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Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

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Der Wein-Schwede

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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragFr 8. Feb 2019, 00:46

So, dann kommt es wieder zu einem Quervergleich!
Vor drei Stunden wurde eine Halbflasche Rebholz Chardonnay R 2017 geöffnet, und jetzt die Nachverkostung. Daneben habe ich dann eine Flasche Chardonnay Erste Lage Mugghardter Berg Kalkstein 2017 vom Privatweingut H. Schlumberger geöffnet.
Quervergleiche sind für mich öfters neue Offenbahrungen, man kann die Qualität eines Weines relativ zu einem anderen Wein beurteilen, und einen Wein dann besser nach qualität einordnen.
Vielleicht ist dieser Quervergleich nicht ganz fair, der Ch R von Rebholz kostet zwei Mal mehr als der Mugghardter Berg. Aber, dieser Wein ist öfters hoch gelobt und hat gut gepunktet.

Meine Notizen früher heute Abend vom Rebholz Ch R 2017:

Die Farbe ist schon ziemlich tiefgold für einen 2017er.
In der nase kann ich schon das Chardonnay R Rebholz Duftbild von den 14er und 15er erkennen, die gelbe Steinfrucht, den ziemlich präsenten Holzeinsatz, und einen Hauch Vanille. Doch hier fehlt die Buttrichkeit von den früheren Jahrgängen, und der Wein hat auch eine salzigere Mineralität. Kaum Kräuter eigentlich nur Holzwürze. Die Reduktion ist nur dezent im Hintergrund.
Am Gaumen ist der Wein deutlich frischer und schlanker als die 14er und 15er, sehr gute Konzentration und Länge, fein abgewogen. Die Säure stört mich nicht, finde sie nicht unreif. Nur im Abgang liegt die frische Säure ein bisschen "daneben", aber ist ja völlig normal für einen so jungen Wein. Eine gute Mineralität hat der Wein auch. Mir kommt der Wein nicht so jung an, sonder schmeckt schon ein bisschen gereift. Die tiefe Farbe macht mich ein bisschen verdächtig - kommt die aus der Konzentration des Weines oder ist der Wein irgendwie weiter in der Entwicklung ein 17er sein soll?
Alles im Allen ein sehr feiner Chardonnay der mir gefällt!
90 W-S Punkte.

Nach 3 Stunden wird der Wein nicht schlechter, zu der Steinfrucht kommen jetzt auch schöne Zitrusnoten (Orangenschalen) und die Reduktionsnoten klingen ab. Schöne Länge mit guter Konzentration und Mineralität. Keine vegetabilische Töne (finde ich gut), schöner Abgang der langsam abklingt.
91 W-S Punkte.

Der Ch Mugghardter Berg Kalkstein 2017 kostet also nur die Hälfte und das soll man im Kopf halten bei diesem Quervergleich.
Die Farbe ist strohgelb und heller als der Ch R.

In der Nase sofort grosse Unterschiede, hier Zitrus aber auch vegetabilische Töne (Fenschel) welche für Chardonnay nicht ungewöhnlich sind.
Am Gaumen kann dieser Wein bez. Konzentration schon mithalten, aber dabei sind auch gewisse Bitternoten (auch nicht für Chardonnay ungewöhnlich). Der Abgang hat dieselbe Tiefe nicht und klingt schneller ab. Trotz dem ein seriöser Chardonnay mit gewisser Tiefe und Komplexität, und dazu eine gute Mineralität.
88 W-S Punkte. (der 16er hat bei WeinPlus.eu besser als der 17er gepunktet, aber ich finde den 17:er tiefer und dichter).

Der Ch R von Rebholz ist jedoch eine andere Klasse - hier gibt's keine Bitternoten, keine "Störungen" und ist einfach "Rebholzig". Bis in den Abgang bleibt der Wein dicht und fein abgewogen.

Viele meinen noch (glaube ich) das Chardonnay "undeutch" und "unnötig" ist (Riesling ist ja der König!?), aber was ist "unnötig" mit so einem feinen Chardonnay wie der Rebholzer Chardonnay R 2017? :?:
Und dazu die Chardonnay's von Ziereisen, Knewitz, Huber und Wageck-Pfaffmann.
Ich bin ca. 20 Mal im Burgund gewesen und habe u.a. Produzenten wie Michel Niellon, Guy Amiot et Fils und Hubert Lamy in Chassagne-Montrachet besucht, Joseph Matrot in Mersault, Daniel Barraud, Robert Denogent, Ferret und Valette in Pouilly-Fuissé (mehrere von diesen Weingütern haben bei Robert Parker im 95 Punkten Bereich gepunktet). Aber bei keinem davon habe ich einen Chardonnay so gut wie der Schlossberg 2013 oder der Bienenberg 2015 von Bernhard Huber probiert.

Viele Grüsse
Rolf

Gast1

Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragFr 8. Feb 2019, 01:03

Hallo Rolf,

danke für Deinen Bericht, den ich mit viel Interesse gelesen habe.

Hubers 2015er Bienenberg kenne ich gut. Bemerkenswert für mich, wie Du im Vergleich dazu die wahrscheinlich deutlich höherpreisigen Chardonnays im Burgund siehst. Vielleicht solltest Du auch einmal die Chardonnays von Friedrich Becker probieren. Oder hast Du schon? Würde mich sehr interessieren, wie Du die findest.

Viele Grüsse
Christian
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Der Wein-Schwede

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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragFr 8. Feb 2019, 01:16

Hallo Christian,

Nein, die Weine von Friedrich Becker habe ich nicht probiert, aber bin hier im Forum schon empfohlen den Chardonnay Mineral 2015 zu probieren. Der kostet ja um die 40 Euro, und bisher kann bei mir nur Bernhard Huber Chardonnays solche Preise berechtfertigen. Oder bin ich falsch?
Die Burgunder 1er Crus kosten ja jetzt um die 70 Euro oder noch mehr - sind für mich jetzt "caveat emptor".
In den 90er Jahren haben diese Weine 100 FFR gekostet - konnte man damals wie "Ortsweine" heute einkaufen....

Viele Grüsse
Rolf

Gast1

Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragFr 8. Feb 2019, 13:18

Hallo Rolf,

man hat doch immer den Selbstanspruch, so weit wie möglich der objektiven Wahrheit näher zu kommen. Mir hatte schon der Orts-Chardonnay von Friedrich Becker sehr gut gefallen. VKN im entsprechenden Sräd. Ich werde mir jetzt, Deiner Vorgehensweise folgend, den 15er Mineral zulegen und dann einen vielfach subjektiven Vergleich zum 15er Bienenberg von Huber anstellen.

Viele Grüsse
Christian
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Der Wein-Schwede

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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragSa 9. Feb 2019, 19:51

Hallo Christian,

vilen Dank für Deine Empfehlung.
Die Aufgabe die Friedrich Becker Weine zu probieren wird jetzt auf meine "to-do-Liste" aufgeschrieben. Das Weingut liegt geografisch ein bisschen "Abseits" in der Pfalz, aber ich möchte dort gerne einen Besuch machen.

Viele Grüsse
Rolf

Gast1

Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragSa 9. Feb 2019, 20:31

Hallo Rolf,

und dann auch unbedingt die Roten probieren, i.e. St. Paul und Heydenreich. Den 2013er hatte ich mal auf einer Verkostung hier in ZRH bei Max Gerstl. Der hat mich damals umgehauen und ich habe gleich dreimal um mehr gebeten. :) Das mach ich normalerweise nie. Aktuell ist der 15er auf dem Markt. Preis 125 Euro. Geb mir bitte Bescheid, wann Du aufbrichst. Es gibt auch einige sehr gute Restaurants in der Pfalz. ;-)

Beste Grüsse
Christian
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Der Wein-Schwede

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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragSa 9. Feb 2019, 21:25

Hallo Christian,

vielen Dank für Deine Antwort - ich werde mich definitiv melden wenn ich nächstes Mal in die Pfalz fahre! :)
Ich habe eine Reise schon für das Wochenende 27-28.04. gebucht, aber werde dann es leider nicht schaffen nach Schweigen-Rechtenbach und Weingut Friedrich Becker zu fahren.
Am Samstag den 27.04. werde ich die Jahrgangsveranstaltung bei Wageck-Pfaffmann in Bissersheim besuchen, und am Sonntag den 28.04. die Jahrgangsveranstaltung in Bruchsal wo die beiden Weingüter Klumpp und Meyer-Näkel in Begleitung mit gutem Essen und Live-Musik ihre Weine präsentieren lassen. Am Sonntag Abend muss ich wieder von Frankfurt zurückfliegen.
Vielleicht sehen wir uns in Bissersheim oder Bruchsal?

Die Preise der Top-Weine bei Friedrich Becker sind für mich leider ein bisschen brutal - ich habe für einen Wein in der Preisklasse nur einmal das Maul meines Geldbeutels so weit sich öffnen lassen - für den Bernhard Huber Wildenstein 2008 bei der Jahrgangspräsentation in November letztes Jahr!

Viele Grüsse
Rolf
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Der Wein-Schwede

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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragMo 25. Feb 2019, 19:54

Ein deutscher Chardonnay in internationalem Vergleich.

Der Knewitz Chardonnay Reserve 2015 war ein Teilnehmer in einer grossen Chardonnay "Cool Climate" Probe in 2017.

http://www.weingut-knewitz.de/assets/Up ... limate.pdf
https://originalverkorkt.de/2017/07/coo ... us-teil-1/
https://originalverkorkt.de/2017/07/coo ... us-teil-2/
http://www.weingut-knewitz.de/assets/Up ... limate.pdf

….. und hat sich ordentlich (auch gegen die Burgunder) durchgesetzt. Die Burgunder waren 1er Crus (und ein Corton-Charlemagne GC) von renomierten Winzern.

Ich finde den 2016:er Knewitz Reserve noch besser als den 2015:er.
Und die Huber Chardonnay's dann noch eine Stufe höher als Knewitz ….. wie würden die sich gegen feinen Burgundern in einer Blindprobe behaupten? :?: :ugeek:

Wäre interessant zu testen.

Gruss
Rolf
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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragMo 25. Feb 2019, 22:43

Rolf, danke für die Zusammenstellung der Links - bei der Recherche nach Knewitz hatte ich die zwar schon mal gefunden, aber wieder aus denAugen verloren.

"Cool Climate" halte ich ein Stück weit für eine Worthülse. (Ich muß da immer an Gauby denken: Um ihn herum werden alkoholstarke Hitzemonster erzeugt, aber er schafft es regelmäßig, kurz vor Spanien schlanke aber reife 12,5 oder 13% zu erzielen.) Der Begriff ist m.M.n. Spiegel einer Erwartungshaltung der Teilnehmer, die ich ziemlich kongruent zu Deiner sehe.

Allerdings halte ich es für einen Irrglauben, oder jedenfalls von individuellen Vorlieben geprägt, das als "typisch burgundisch" anzusehen. Meine erste Annäherung an weiße Burgunder fiel mit meiner Krafttrinker-Frühphase zusammen. Damals hielt ich, gestützt durch die mir nähergebrachten Erfahrungen, buttrig-üppige Aromen für typisch. Auch für diese Richtung gibt es genügend Beispiele, und mein bester Freund und "Wein-Lehrer" empindet dies noch heute als seinen Idealtypus.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist eine Frage der persönlichen Präferenz. (jm2c)
Besten Gruß, Karsten
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Der Wein-Schwede

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Re: Deutsche Chardonnays wie in Burgund!

BeitragMo 25. Feb 2019, 23:19

Meine ersten Erfahrungen mit Burgunder Chardonnays sind auch eher kräftig, buttrig - z.B. Chassagne-Montrachets aus den 90er Jahren. Einige Jahren später habe ich mich auf Grund der Preisentwicklung bei Côte d'Or Chardonnays nach dem Süden in Burgund (Pouilly-Fuissé) gesucht. Dort gibt es auch Weltklasse Chardonnays (z.B. Daniel Barraud und Robert Denogent), aber diese waren deutlich schlanker, zitrischer und mineralischer als die Chassagnes. Die letzten Weine (2007er) sind schon längst getrunken (ausser einigen Einzelflaschen die ich später zu Hause gekauft habe), und die Erinnerungen sind natürlich nicht länger ganz aktuell.
Aber, die Qualität ich heute in den 2015er Huber Chardonnays gefunden habe, habe ich in Burgund nicht erlebt. Die Intensität, Spannung und vor allem die Komplexität (Gewürze) der Huber-Weine ist etwas besonderes.
Klar, ich habe ja keine Coche-Dury's oder Rommanee-Conti's probiert, aber durch den Preisunterschied ist das auch irrelevant.

Hat jemand auf Internet Verkostungen gefunden (oder durch eigene Quervergleiche) wo Huber Chardonnays gegen feinen Burgunder bewertet werden?

Gruss
Rolf
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