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Re: Libanon

BeitragVerfasst: Mi 5. Jan 2011, 19:53
von ChezMatze
Hey susa,

das willst Du uns doch nicht wirklich vorenthalten, oder?! Kannst Du ja direkt hier reinkopieren. Oder in den Off-Topic-Bereich.

Viele Grüße
Matze

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Mi 5. Jan 2011, 20:33
von susa
OK Matze, hier kommt's.

Und für alle anderen, das ist sehr lang, Ihr müsst's nicht lesen (und der Gerhard kennt die Geschichte sowieso schon ;-))

Noch zur Info, mit Monsieur Barbier ist der den meisten Bordeauxfexen bekannte meilleur cuisinier par la grâce de lui-même Jean-Paul Barbier vom Restaurant Lion d'Or in Arcins gemeint. Der Rest müsste selbsterklärend sein ;-).

Noch eins aus der Kategorie "schönstes Urlaubserlebnis".

Monsieur Barbier muss ich ja nicht mehr eigens vorstellen. Der kleine "Napoleon der Südwestküche" ist Euch doch bestimmt aus vielen meiner begeisterten Schilderungen bekannt. Inzwischen ist er allerdings auch ruhiger geworden, was sicher auch dem Einfluss seiner reizenden und herzensguten Frau zu verdanken ist. Ein Essen bei ihm ist aber immer noch ein Erlebnis, nicht nur gastronomisch. Noch immer kann man bei ihm seinen Wein selber mitbringen (ohne dass er Korkgeld verlangt), was die Kundschaft auch redlich tut. Inzwischen hat Barbier seine Weinkarte, die mal sehr imposant war, diesem Umstand angepasst. Was soll er großartig Wein vorhalten, wenn den doch keiner nimmt. Und die Wasserkaraffen stehen bereits auf dem Tisch und müssen nicht erst eigens bestellt werden, also mit dem Mineralwasser will er es auch nicht unbedingt reinholen. Dennoch kommt er gut auf seine Kosten, was seinen Auslastungsgrad angeht, der ist erstaunlich.

Seine Speisekarte ist deswegen trotzdem nicht anders kalkuliert als in den umliegenden Restaurants. Schon seit Bestehen seines Restaurants leistet er sich den Luxus, ein "Menu familial" für kleines Geld anzubieten, lange bevor andere die Vorteile der Formules déjeuner erkannt haben. Früher waren das 45 ff, heute 12.50€, dafür gibt es 5 Gänge, Suppe, Vorspeise, Hauptgang, Käse, Dessert und ein Glas Wein. Einmal pro Urlaub essen wir das auch, es schont nicht nur das Budget, es schmeckt auch "wie bei Muttern".

Der überwiegende Teil der Kundschaft besteht aus weinverrückten Touristen oder Professionels du vin, Winzer, Courtiers, Weinjournalisten. Es macht einen Riesenspaß, den Gesprächen der umliegenden Tische zu lauschen, zu raten, welche Weine sie trinken (man dreht natürlich das Etikett diskret von den Blicken der anderen weg ;) ).

Bei unserem ersten Besuch in diesem Jahr nahmen am Nebentisch drei Personen (zwei Herren, eine Dame) Platz, die mit viel Brimborium zwei Flaschen Wein mitbrachten, eine war sorgfältig in Stanniolpapier gewickelt und die andere in einer Tüte versteckt. Die Herrschaften bestellten eine Karaffe und einen zweiten Satz Gläser (und natürlich auch was zu Essen ;) ). Herr susa ahnte natürlich sofort, warum die Herrschaften ihre Weine so bedacht versteckten, die Kapsel des Stanniolweines, der gleich unter dem Tisch verschwand, war eindeutig italienisch. Es ist ja schon eine schwere Todsünde, bei Barbier einen Wein von der rechten Seite zu trinken, Barbier ist da sehr bodenständig und lokalpatriotisch, rechte Seite, Weicheierweine. Noch nie aber hat jemand gesehen, dass dort einmal ein Wein sagen wir von der Rhône oder aus dem Elsass getrunken wurde. Und jetzt ein Italiener :shock: ..... :shock: . . Wir hofften für unseren Tischnachbarn, dass Barbier bei seinem nächsten Kontrollgang im Gastraum nicht das große Ausbeinmesser dabei hatte, wer weiß wo das enden würde :lol: . Der Mann tat wirklich gut daran, seinen Wein tunlichst zu verbergen. Er öffnete ihn dementsprechend, umständlich unter dem Tisch mit mitgebrachtem Korkenzieher, wo er ihn auch gleich in die Karaffe füllte. Sein Gegenüber hatte es einfacher, er hatte einen Wein mit Schrauber mitgebracht. Beide Weine wurden eingeschenkt und dann ging's los.

Herr susa bemerkte gleich "Bin ich doch froh, dass wir nicht alleine so verrückt sind!". Die fröhliche Tischgesellschaft spielte das beliebte Spiel: Heiteres Weineraten. Alle drei rochen und probierten, schlürften und schwenkten und diskutierten. Aus den Beschreibungen versuchten wir natürlich, mitzuraten. Der Schrauberwein bekam die Attribute: ist in der Hitze gereift, fleischig, warm, rote Früchte, der Italiener bereitete größere Schwierigkeiten.

Unser Interesse blieb den Herrschaften nicht verborgen (man sitzt doch recht dicht an dicht) und es dauerte nicht lange, bis wir zum Mitraten aufgefordert worden, d.h. wir bekamen auch zwei Gläser ab, von jedem Wein eines.

Die Herrschaften stellten sich vor, ein junger Mann, vor zwei Tagen stolzer Vater der zweiten Tochter geworden, feierte dies mit seinen zu diesem Ereignis angereisten Schwiegereltern, einem Italiener und einer Französin, die mitten im Châteauneuf-du-Pâpe wohnen. Und jedes Mal, so erzählten sie, wenn sie sich treffen, dann werden "Weinspiele" gespielt. Das Spiel des Tages hieß an jenem: Rebsorten raten!

Wir gaben zu, den Stanniolwein an der Kapsel erkannt zu haben und enthielten uns weiterer Tipps und konzentrierten uns auf den anderen, den Schrauberwein. Der Beschreibung konnte ich nur zustimmen, tiefes Dunkelrot, Duft von Brombeeren und Gewürzen, dicht und weich, Himbeer- und Kirscharomen, ein wenig Schokolade, kraftvoller etwas kurzer Abgang, ich tippte auf die Rebsorten der Rhône, in jedem Fall Syrah, eventuell auch Grenache und/oder Cinsault, der Wein eher Übersee, mit Blick auf den Schrauber erklärte ich mal mutig "Australien". Ihr ahnt gar nicht, wie undurchdringlich Italiener schauen können. :lol: . Herr susa und der Schwiegersohn diskutierten noch die Möglichkeit einer Cabernet Sauvignon Zugabe, weswegen sie eine Herkunft von der Rhône, die sie eigentlich geneigt waren anzunehmen, doch wieder ausschlossen. Dann schlossen sie kurzerhand den CS wieder aus. Ein ebenso interessierter Niederländer vom Tisch schräg gegenüber wurde auch noch beteiligt, gab aber ohne Abgabe eines Votings auf - Feigling ;)!

Zwischendurch muss man ja auch mal was essen, wir hatten die beiden letzten Portionen der wunderbaren Daube von den Ochsenbäckchen weswegen die glückliche Ratefamilie auf die Entenbrüste ausweichen musste. Ich hätte sie ja durchaus gerne von den Bäckchen kosten lassen, ich musste mit meiner Portion sowieso arg kämpfen, aber Herr susa meinte, wir unterhielten sowieso schon das ganze Restaurant :lol: .

Als wir gingen, wollte ich doch die Auflösung des Rätsels, denn der Wein, der sich als wunderbarer Begleiter gerade zu den Backen, zu kräftigem geschmorten Fleisch herausstellte, den wollte ich doch nun mit Namen kennenlernen. Das war gar nicht so einfach. Während Herr susa also mit Madame Barbier das Finanzielle regelte, begab ich mich mit dem Herrn ins Billardzimmer, wo er mir Wein, Rebsorten und die ganze Geschichte des Weingutes erzählte. Es handelte sich um

2007 Classic
Massaya, Bekaa Valley, Libanon


Libanon :shock: .... . Da war mir bisher nur Château Musar ein Begriff. Massaya, so wurde mir fast in Stenogeschwindkeit erzählt (immerhin wurde der gute Mann ja am Tisch zurück erwartet und er musste ja auch noch raten ;) ) ist eine relativ neue Gründung. Das Gut war zunächst eine Arrakbrennerei, die Besitzer wurden durch den Krieg in alle Welt verschlagen und kehrten vor einigen Jahren zurück. Als Berater (ob auch Miteigentümer hab ich in der Eile nicht ganz verstanden) konnten Dominique Hebrard (dem Haus hat früher Cheval Blanc gehört) und Frederic und Daniel Brunier von den Vignobles Brunier in Châteauneuf-du-Pape gewonnen werden, das Gut wurde nach den modernsten Erkenntnissen und mit erkennbar französischer Handschrift aufgebaut. Und der Wein kann sich durchaus sehen und trinken lassen und muss eine internationale Konkurrenz nicht fürchten.

Und die Rebsorten? 60% Cinsault, 20% Cabernet Sauvignon :!: und 20% Syrah :lol: , bezahlt hat der Herr dafür 12.50€ .

Ach übrigens, am übernächsten Tisch wurden zur gleichen Zeit zwei Flaschen 2003er Mouton Rothschild getrunken, normalerweise immer für erhöhte Aufmerksamkeit gut, aber an diesem Tag interessierte das niemanden im ganzen Lokal, dafür waren alle viel zu neugierig, wie die verschiedenen Weinrätsel wohl ausgehen.

Natürlich bleibt noch der italienische Wein nachzutragen, den es bei der heiteren Raterunde zu entdecken gab. Herr susa meinte, den würde er niemals raten, obwohl er ihn schon selber getrunken hatte (damals hatte er ihn auch nicht geraten ;) ).

Der stolze Vater, der ein wenig ein schlechtes Gewissen hatte, dass er und Schwiegerelterns sich so bestens amüsierten, während Frau und Kind im Krankenhaus lagen (aber wohlauf und gesund, natürlich haben wir alle gratuliert und die bei solchen Gelegenheiten üblichen Fragen gestellt), also er hatte seinen Schwiegervater auf die Probe gestellt mit

2007 Dolcetto d'Alba Tre Vigne
Vietti, Piemont


der so ganz anders war als der Libanese, natürlich waren beide Rotweine und handwerklich gut gemacht, allerdings schon was dieses Kriterium anging, war der Vietti doch noch ein wenig harmonischer und eleganter. Farblich waren beide fast gleich, auch der Dolcetto ziemlich dunkel, angenehm trocken, Aromen von Kirsche und Pflaume, zart nussig und mittellanger Abgang.

Und den Schwiegervater, Italiener vom Scheitel bis zur Sohle, hat es sicher arg gewurmt, dass er den nicht rausbekommen hat. Leider konnte ich sein Gesicht dabei nicht mehr sehen ;).



Re: Libanon

BeitragVerfasst: Mi 5. Jan 2011, 21:05
von ChezMatze
Dankeschön, das ist ja wirklich turbulent gewesen! Wir hatten mal im kleinen und regelmäßig aus allen Nähten platzenden Restaurant "Chez la Tchèpe" in Bouzigues ein ganz ähnliches Erlebnis. Das Stammpublikum, alles Franzosen um die 80 (geschätzt), kommt hier in erster Linie zum Schwatzen - und Austern vom Plastikteller schlürfen. Vom unbekannten Wein in der Karaffe über die alten Renaults bis zum Weltkriegserlebnis (heijeijei, zum Glück schon länger her, und wir sind ja inzwischen alles Europäer) gibt es wenige Themen, die ausgelassen werden.

Ach ja, Sommer könnte es auch bald mal wieder werden...

Viele Grüße
Matze

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Fr 7. Jan 2011, 23:12
von ChezMatze
Noch mal ich: Habe heute bei Lavinia einen Weißwein und einen Rotwein aus Syrien gesehen, jeweils zum mutigen Preis von 25 €. Der Weiße bestand wohl hauptsächlich aus Chardonnay, der Rote aus den Rebsorten der Südrhône. Leider habe ich mir den Namen nicht merken können. Libanon und Syrien liegen zwar nicht gerade weit auseinander, aber ein Wein aus Syrien ist mir bislang noch nirgends untergekommen. Euch etwa?

Viele Grüße
Matze

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Mi 23. Mär 2011, 21:07
von Dionisos
Über mehrere Tage im Glas gehabt: Clos St. Thomas "Les Sultans" 1998

Im Glas glänzendes Kirschrot.

Am ersten Tag in der Nase ein Bouquet von Pflaumen und Kirschen, das sehr an einen Portwein erinnnert.

Am Gaumen schlanker bis wäßriger Körper (am besten leicht gekühlt mit 17 Grad kredenzen) und saftige Frucht mit Aromen von Kirschen, Pflaumen und roten Beeren. Im Abgang kräuterig.

Am zweiten Tag erweist sich der Wein als Chamäleon: In der Nase dominieren jetzt Düfte von orientalischen Gewürzen. Ebenso am Gaumen dominierend Aromen von Zimt, Nelken und Sternanis.

Insgesamt ein recht interessanter Wein, den man mal probiert haben sollte. Kein sehr großer Wein aber ein interessanter Wein mit sehr individuellem Charakter. Mit einem Preis von 16 EUR gehört er für mich nicht zu den Weinen mit günstigem PGV.

Ich sehe den Wein als absolut optimalen Begleiter zu Stifado (Zimtgulasch).

Bewertung: 89 DP

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Mi 23. Mär 2011, 22:08
von beerenauslese
Hallo alle,

ja Les Sultans 1998 UND 2000 - sind beide noch zu kriegen....haben mich auch sehr überzeugt!
Der 2000er war am gleichen Abend alle - der 98er wurde am 2.ten Abend schöner.

Auch von mir eine sichere Empfehlung: Hab auch jeweils 3 Flaschen nachgekauft. Nur das Etikett ist so häßlich, dass ich die Flaschen nicht aus der Kiste lasse :roll:

Gruß
Johannes

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Do 24. Mär 2011, 19:13
von Dionisos
beerenauslese hat geschrieben:Hallo alle,

ja Les Sultans 1998 UND 2000 - sind beide noch zu kriegen....haben mich auch sehr überzeugt!
Der 2000er war am gleichen Abend alle - der 98er wurde am 2.ten Abend schöner.


Moin moin,

von dem 2000er hab ich auch noch ne Flasche und bin schon gespannt drauf, wie der so ist. Bei dem 98er hatte ich den Eindruck, daß der seinen optimalen Reifepunkt schon hinter sich hatte.

Mit dionysischen Grüßen

Tom

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Do 24. Mär 2011, 21:54
von beerenauslese
Dionisos hat geschrieben:
beerenauslese hat geschrieben:Bei dem 98er hatte ich den Eindruck, daß der seinen optimalen Reifepunkt schon hinter sich hatte.

Mit dionysischen Grüßen

Tom


hast Du die Flasche über mehrere Tage getrunken?

Gruß
Johannes

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Do 24. Mär 2011, 22:22
von Dionisos
beerenauslese hat geschrieben:
Dionisos hat geschrieben:
beerenauslese hat geschrieben:Bei dem 98er hatte ich den Eindruck, daß der seinen optimalen Reifepunkt schon hinter sich hatte.

Mit dionysischen Grüßen

Tom


hast Du die Flasche über mehrere Tage getrunken?

Gruß
Johannes


Ja... über 3 Tage. Am besten fand ich den Wein am 2. Tag.

Re: Libanon

BeitragVerfasst: Do 24. Mär 2011, 22:53
von beerenauslese
...ich auch - und das führte bei mir zum Nachkauf.

Beste Grüße
Johannes