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Auf ein Glas ..... 2013 Ch. de Brégançon RdC blanc

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2013 Ch. de Brégançon RdC blanc

BeitragDi 3. Jun 2014, 08:13

Da bin ich wieder, drei wunderbar entspannte und entschleunigte Wochen liegen hinter mir. Und wie immer im Frühjahr ging es an die Côte d'Azur/Provence, das kennt Ihr ja.

Unser erster Weg führt uns dann immer in den Weinladen uV, wir kaufen einige Flaschen der uns lieb gewordenen Weine und lassen uns Neues empfehlen, man will ja schließlich auf dem Laufenden bleiben. Leider gibt es unsere geschätzte "Madame" bzw. ihren Weinladen nicht mehr, ein wirkliche Weinfachfrau und mit unseren Vorlieben so vertraut wie wir selber; 15 Jahre lang unsere zuverlässige Anlaufstation.

Ihr Nachfolger hat es geschafft, den Laden nach nur drei Jahren in die Insolvenz zu bringen. Und die Ersatzinstitution ist zwar für das Auge des Herrn ansehnlicher, aber die Weinempfehlungen ... man kann eben nicht alles haben. Trotzdem haben wir wieder einen ganz guten Überblick gewonnen.

Quo vadis Provence?

Einen guten Provencewein, vor allem Rosé, zu finden gestaltete sich jahrelang als sehr aufwändiges Unterfangen, bei dem man so viele Frösche küssen musste und der Prinz war am Ende doch eher Marcus als Eduard von Anhalt. Das ändert sich nun, zwar langsam aber stetig.

Der Weinbau der Provence wie fast des ganzen Südfrankreichs war traditionell genossenschaftsdominiert. Winzer, die ihr eigenes Gut bewirtschafteten und den eigenen Wein abfüllten waren eher die Ausnahme. So war es in den fünfziger Jahren, als es auch in der Provence zu einer Klassifizierung kam, recht einfach, ein Cru Classé war so ziemlich alles, was privat wirtschaftete und unter eigenem Namen abfüllte und vermarktete, was also nicht unbedingt eine Qualitätsaussage war. Aber das war es 1855 in Bordeaux ja auch nicht unbedingt.

Inzwischen hat sich einiges geändert, immer mehr Winzer arbeiten auf eigene Rechnung und geben höchstens noch Überschüsse an die Genossenschaften. Und seit es in manchen Kreisen als schick gilt, ein eigenes Weingut in Frankreich zu haben und weil in Bordeaux und Burgund im Zweifel noch nicht mal mehr für richtig viel Geld was zu bekommen ist, entstehen in der Provence an allen Ecken und Enden, meistens auf erst vor vielleicht 10 Jahren (bestimmt mit EU-Mitteln) stillgelegten Flächen, neue Rebfelder. Ich möchte mir jetzt über die Nähe zu gewissen Steuerparadiesen gar keine Gedanken machen, das haben diese Herrschaften doch gar nicht nötig.

Seitdem ist ein Qualitätsschub deutlich spürbar, die Neubesitzer bringen ja nicht nur Geld mit. Mit Massenware ist kein Staat zu machen, also geben sich die Rollands, Denerencourts, Perrins etc. die Klinke in die Hand, auf einmal wird sogar das AB (Agriculture Biologique) Zeichen zum schicken Accessoire. Und die alt Eingessenen geraten unter einen gewissen Zugzwang, auch ihr "hamwerschonimmersogemacht" einmal zu überdenken. Das ist ja gar nicht so verkehrt.

Diese Medaille hat leider – wie immer – auch eine Kehrseite und da meine ich noch nicht einmal die bei so was zwangsläufig mitsteigenden Preise. Für guten, richtig guten Wein bin ich bereit, auch gutes Geld zu zahlen. Es ist eine neue Philosophie, die allenthalben um sich greift.

All diese önologischen Berater kommen ja wie die Fußballtrainer zum abstiegsbedrohten Verein und versuchen zuerst mal bekannte Taschenspielertricks, um einen schnell sichtbaren Erfolg zu erzielen: Abwehr konsolidieren, bisher verschmähte Spieler einsetzen, die dann vor Ehrgeiz brennen und die fußballerische Kabbalistik neu ansetzen, von 4-4-2 zu 4-3-3 oder 3-4-1-2 aus echten Zehnern falsche Neuner machen, mit drei Sechsern auflaufen, nicht Mensch, nicht Tier, es ist die Nummer vier.

Während in Bordeaux in solchen Fällen das Zauberwort "Zweitwein" heißt, geht es dort unten anders herum "Cuvée Spéciale" zu doppelten Preis. Es wird eine besondere Cuvée herausgebracht aus alten Reben, von besonderen Lagen etc. Was für die bisher bekannte und beliebte Standardcuvée des Hauses nicht weniger bedeutet als, sie muss bluten für den Star, muss sich mit den weniger guten Trauben zufriedengeben und wird nicht ganz so bevorzugt behandelt. Und damit man es nicht so heraus schmeckt wird sie in Holz gelegt, ins neue Barrique, heavy toast. Wenn schon aus den Trauben nicht mehr so viel rauskommt, dann schmeckt wenigstens das Holz.

Und so schmecken sie am Ende alle gleich. Und das ist schade.

D.h. jetzt wieder suchen, probieren, Frösche küssen.

In der Kategorie unkomplizierter Sommerwein, bzw. der während des Urlaubs von Herrn susa kreierten Begriffs "Poolwein" konnte durchaus gefallen

2013 Château de Brégançon Réserve du Château blanc
Provence AOC


er leidet weniger unter der Existenz der Cuvée Prestige aus gleichem Hause, erstens weil es die Dreifaltigkeit der Basis-, Standard-, Spezialcuvée auch schon ewig gibt und zweitens weil das Gut über ausreichend Menge (Rebfläche) verfügt, um für alle Weine genügend Material zu haben. Die Réserve ist die Mittelklasse, der Brot- und Butterwein und kommt aus dem Stahltank.

Er ist von recht zartem Weiß und duftet verhalten nach Zitrusfrüchten und Orangenblüten, am Gaumen saftig, spritzig mit Anklängen von Schmelz, dicht, Grapefruit, Limette, Aprikose, angenehm trocken und durchaus passabler Abgang. Er passte dabei ganz hervorragend zu einem Zitronenrisotto mit Garnelen.

Der würde, wenn er um die 8€ kosten würde, hier ein Sommerweinrenner, bei 13.60€ ab Werk wäre der deutsche Konsument wohl nicht zu begeistern. Pech für ihn.

Bitte beachten: Ab sofort kann man sich für die Weinforums-WM-Tipprunde "Wein und WM" anmelden:
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Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love

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