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Auf ein Glas ..... 2010 Les Aiguadines, Albet i Noya

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa

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Auf ein Glas ..... 2010 Les Aiguadines, Albet i Noya

BeitragDi 25. Jun 2013, 08:07

ER ist endlich da, er, der Heilsbringer!

Was ist schon Eurokrise, Datenskandal, alle Nahostkonflikte zusammen oder die regelmäßige italienische Regierungskrise, alles das ist ein Klax, denn jetzt kommt ER und alles ist nichts gegen IHN. Gestern ist ER in das gelobte Land eingezogen und seine ersten Worte waren "Guten Tag, Grüß Gott!". Wie bescheiden, sich zunächst doch noch mal kurz des Allerhöchsten zu versichern, bevor ER hier auf Erden sein heilbringendes Wirken medial in Angriff nahm.

Kenner der fußballerischen Materie haben es gleich erkannt, die Rede ist Josep "Pep" Guardiola i Sala, dem neuen Trainer des deutschen Rekord- und Großmeisters FC Bayern München. Und von ihm wird nicht mehr als alles erwartet, nicht nur zählbare Erfolge und alle Titel, die es zu holen gibt, mindestens auch noch ewiglicher Ruhm, Seelenheil und infinite Glückseligkeit.

Nach der Pressekonferenz, so ist zu vermuten, hat sich der Herr mit seinen Jüngern, oh pardon, ich wollte natürlich schreiben: der Trainer mit seinen Spielern an den Starnberger See begeben und ist dort ein bisschen übers Wasser gewandelt bevor er Brote und Fische vermehrt hat (da hat der Schweini ganz bestimmt gesagt "i mog obba koan Fisch" und der Ribéry hat gefragt, ob der poisson auch halal ist) und da hat der Meister schnell ein bisschen Wasser in Weißbier verwandelt und alle waren glücklich.

Und, das muss ich zugeben, mir hat eine Aussage vom Pep wirklich gut gefallen, denn ja, es ging eigentlich nur um Fußball, und da sagte er (ich gebe es sinngemäß wieder, denn zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das leider nicht wörtlich behalten habe), er müsse sich als Trainer dem Spielermaterial anpassen und nicht den Spielern irgendein System aufzwingen. Der Fußball habe den Spielern zu gehorchen und er als Trainer müsse sich da anpassen.

Das war sicher für alle 4-4-2, 4-2-1-3, 4-2-3-1 oder 4-3-3-Verfechter ein herbe Enttäuschung, denn man muss wissen, dass der moderne Fußball ohne diese kabbalistische Numerologie überhaupt nicht mehr auskommt, wenn der Achter zwischen Sechser und Zehner agiert und das mit der Doppelsechs zu defensiv wird, denn dann guckt der Zehner dumm aus der Wäsche.

Allerdings kann man diese Aussage durchaus verallgemeinert auf viele, wenn nicht alle anderen Lebensbereiche anwenden.

Zum Beispiel: Der Wein hat den Trauben zu gehorchen, das Ausgangsmaterial bestimmt das Endprodukt. Alles andere ist vom Ãœbel und der Winzer hat sich da anzupassen.

Zu diesem denkwürdigen und zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Ereignis würde ich ja gerne einen echten Münchner Wein präsentieren, aber so etwas haben sie nicht, die Bayern. Nicht, dass es in Bayern keinen Wein gäbe, Franken gehört schließlich zu Bayern und die fränkischen Weine sind doch aller Ehren wert.

Aber weil der Herr Guardiola ein Katalane ist, darf es auch ein Spanier sein.

Und, im Gegensatz zu Herrn Guardiola ist der Wein nicht nur preiswert, er ist derzeit auch bei Delinat im Abverkauf noch ein wenig preiswerter. In dieser Preisklasse, machen 60 Cent ja immerhin fast 6.5% aus. Und dann auch noch aus biologischem Anbau.

Über seine Entstehung wird allenthalben dieselbe Geschichte erzählt. Die Gemeindekasse des Dörfchens Rasqueras in Tarragona war dermaßen leer, dass der Bürgermeister in seiner Verzweiflung fast alles getan hätte, um irgendwie ein wenig Geld in die Kassen zu spülen. Und so plante er allen Ernstes, einige Hektar Land an eine private Vereinigung zu verpachten, die dort Hanf für medizinische Zwecke anbauen wollte. Dazu wurden dort viele alte Rebstöcke herausgerissen. Die Sache hätte der Gemeindekasse immerhin fast 1.3 Millionen Euro im Jahr eingebracht, für ein gebeuteltes und krisengeschütteltes spanisches Dorf ein fast unermesslicher Reichtum. Und es mutet schon ein wenig seltsam an, dass für einen derartigen Betrag selbst Herr Guardiolas Vorgänger keinen Ball in die Hand genommen oder seine Sportschuhe geschnürt hätte. Manchmal sind die Prioritäten hier schon arg verschoben. Die Erzählungen bleiben allesamt die Information schuldig, ob das mit dem Hanfanbau was geworden ist.

Aber Wehklagen nützt nichts. Das dachten sich auch die vier Schwestern Badé, die in diesem Ort dann wieder begannen, Trauben anzubauen, Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah und Garnacha. Das ist mindestens so gut wie Hanf. Das Traubenmaterial vertrauen sie dem Gut Albet i Noya an und die haben aus dem

2010 Les Aiguadines
Albet i Noya, Catalunya DO


einen sehr ordentlichen Wein gekeltert und dabei haben sie auch alle Rebsorten der Schwestern verwendet (40% Cabernet Sauvignon, 20% Garnacha, 20% Merlot, 20% Syrah).

Der Wein ist von einem tiefen fast schwarzen Dunkelrot, duftet fein nach reifer Kirsche, Pflaumenkompott und Johannisbeeren, auch ein wenig Tabak, am Gaumen ist er weich, ein bisschen mehr straffendes Tannin würde mir persönlich noch besser gefallen, aber nicht zu warm serviert lässt sich dieser Wein mit großem Vergnügen trinken. Man muss ja nicht über jeden Wein in tiefe Kontemplation verfallen und sich stundenlang mit ihm auseinandersetzen.

Am Wochenende sagte jemand in einer der zahlreichen quasiphilosophischen Exkurse, die immer dann entstehen, wenn ein paar Weinaficionados aufeinandertreffen, dass ein Wein, der ihm nicht auch Lust zum Essen mache, für ihn kein ordentlicher Wein sein. Diese pure Anbetung und die damit verbundene Forderung, dass (große) Wein nicht mit so etwas Banalem wie Essen in Verbindung gebracht werden dürfen, halte er für einen rechten Schmarren. Recht hat er und das gilt nicht nur für große sondern auch für kleinere Weine, solche, die man noch lecker nennen darf.

Der hier ist lecker. Und passte toll zu meinen Merguez, die dringend weg mussten. Und der Rest in der Flasche darf heute kalte Frikadellen mit Kartoffelsalat begleiten, wobei ich allerdings denke, dass letzterer für den Wein eine kleine geschmackliche Herausforderung sein dürfte, ich seh zu, dass er nicht zu sauer wird, der Kartoffelsalat.

Und dann schaumermal.
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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bordeauxlover

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Re: Auf ein Glas ..... 2010 Les Aiguadines, Albet i Noya

BeitragMi 26. Jun 2013, 08:10

Wie immer, ganz wunderbar und köstlich, was susa da mal wieder hingezaubert hat... Man verknüpfe Tagesaktuelles mit einem gehörigen Schuss Ironie und dem passenden Wein - und der herbstlichste Sommertag ist gerettet. So geht es mir jedenfalls. ;)

Danke und liebe Grüße an den Niederrhein
Armin
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navysurf

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Re: Auf ein Glas ..... 2010 Les Aiguadines, Albet i Noya

BeitragMi 26. Jun 2013, 14:34

Wie immer sehr schöngeschrieben mit einer gehörigen Portion Ironie ;)

.... bin mal gespannt, was der neue Trainer so alles bei uns bewirkt !!!

Gruß Rüdiger
Viele Grüße
Rüdiger aus Heiligenwald/Saarland

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