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Welche Monopollagen in Deutschland

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UlliB

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Re: Welche Monopollagen in Deutschland

BeitragSa 10. Feb 2024, 11:51

Kleiner_Pirat hat geschrieben:Mir ist nur eine VDP Besonderheit bekannt: Escherndorf am Lumpen 1655. Das ist ein eingetragener Markenname. Da dieser Phantasiename auf einen Ort verweist und eben nicht mit einem Lagennamen verwechselt werden kann ;-) scheint es der Weinkontrolle egal zu sein, sofern der Wein in den Flaschen irgendwo aus Escherndorf, dem Städtchen am Lumpen kommt.

Da gibt es mindestens einen weiteren gleich liegenden Fall, ebenfalls in Franken: Fürstlicher Kallmuth, das ist ebenfalls ein eingetragenes Warenzeichen (im Eigentum von Prinz zu Löwenstein). Da der Homburger Kallmuth nun mal eine tatsächlich existierende Lagenbezeichnung ist - übrigens ist das eine VDP.Erste Lage - greift die Argumentation, dass dieses Warenzeichen für eine VDP.Große Lage nicht mit einem "echten" Lagennamen verwechselt werden kann, hier nicht.

Wenn ich das richtig sehe, gibt es an Lagennamen und Lagennamen-ähnlichem auf dem Etikett inzwischen folgende Möglichkeiten:

- in der Weinbergsrolle eingetragene "echte" Lagennamen
- in der Weinbergsrolle eingetragene Gewanne, die Teil einer weinrechtlichen Lage sind
- zumindest in zwei Fällen ein eingetragenes Warenzeichen (vielleicht gibt es noch mehr, ich habe nicht weiter recherchiert, und es könnten wohl jederzeit weitere dazukommen)
- dazu europarechtlich definierte g.U., die sich mit den weinrechtlichen Lagenbezeichnungen überlappen

Und wenn die jeweiligen Schutzverbände in die Pötte kommen, gibt es dazu dann noch die Bezeichnung "Erstes Gewächs" und "Großes Gewächs", weinrechtlich definiert und ganz ohne VDP.

Ich glaube kaum, dass da noch irgendjemand durchsteigt. Jedenfalls braucht man einen Internetzugriff und etwas Muße, um festzustellen, in welche Kategorie ein bestimmter Wein fällt.

Es ist aber auch egal. Mit Qualität (geschweige denn Authentizität) hat das alles überhaupt nichts zu tun. Insofern plädiere ich dafür, dass man jedem Winzer erlaubt, auf das Etikett zu schreiben, was immer er möchte. Dadurch wird die Situation für den Konsumenten auch nicht schlimmer :evil:

Gruß
Ulli
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Moselfan

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Re: Welche Monopollagen in Deutschland

BeitragSa 10. Feb 2024, 14:35

puschel hat geschrieben:....und im Rheingau, der Geisenheimer Rothenberg in Besitz der Familie Wegeler-Drieseberg,
Weingut Geheimrat Julius Wegeler Erben, Oestrich-Winkel
Der Rothenberg erstmals 1145 urkundlich erwähnt. Hier wachsen auf tiefgründigem Quarzit mit rotem Tonschiefer, Eisenoxyd durchsetzt kraftvolle, spannungsreiche und elegante Rieslinge mit exotischen Fruchtnoten
und kühler, würziger Mineralik :D
Gruß Adi


Der Rothenberg ist keine Monopollage von Wegler. Dillmann, Schuhmann, Weingut der Forschungsanstalt Geisenheim, Schloss Vaux etc haben alle dort Besitz.
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Kleiner_Pirat

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Re: Welche Monopollagen in Deutschland

BeitragSa 10. Feb 2024, 14:39

Bernd Schulz hat geschrieben:Sorry, aber vor lauter Abkürzungen blicke ich hier als im Alter vertrottelter :oops: Weinfreund nicht mehr richtig durch.

...und direkt bei der EU g. U.s eintragen lassen...


Wie? Was? :roll:

Ich bitte einfach mal um noch nähere Aufklärung für Doofe wie mich!

Herzliche Grüße

Bernd


Icedtea hat bezüglich Lebensmitteln recht, was die Unterscheidung angeht, dies vorweg.

Grundsätzlich sind gU und ggA nichts anderes als EU-geschützte Markenzeichen, die über entsprechende Verträge auch internationalen Schutz bekommen. G.U. ist etwas enger gefasst als g.g.A. Das ist erstmal praktisch, dass eben niemand einen "Hessischen Handkäse" hessischen Handkäse nennen darf, wenn er nicht aus dem regionalen Kontext stammt und gewisse Produktionsbedingungen einhält. Am Ende dient das System dazu, kleinen Erzeugern ein mehr oder weniger gleiches Produkt gemeinsam unter einem Namen weltweit zu vermarkten. Eigentlich eine ziemlich coole Sache finde ich.

Die jeweiligen Bestimmungen zu Regionalität und Produktionsbedingungen können jederzeit für jedes registrierte Produkt/Wein online in einer europaweiten Datenbank ("eAmbrosia") nachgelesen werden: https://ec.europa.eu/agriculture/eambro ... -register/

Beim Wein ist gU und ggA die Basis des europäischen Weinrechts.

g.U.= geschützte Ursprungsbezeichnung=Qualitätswein in D= AOP (früher AOC) in F
ggA.=geschützte geographische Angabe=Landwein in D=IGP (früher Vin de Pays) in F

Frankreich hat das System vollständig für sich auf Basis der auch früher ja ausgefuchsten AOC-Appellationsstrategie übernommen. Für jede der Appellationen findest Du in eAmbrosia eine mal mehr mal weniger detaillierte Beschreibung der für den Wein gültigen Rahmenbedingungen. Das kann von Pflanzdichte, Erziehungsform, Bewirtschaftung, Bio oder nicht, Rebsorte(n), Restzucker, Kellertechnik, Behälter usw. alles enthalten, oder nur einen Teil davon.

Deutschland hat bisher das ganze ja nicht wirklich so gepflegt. Die Herkunftsbezeichnung „Rheinhessen“ steht für jede Rebsorte in jeder Geschmacksrichtung unter beliebigen Ausbaubedingungen und Qualitätsstufen (Hauptsache, die Qualitätsweinprüfung hat nichts dagegen (da sie auch 2,49 EUR Weine locker durchlässt, hat diese aber noch nie etwas mit Qualität zu tun gehabt). Du kannst Rheinhessen mit jedem anderen Anbaugebiet, Bereich, Ort, Lage ersetzen. Nimm zum Beispiel den wohlklingenden Namen Westhofener Morstein, unter diesem Namen wird von Dunkelfelder halbtrocken ganz einfach bis hochwertigstem Riesling trocken alles Mögliche vermarktet.

Für die Ausgestaltung der GU bzw. ggA. (kurz Appellationen) ist jeweils eine Schutzgemeinschaft von Erzeugern zuständig, nicht der Staat. Da in D jetzt grundsätzlich das System auch eingeführt wurde, hat der Staat mal vorbereitend alle Qualitätsweinanbaugebiete als g.U. und alle Landweingebiete als ggA. angemeldet. Die Spezifikationen lauten aber für alle Gebiete so wie oben meine Definition von Rheinhessen, halt maximale Flexibilität auf Basis des deutschen Weinrechts. In den Gebieten wurden jetzt Schutzgemeinschaften gegründet, die das weiter ausgestalten sollen.

Die Krux ist, dass sich auch jederzeit weitere und auch Schutzgemeinschaften für kleinere Einheiten bilden können. Das ist ja auch überall anders so. In Bordeaux gibt es ja auch viele „Unterappellationen“ zum Beispiel.
So kann in Deutschland ein Weinbau außerhalb der aktuellen Weinbaugebiete auf Basis europäischen Rechts nicht mehr verboten werden und neue Gebiete/Appellationen im Prinzip jederzeit durch Schutzgemeinschaften neu gegründet werden. So ist es zum Beispiel zum neuen Landweinanbaugebiet „Großräschener See“ gekommen (weitere sind im Antragsverfahren). Beim Großräschener See ist es zudem spannend, dass das die erste Appellation in Deutschland ist, die sich bewusst nur auf 4 Rebsorten (alle Piwi) festgelegt hat.

So haben sich aber eben auch Schutzgemeinschaften für „Bürgstadter Berg“ (ein Teil des „Bürgstadter Centgrafenbergs“), „Würzburger Stein-Berg“ (ein Teil des „Würzburger Steins“) etc. gefunden, die sich hinsichtlich der Produktionsbestimmungen zwar der übergeordneten Appellation „Franken“ unterordnen müssen, aber natürlich darüber hinaus gehend engere Regeln beschließen könnten. In den VDP-Fällen ging es aber eigentlich weniger um die Einschränkung von Bedingungen, sondern um die Generierung weiterer „Lagennamen“, aufgrund des verbandsinternen Lagenverbrauchs.

Da macht man sich einen aus meiner Sicht winzigen Fehler in der deutschen Umsetzung des europäischen Rechts zu Nutze:
Die Lagenrolle, die bisher im Prinzip die deutsche Liste der Appellationen war, gilt parallel zur europäischen Liste der gU. D.h. wenn Du nun als Winzer in den in der g.U. Bürgstadter Berg festgelegten Parzellen Weinstöcke stehen hast, kannst Du Dir ab sofort überlegen, ob Du den Wein daraus als Centgrafenberg oder als Bürgstadter Berg vermarkten möchtest, was das Lagenthema etwas absurd macht.

Ich hoffe, ich konnte Dir das einigermaßen verständlich machen.
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Kleiner_Pirat

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Re: Welche Monopollagen in Deutschland

BeitragSa 10. Feb 2024, 14:47

UlliB hat geschrieben:
Kleiner_Pirat hat geschrieben:
Da gibt es mindestens einen weiteren gleich liegenden Fall, ebenfalls in Franken: Fürstlicher Kallmuth, das ist ebenfalls ein eingetragenes Warenzeichen (im Eigentum von Prinz zu Löwenstein). Da der Homburger Kallmuth nun mal eine tatsächlich existierende Lagenbezeichnung ist - übrigens ist das eine VDP.Erste Lage - greift die Argumentation, dass dieses Warenzeichen für eine VDP.Große Lage nicht mit einem "echten" Lagennamen verwechselt werden kann, hier nicht.


Ulli

Den hatte ich tatsächlich noch nicht auf dem Schirm, danke. Warum die Weinkontrolle das da akzeptiert kann ich nur mutmaßen. Irreführend ist es ja nicht, Kallmuth steht drauf, Kallmuth ist drin. Mich würde mal das aktuelle Rückenetikett interessieren, ggf. steht da ja auch weiterhin "Homburger Kallmuth". Auf der Jahrgangsverkostung hab ich leider nicht darauf geachtet.
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Re: Welche Monopollagen in Deutschland

BeitragSa 10. Feb 2024, 18:55

Kleiner_Pirat hat geschrieben:Ziereisen stand damit schon immer auf wackeligen Füßen.
...nur insofern, als daß er z.B. "Tschuppen" nur solange verwenden kann bzw. konnte, bis jemand da eine "offizielle" Ortsbezeichnung draus macht, die "unverwechselbaren" (soweit richtig) historischen Lagennamen gelten in der Regel mehr wie "lieux dits" und können -so zumindest die bisher angewandte Praxis- phantasienamengleich verwendet werden. Hier zählt m.E., was katasterrechtlich erfaßt ist, dementsprechend sind Orts- / Gemarkungs- / Flurnamen natürlich tabu.
Kleiner_Pirat hat geschrieben:Nr. 2 gibt es nicht. Denn für Qba dürfen nur in der Lagenrolle eingetragene Bezeichnungen oder g. U. verwendet werden. Das gilt selbstverständlich auch für den VDP.
...das ist m.E. nicht richtig. Zum Einen gibt es den "QbA" mWn schon seit 2012 nicht mehr (nur noch "Sekt b.A. etc.), auch wenn die Abkürzung nach wie vor begeistert weiterverwendet wird. Und eine Lagennennung ist keine obligatorische Angabe, es gibt ja schließlich auch genügend Orts- und Gutsweine (auch außerhalb des VDP), die allesamt Qw-Status haben. Innerhalb des VDP darf eine Erste oder Große Lage bzw. auch ein GG aus Letzterer nur dann als solcher Wein gekennzeichnet werden, wenn er auch aus solch einer "VDP-Lage" stammt UND weinrechtlich mindestens ein Qw ist, also eine Prüfnummer hat. Daß da auch die Nennung der jeweiligen VDP-Ersten oder Großen Lage Pflicht ist, ist eine rein privatrechtliche Vereinbarung. Und die Namen der EL oder GL können, müssen aber nicht mit denen wie in der Weinbergsrolle hinterlegt gleichlautend sein. Und da gibt's eine Reihe von Konstrukten, die letztlich teils auch "Phantasienamen" sind und wenig bis nichts mit den offiziellen Lagennamen zu tun haben:

- die Lagenmarken: "Escherndorf Am Lumpen 1655" wurde schon genannt, das ist auch keine Marke des VDP, sondern der Winzer, die im Lump arbeiten und so jeweils einen Wein als EL und einen als GL resp. GG vermarkten können. Der Sommerhäuser "Alttenberg 1172" ist auch so ein Konstrukt und erstreckt sich sogar über zwei offizielle Lagen: Steinbach und Mönchsleite, man schert sich sich in dem Fall also gar nichts um die eigentlichen Lagen bzw. deren Grenzen.

- Lagen im Ausland: auch z.B. die GL's / EL's im französischen Teil des Schweigener Sonnenbergs orientieren sich nicht an offiziellen, deutschen Lagennamen, wie auch sonst in dem Fall. Hier ist es sogar so, daß es z.B. zwar die VDP-GL "Kammerberg" gibt, die Weine daraus aber aktuell nur als "KB" verkauft werden dürfen (den Schweigener Sonnenberg darf man aber schon nennen!), für die GL Sankt Paul gilt dieses Verbot juxigerweise aktuell nicht mehr.

- Lagengranulation über offizielle und inoffizielle bzw. historische Gewanne: Im Ihringer Winklerberg gibt's nur eine gleichnamige EL, die GL's heißen "Vorderer Winklerberg", "Winklerberg Wanne", "Winklerberg Pagode", "Winklerberg Winklerfeld", "Winklerberg Winkeln" und "Winklerberg Hinter Winklen", allesamt -soweit ich weiß- keine offiziellen Gewanne (ist aber auch schwieriger, dahinter zu kommen, als z.B. in RP, die öffentlich zugänglichen Seiten in BW schweigen sich über die Gewanne leider aus, zumindest soweit ich sie bis dato gefunden habe; berichtigt mich gerne, wenn ich da falsch liege...). Auch "Hohenroth" im Randersackerer Sonnenstuhl ist mWn nach kein offizielles Gewann, allenfalls der Name einer historischen Lage, Gleiches gilt vermutlich auch für "Hoheleite" im Rödelseer Küchenmeister. In der Pfalz dagegen sind die meisten "VDP-Gewanne" auch offiziell welche, möglicherweise arbeiten die regionalen VDP-Grüppchen da auch unterschiedlich, genauso wie ja auch insbesondere die Ersten Lagen von Region zu Region höchst amorph geregelt sind. Wild neben den offiziellen Lagenabgrenzungen geht's dann z.B. wieder an der Saar zu: die GL "Scharzhofberger" ist offiziell "einzellagenfrei in der Großlage Scharzberg", die GL "Scharzhofberger Pergentsknopp" heißt anders als das Gewann "Höchste Pergentsknopp" und hat deutlich abweichende Grenzen über das genannte Gewann hinaus. Die GL "Volz" hat kaum was mit den 4 Gewannen "Vols..." zu tun, außer, daß sie "ungefähr da" liegt. Das könnte ich jetzt fast endlos so weiterführen, wenn ich die Zeit dazu hätte...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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