. Mai 2020, 17:19

Hannes85 hat geschrieben:Heute wird ein Freund den Lynch Bages 2000 öffnen. Ich bin sehr gespannt, habe aber eher Bedenken, dass er noch nicht trinkreif ist. Hatte diesen erst kürzlich jemand im Glas?


Bachi Schwander beschreibt den Wein in einer aktuellen VKN auf seiner Homepage wie folgt:
2000 Chateau Lynch-Bages, Pauillac

Bezauberndes, völlig extrovertiertes, dunkelbeeriges Bouquet. Sensationelle, edle Röstaromen. Krokant, Vanille, Espresso. Darunter stoffig mit super reifen, süssen Cassisaromen. Feingliedrig, stimmig im Gaumen. Super strukturiert, feine Gerbstoffe, hoch elegant. Vom Typ her geht er Richtung 89er. Zwei Wermutstropfen: Ich finde, dass er zu schnell reift. Daher ist er wahrscheinlich jetzt in seiner schönsten Phase. Und zweitens, gibt es ziemlich viele Kork Flaschen, leider.
97 P



Wenn Euch der Korkteufel also verschonen sollte habt Ihr beste Chancen auf einen hervorragenden Wein.

Grüße

dylan
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Hannes85

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Re: Bordeaux 2000

BeitragSo 3. Mai 2020, 10:47

Der Lynch Bages war so ähnlich wie beschrieben, wirklich sehr elegant und fein, hat eine schöne Frucht in der Nase und gewisse Altersnoten sind vorhanden. Kaum noch Tannine, alles schön eingearbeitet, mit guter Struktur. Was mir zu einem großen Wein fehlte war die Länge im Abgang und auch etwas mehr Power hätte ich erwartet.

Der Sociando Mallet zeigte sich ebenfalls wieder von seiner guten Seite, druckvoller als der Lynch Bages, mit Röstaromen, zu Beginn noch mit einer schönen Frucht in der Nase die sich dann verflüchtigte. Trotzdem ausgewogen und angenehm zu trinken.

Der Gruaud Larose war der typischste von den Weinen, ordentlich Power, hat noch Tannine, wirkt aber trotzdem bereit und ausgewogen. Fein, satt im Trunk mit einer schönen Länge.

Wir hatten Glück, keine Flasche zeigte für uns ersichtliche Korkspuren. Für meine zwei Freunde war der Gruaud Larose der Wein des Abends da sie druckvolle Weine bevorzugen. Ich persönlich hatte keinen klaren Favoriten da der Lynch Bages und der Gruaud Larose doch grundverschieden waren und beide ihre Vor- und Nachteile haben. Wenn ich aber den Preis miteinbeziehe dann fällt die Entscheidung auf den Gruaud Larose.
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Jochen R.

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Re: Bordeaux 2000

BeitragMo 4. Mai 2020, 12:37

Hallo Hannes,
danke für die schöne Wasserstandsmeldung!

Gruaud Larose hatten wir auch kürzlich im Rahmen einer St. Julien-Probe.
Klasse Wein!
Ineressant finde ich deine Beschreibung zum Lynch Bages - den hatte ich
zum letzten Mal vor genau 3 Jahren im Glas. Mir kam der da extrem jugendlich
mit mächtig Druck und Länge vor - hatte da wie Uli (duhart) oben auch leichte
"Bedenken", aber wie so oft kommt´s anders. War das p&p?

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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Hannes85

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Re: Bordeaux 2000

BeitragMo 4. Mai 2020, 19:32

Wir wollten den Lynch Bages zuerst dekantieren, als mein Freund ihn am späten Nachmittag geöffnet und probiert hat, hat er sofort mitgeteilt, dass dies nicht notwendig ist, da der Wein bereits voll da ist in seiner Eleganz und Feinheit. Er lies die Flasche offen stehen und wir haben ihn ca. zwei Stunden später getrunken wo das Erscheinungsbild sich kaum geändert hatte. Er hatte nichts kräftiges, war elegant, geschmeidig, leicht, quasi einem Burgunder ähnlich.

Nachdem dies mein erster Lynch Bages war kann ich nicht beurteilen ob dies typisch für diesen Wein ist. Anhand der Beschreibungen anderer Personen bin ich von mehr Druck und Power ausgegangen.
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weinaffe

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Re: Bordeaux 2000

BeitragFr 8. Mai 2020, 11:30

Hallo zusammen,

ein echter Spassmacher der alten Schule aus diesem klassischen Jahrgang:

Bild

LG
Bodo
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UlliB

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Re: Bordeaux 2000

BeitragFr 8. Mai 2020, 16:30

weinaffe hat geschrieben:Bevor man sich relativ teure Bordeaux der aktuellen Jahrgänge zulegt, sollte man als Liebhaber klassischer Bordeaux überlegen, ob man nicht in solche gereiften Weine der 2. Reihe investieren sollte, die noch erhältlich und nicht unbedingt teurer sind.

Das würde ich so unterschreiben, allerdings muss man dabei schon mit einiger Sorgfalt vorgehen. Zum einen ist 2000 ein exzellenter Jahrgang, zum anderen war Labégorce-Zédé in seiner Klasse ein Spitzenbetrieb. Das, was Du da im Glas hattest, ist im Bereich der nichtklassifizierten Güter im Médoc sicher nicht die Regel, sondern eher eine Ausnahme - nach so etwas muss man schon etwas gezielter suchen.

Labégorce-Zédé gibt es übrigens nicht mehr, der Betrieb wurde 2005 vom Nachbarn Chateau Labégorce übernommen (welcher zuvor schon aus der Vereinigung zweier Güter entstanden war), und beide Betriebe wurden ein oder zwei Jahre später unter dem gemeinsamen Label "Chateau Labégorce" für den Erstwein zusammengeführt. Der Wein ist immer noch gut und wird von einigen hier im Forum sehr geschätzt, er hat allerdings eine wesentlich modernere Stilistik und hat mit dem alten Labégorce-Zédé nicht mehr viel zu tun.

Gruß
Ulli
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weinaffe

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Re: Bordeaux 2000

BeitragSo 10. Mai 2020, 14:19

Hallo Ulli,

Deine Ausführungen kann ich ebenfalls unterschreiben. Auch in sehr guten Jahren gibt es immer wieder Weingüter, die die Qualität des Jahrgangs nicht richtig umsetzen können. Von dem Kauf durch das Nachbarchateau Labegorce habe ich auch gehört, habe aber seit der Vereinigung nichts mehr von Labegorce getrunken. Ich werde demnächst mal den 2000er Labegorce öffnen und den im nachhinein mit dem Labegorce-Zede vergleichen. Bei der damaligen Verkostung durch die Union des Grands Crus de Bordeaux in Düsseldorf hat mir der 2000er Labegorce jedenfalls ganz gut gefallen. Bin gespannt und werde berichten.

LG
Bodo
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