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Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 10:46

Wissenschaftler, insbesondere amerikanische, wollen herausgefunden haben, dass Menschen alles Mögliche zu glauben bereit sind, wenn es nur mit "Wissenschaftler haben herausgefunden …" eingeleitet wird. Angeblich haben Wissenschaftler herausgefunden (deren Provenienz in solchen Fällen nur vage angedeutet wird "ein Forschungsteam um Professor Alfred F. einer großen Universität in B.-en-B., Frankreich …."), dass die Menschen der westlichen Welt im Allgemeinen und die Deutschen im Besonderen immer spießiger werden.

Wenn ich die Weihnachtsdekoration in unserem kleinen dörflichen Gemeinwesen sehe, möchte ich das sofort glauben. Die weiß-roten Fassadenkletterer hängen alljährlich von November bis mindestens Januar an den Balkonen (obwohl sie nachgewiesenermaßen schon seit mindestens vier Jahren mega-out sind), bei manchen ist die Mantelfarbe schon sehr verschossen und changiert zu einem schmutzigen Altrosa.

Und ich meine auch eine ständig steigende Zunahme der Gartenfigurpopulationen wahrzunehmen, insbesondere von knallgrünen Plastikfröschen mit eingebauten akustischen Bewegungsmeldern, mit oder angeschlossener Beleuchtungssteuerung.

Die Leute mögen ja wieder spießiger werden, aber technisch sind sie immer auf der Höhe. Wenn schon Musikantenstadl, dann aber bitte auf dem allerneusten UHD Flatscreen TV.

Werden wir Weinliebhaber auch immer spießiger? Habt Ihr entsprechendes bemerkt? Gibt es überhaupt spießigen und im Gegensatz dazu unkonventionellen Weingenuss? Und wie sieht der aus? Flasche entkorken und "nicht lang schnacken, Kopp in Nacken!" ? Moselriesling in allen Lebenslagen? Nur deutsche Weine trinken? Ich finde, das gehört dringend mal untersucht! ;)

Ich würde gerne wissen, ob der

1993 Léoville Las Cases
St. Julien, Bordeaux


den ich am Wochenende getrunken habe, mich eher als Spießer oder als Revoluzzer outet. Obwohl mir das eigentlich egal ist (nein, ganz eigentlich nicht, denn wer will schon als Spießer wahrgenommen werden, noch nicht mal die Spießer selber).

Der Wein ist jedenfalls ein sehr gutes Beispiel für die Faustregel: Aus kleinen Jahren große Weine. Anfang der 1990er war halt noch nicht jedes Jahr ein Jahrtausend-, oder wenigstens ein Jahrhundertjahrgang.

Und manchmal ist es sehr entspannend und beglückend, einfach nur einen guten, ja sehr guten Wein zu trinken, nichts Monolithisches, nichts Außergewöhnliches, einem den Boden unter den Füßen weg reißendes, den Atem nehmendes … nein, ein wunderbar klarer Wein, elegant, ein Bündel von feinsten Aromen, Cassis, etwas Kirsche, Leder, unvanilliges Holz (das schreib ich immer lieber dazu, sonst geht das Kopf- und Gaumenkino immer gleich in die Marmeladenrichtung und die ist ganz falsch), ein Hauch Mineral, der Körper eher mittelkräftig, der Abgang lang und fein, feine Säure und immer noch ein wenig samtiges Tannin. Und nur sehr angedeutete Alters- oder Ermüdungserscheinungen.

Ganz spießig aus dem Riedel-Bordeaux getrunken.
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theater69

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 10:55

susa hat geschrieben:Ganz spießig aus dem Riedel-Bordeaux getrunken.

Aus dem Goldfischglas? :)

Schade, so alte Weine nenne ich leider nicht mein Eigen, da muß ich noch min. 15 Jahre warten. Und die Weinhändler mV haben so gereifte Weine auch nicht (mehr?) im Angebot. Wahrscheinlich trinken die die selber ...
LG
Andreas

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Es soll keiner so wenig Wein trinken, dass er seiner Gesundheit schadet (Marc Aurel)
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susa

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 11:10

... nö, ich glaube das hätte er dann doch nicht überlebt, es war das Riedel Vinum Bordeaux ;)

Bei Alpina findest Du aber (entsprechende frei verfügbare Taschengeldzuweisungen vorausgesetzt) viele alte Jahrgänge.

Ich wurde übrigens an anderer Stelle belehrt, dass es bei Wein nicht spießig sondern klassisch heißt. Wäre das also auch geklärt.
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maha

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 11:26

susa hat geschrieben:...den ich am Wochenende getrunken habe, mich eher als Spießer oder als Revoluzzer outet. Obwohl mir das eigentlich egal ist (nein, ganz eigentlich nicht, denn wer will schon als Spießer wahrgenommen werden, noch nicht mal die Spießer selber).

Also ohne Dich persönlich zu kennen, würde ich Dich jetzt nicht als Spiesser bezeichnen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Spie%C3%9Fer
Wikipedia hat geschrieben:Als Spießbürger oder Spießer werden in abwertender Weise engstirnige Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen und Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung auszeichnen. In der Schweiz werden Spießbürger auch als Füdlibürger (Füdli = Hinterteil)[1] oder als Bünzli bezeichnet.
:lol:
Gruss
Marko
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octopussy

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 12:55

susa hat geschrieben:Werden wir Weinliebhaber auch immer spießiger? Habt Ihr entsprechendes bemerkt? Gibt es überhaupt spießigen und im Gegensatz dazu unkonventionellen Weingenuss? Und wie sieht der aus? Flasche entkorken und "nicht lang schnacken, Kopp in Nacken!" ? Moselriesling in allen Lebenslagen? Nur deutsche Weine trinken? Ich finde, das gehört dringend mal untersucht! ;)

Tja, da triffst du jedenfalls bei mir in ein Wespennest. Denn ich mag es hin und herwenden: ich werde beim Weingenuss immer "klassischer" (um es mal mit deinem vornehmeren Duktus auszudrücken).

Es gibt mittlerweile so viele Trends, die man mitmachen soll: Jungwinzer A aus der Nordpfalz, Jungwinzer B aus der Südpfalz, Riesling aus dem Barrique, Riesling mit Maischestandzeit, Nebbiolo von der hessischen Bergstraße, DEN Überflieger-Sauvignon Blanc aus Deutschland, der, ja jetzt aber wirklich, DER beste ÜBERHAUPT ist. Aber so schnell wie diese Trends ausgerufen wurden, sind sie auch schon vom nächsten Trend überholt.

Ich habe einiges ausprobiert und stelle fest, dass ich am Ende an einigen Weinen festhängen bleibe, die es so schon relativ lange gibt: Bordeaux, Pinot Noir und Chardonnay aus dem Burgund, Rot- und Weißweine von der Loire, Elsässer Rieslinge, Pinot Gris und Gewürztraminer, oxidative Weine aus dem Jura, Gamay aus den Beaujolais Crus, Tannat- und Manseng-Blends aus dem französischen Südwesten, die Cuvées aus dem Midi, Weiß-, Graub- und Spätburgunder aus Baden und der Südpfalz, trockener Riesling von der Mittelhaardt, der Nahe, den besseren Teilen Rheinhessens und sogar dem Rheingau, restsüßer Riesling von Mosel, Saar und Ruwer und der Nahe, Silvaner aus Franken.

Auch bei der Auswahl meiner Lieblingsproduzenten werden ich immer konservativer, u.a. aber deshalb, da sich wahre Größe beim Wein für mich erst mit einem gewissen Alter zeigt. Und da habe ich bei den "Klassikern" wie Bürklin-Wolf, Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Keller, Breuer, usw. eben gewisse Erfahrungswerte, die neue Winzer erst einmal nicht bieten können. Was nicht heißt, dass die Rieslinge der neuen Winzer nicht altern können. Nur dauert es erst einmal 10 Jahre, bis man das beurteilen kann. Und bis dahin sind schon viele Trends ins Land gegangen.
Beste Grüße, Stephan
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Weinbertl

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 14:47

@octopussy

würde ich in ähnlicher Weise auch für mich sehen. Erinnert mich ein wenig an den thread mit den Weintrinker-Typen. Ich hätte da schon eine Kategorie für Dich ... :lol:
Grüße
Robert
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octopussy

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 15:28

Weinbertl hat geschrieben:@octopussy

würde ich in ähnlicher Weise auch für mich sehen. Erinnert mich ein wenig an den thread mit den Weintrinker-Typen. Ich hätte da schon eine Kategorie für Dich ... :lol:

Ich dachte schon, ich hätte es, ohne es zu merken, schon zum Elite-Etikettentrinker gebracht ;). Aber, du meinst doch hoffentlich den hier oder?

Weinbertl hat geschrieben:9. Der Oldschool-Weintrinker

Der Oldschool-Typ hat bereits mindestens seit den frühen Neunzigern mit Wein begonnen, Internet gabs noch nicht, Foren auch nicht. Alles was er über Wein weiß, hat er sich aus den Standardklassikern von Parker, Duijker, Broadbent&Co. angelesen. Vergleichsproben in denen beispielsweise Bordeaux gegen Cabernet aus aller Welt getestet werden, sieht er mit Argwohn, im Gegenteil, er will davon gar nichts wissen. Sein Albtraum handelt von einer Blindprobe mit internationalem Phalanx. Am liebsten wäre ihm, wenn PN nur aus Burgund, CS aus Bordeaux und Riesling lediglich aus dem Rheingau und der Mosel kommen würden.
Er hat auch überhaupt kein Problem mit langen Verschlussphasen bei diversen "Klassikern", selbst wenn diese sich nie öffnen mögen, diese Stilistik hat man schließlich bei großen Weinen zu akzeptieren.
Wie dem Etikettentrinker geht auch ihm automatisch das Herz auf, wenn er vor großen Namen steht. Sein größtes (Wein-)Glück besteht darin "einmal im Leben einen 45er Mouton, 1900er Margaux, usw..." getrunken zu haben.
Beste Grüße, Stephan
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Weinbertl

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 16:45

octopussy hat geschrieben:
Weinbertl hat geschrieben:@octopussy

würde ich in ähnlicher Weise auch für mich sehen. Erinnert mich ein wenig an den thread mit den Weintrinker-Typen. Ich hätte da schon eine Kategorie für Dich ... :lol:

Ich dachte schon, ich hätte es, ohne es zu merken, schon zum Elite-Etikettentrinker gebracht ;). Aber, du meinst doch hoffentlich den hier oder?

Weinbertl hat geschrieben:9. Der Oldschool-Weintrinker


eigentlich wollte ich noch nachfassen und schreiben, dass wohl keine der gelisteten Kategorien so richtig passt, aber nun hast Du ja selbst gewählt :mrgreen:
Grüße
Robert
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Einzelflaschenfreund

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Re: Auf ein Glas ..... 1993 Léoville Las Cases, St. Julien

BeitragDi 3. Dez 2013, 16:55

Weinbertl hat geschrieben:9. Der Oldschool-Weintrinker

eigentlich wollte ich noch nachfassen und schreiben, dass wohl keine der gelisteten Kategorien so richtig passt, aber nun hast Du ja selbst gewählt :mrgreen:


Oder auch, in Umkehrung der Neuen Frankfurter Schule: Die schärfsten Kritiker der Elche werden später selber welche.

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