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Champagner aus den vergessenen Rebsorten

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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 11. Nov 2021, 15:46

Gestern ging es mal wieder um die ,Seltenen Sachen’, und zwar standen diese auf dem Tisch:

1. Etienne Calsac (Avize): ‚Les Revenants‘
Brut Nature, 50% Pinot Blanc, 43% Petit Meslier, 7% Arbane ; lieu-dit ‚Les Fours’; fermentation spontanée sous bois (600 l); dégorgé février 2021; 800 Fl.; 0g
Schon der erste Wein war ein Kracher: Helles Gold leuchtete, zunächst wild aufschäumend, dann mit sehr feiner, aber zurückhaltender Perlage. Der Nase bot sich schöne Gelbfrucht, Brioche, gekochter Apfel; am Gaumen dann herrlich intensive, aber unaufdringliche Frucht, getragen von feinster Säure; das Ganze war durch große Harmonie gekennzeichnet, machte Spaß und wirkte fast einschmeichelnd, seidig und filigran, ohne allerdings irgendwie langweilig zu sein, nein, da war durchaus Spannung und Biß; großartig!

2. Perceval-Farge (Chaméry): ‚Les Goulats‘
55% Arbane, Fromenteau, Petit Meslier + 45% Chardonnay; Parcellaire; assemblage année 2011pour 78% et 2010+2009 pour 22%; 25% vinification sous bois, 75% sans FML, dégorgé 12/2018; 1076 Fl.; 0g
Da war noch tieferes Gold im Glas, extrem fein perlend; schwer definierbare Nase, evtl. eine gewisse Grasigkeit; am Gaumen dann zupackend, fester als der Vorgänger, da ist auch etwas Raues, Tanniniges, (was von einigen bestritten wurde), ein mineralischer Akzent, ein Hauch von Rauch, sehr reifer Apfel; interessanter Champagner, mit dem man aber nicht leicht warm werden konnte.

3. Horiot (Les Riceys): ‚Brut Nature 5 Sens‘
Pinot Noir, Chardonnay, Pinot Meunier, Pinot Blanc, Arbane; „5 sols, 5 fûts, 5 terroirs et
5 cépages sur 1 année – 2011“; vendangé le 28. 8. 2011, mise en bout. le 6. 8. 2012, dégorgé le 8. 12. 2015; 1420 Fl.; 0g
Dem Auge bot sich hinter dem Gold ein Hauch von Kupfer und wieder zurückhaltende, aber extrem feine Perlage; die Nase erschnupperte Gelbfruchtiges, etwa Mirabelle, und Himbeere, die immer deutlicher hervortrat – bis zur Bonbonigkeit, was schließlich strange wirkte und als kitschig bezeichnet wurde. Sehr merkwürdig, wo doch die Horiot-Champagner zwar weinig und leicht füllig daherkommen, aber stets sehr klar sind. Dieser Champagner irritierte.

4. Laherte Frères (Chavot): ‚Les 7‘
Extra-Brut; 18% Meunier, 14% Pinot Noir, 18% Chardonnay, 8% Arbane, 15% Petit Meslier, 10% Pinot Gris, 17% Pinot Blanc; Solera; fermentation naturelle en barrique; dégorgé 01–2017; ca. 3300 Fl.; ‚Dosage: De 0 à 4g/l‘ (sic!)
Der erste, der wirklich knochentrocken wirkte, obwohl die ersten drei ohne alle Dosage auftraten; er bot eine deutliche Fruchtnase mit kräuterigem Akzent, dabei schön hefig, wunderbare Champagnernote; am Gaumen leichte Adstringierenz, reife Apfelfrucht, ausgewogen; kein Schmeichler freilich, ein Champagner mit Ecken und Kanten, mit Struktur, mit schönem Säuregerüst; der gefiel wiederum sehr.

5. Aubry (Jouy-les-Reims): ‚Rosé Sablé 2014‘
Brut Nature, 40% Chardonnay, 25% Arbanne, 25% Petit Meslier, 10% vin rouge; 0g
6. Moutard (Buxeuil): ‚2010 Rosé Brut Nature Cuvée des 6 Cépages‘
Arbanne, Petit Meslier, Pinot Blanc, Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Meunier; levures indigènes; fermentation en foudre de 40hl; fermentation malolactique bloquée: tirage du 29 Juillet 2011, dégorgé le 13. 2. 2018; 13623 Fl.; 0g
7. Janisson-Baradon (Épernay): ‚Cuvée 7C’ (rosé‘)
7 Rebsorten: jeweils 15%: Pinot Blanc, Pinot Gris, Arbane, Petit Meslier, Meunier en rouge, 13% Pinot Noir und 12% Chardonnay; vendanges 2017/2016; non filtré; inox; tirage le 11 avril 2018, , dégorgé le 25 mai 2021, 1589 Fl.; 2g
Die drei Rosés können zusammengefaßt werden: Sie enttäuschten durch die Bank, wirkten belanglos und uncharmant: sie hatten wenig Länge – (und das war auch gut so); am ehesten sagte Nr. 5 zu: nette Blütennase, feine Perlage, etwas Frucht, aber wenig Champagnercharakter; auf der Terrasse hätte man ihn nicht von der Bettkante gestoßen; Nr. 6 wartete mit Naturweincharakter auf, etwas langweilige Erdbeere wurde spürbar, ummantelt von Stalligkeit; Nr. 7 war der einzige, der sich grobperliger zeigte; gab etwas Erdbeere, ein wenig Pflaume preis, blieb jedoch rau und uncharmant. Vielleicht wird der Rosèja auch nur für’s Auge gemacht: Da strahlten nämlich alle drei in dekadentem zarten Orangeton, der war wunderbar anzusehen, hinreißend – hätte man sie nur nicht getrunken . . .
Und noch etwas: Da die Runde dezimiert war, ergab sich die Möglichkeit, alle Champagner nach ein paar Stunden nachzuprobieren. Erstaunlich dabei: Anders als bei Stillweinen war keinerlei Verbesserung zu verzeichnen – im Gegenteil: Alle wirkten rauer, weniger harmonisch, insgesamt unattraktiver. Vielleicht ist Champagner ja etwas allein für den Augenblick!
Ole
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 11. Nov 2021, 20:09

Ole hat geschrieben:Gestern ging es mal wieder um die ,Seltenen Sachen’
Cool! 8-)
"Les 7" fand ich auch sehr schön, "Les Revenants" hab ich mal auf meine Wunschliste gesetzt! :D
Viele Grüße
Erich

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mixalhs

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 11. Nov 2021, 20:51

Rosé Sablé von Aubry hatte ich irgendwann vor zwei/drei Monaten auch mal, und kann den Eindruck nur bestätigen: ziemlich schwach. Die Weißen haben mir besser gefallen, insbesondere dieser hier, der ebenfalls in das Beuteschema "Vergessene Rebsorten" passt:

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 11. Nov 2021, 21:28

Ole hat geschrieben:Die drei Rosés können zusammengefaßt werden: Sie enttäuschten durch die Bank

mixalhs hat geschrieben:Rosé Sablé von Aubry hatte ich irgendwann vor zwei/drei Monaten auch mal, und kann den Eindruck nur bestätigen: ziemlich schwach.
...rosa find ich bei Schampus auch -gelinde gesagt- eher schwierig. Mir fallen da nicht mal eine Handvoll ein, von denen ich tatsächlich begeistert war. Dabei sind mir Schäumer aus roten Sorten meist lieber als die aus (rein) weißen Sorten, aber dann halt in der Regel als Blanc de Noir...
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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 11. Nov 2021, 23:41

"...rosa find ich bei Schampus auch -gelinde gesagt- eher schwierig. Mir fallen da nicht mal eine Handvoll ein, von denen ich tatsächlich begeistert war." Ja, genau so geht’s mir auch! Nur wie kommt das? Wie ist es zu erklären, dass es von zahlreichen Erzeugern ordentlichen bis sehr guten 'weißen' Champagner gibt, deren Rosés aber belanglos sind? Das gilt auch für die, die vergessene Reben verarbeiten. Sowohl von Aubry wie von Moutard und Janisson-Baradon hatten wir in den vorigen Proben nämlich die weißen Pendants – und die waren durchaus ordentlich oder besser (siehe die entsprechenden Berichte!). Stellt die Herstellung von Rosé-Champagner objektiv größere Schwierigkeiten dar? Oder wird das auf die leichte Schulter genommen? ("Ist ja nur für die Weiber", wie mir ein Händler sagte.)
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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragDo 11. Nov 2021, 23:48

Ole hat geschrieben:"...rosa find ich bei Schampus auch -gelinde gesagt- eher schwierig. Mir fallen da nicht mal eine Handvoll ein, von denen ich tatsächlich begeistert war."(EThC) Ja, genau so geht’s mir auch! Nur wie kommt das? Wie ist es zu erklären, dass es von zahlreichen Erzeugern ordentlichen bis sehr guten 'weißen' Champagner gibt, deren Rosés aber belanglos sind? Das gilt auch für die, die vergessene Reben verarbeiten. Sowohl von Aubry wie von Moutard und Janisson-Baradon hatten wir in den vorigen Proben nämlich die weißen Pendants – und die waren durchaus ordentlich oder besser (siehe die entsprechenden Berichte!). Stellt die Herstellung von Rosé-Champagner objektiv größere Schwierigkeiten dar? Oder wird das auf die leichte Schulter genommen? ("Ist ja nur für die Weiber", wie mir ein Händler sagte.)
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 12. Nov 2021, 07:15

Ole hat geschrieben:Oder wird das auf die leichte Schulter genommen? ("Ist ja nur für die Weiber", wie mir ein Händler sagte.)
...ich fürchte, daß das zu einem Gutteil tatsächlich so ist. So wie beim Stillwein ordnet man die Farbe rosa eher der Weiblichkeit zu und so wird Rosé wohl auch eher auf die vermeintlichen Bedürfnisse dieses Geschlechts zugeschnitten. Wobei die Beobachtungen in meinem weiteren Bekanntenkreis die These grundsätzlich stützen, daß gerade süßlich-beliebige Sachen in weniger weinaffinen Kreisen deutlich besser ankommen als bei den Nerds, auch bei den Kerls übrigens...

Zum Glück ist die beste Frau von allen da deutlich anders ausgerichtet... :D
Viele Grüße
Erich

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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 12. Nov 2021, 11:05

Ja, und im Restaurant oder bei Empfängen ist es mir schon begegnet, daß gefragt wird: ". . . und für die Dame vielleicht einen Rosé?" Und wenn’s nicht die Damen sind, tun’s auch andere manchmal. Ein Champagnerwinzer äußerte mir gegenüber einmal – sein eigenes Rosé-Produkt, das gar nicht so schlecht war, gering schätzend: "Den machen wir eigentlich nur für die Chinesen."
Ole
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Kle

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 12. Nov 2021, 11:10

Ole hat geschrieben:1. Etienne Calsac (Avize): ‚Les Revenants‘
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Es war verblüffend, diese beiden total unterschiedlichen, grandiosen Erlebnisse direkt hintereinander zu haben. Wobei ‚Les Goulats‘ ein Champagner-Ideal repräsentierte, wie ich es von frühauf lernte und darüber hinaus schöne individuelle Merkmale besaß. ,Les Revenants‘ hingegen völlig eigenständig, hier spielte es keine Rolle, wie sich das himmlisch schwebende, aber auch von pikanter Säure fein aufgewirbelte Getränk nennt. Nach längerer Luftzufuhr wurde er straffer und strenger. Die Flasche war dann so schnell leer, dass genaueres Nachprobieren entfiel. ‚Les Goulats‘ hingegen war schwerer und gröber geworden.
Es war meine Minderheitenmeinung, dass die Erdbeere des Rosé Sablé sehr zart und köstlicher als eine echte war. Nach dem Dekantieren (!) schmeckte dieser Champagner allerdings nur noch flach.

Gruß, Kle
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 12. Nov 2021, 16:25

Ole hat geschrieben:Ja, und im Restaurant oder bei Empfängen ist es mir schon begegnet, daß gefragt wird: ". . . und für die Dame vielleicht einen Rosé?"
Oh, oh! Das wäre mit uns so ziemlich der riesigste Fettnapf, in den man als Gastgeber / Servicepersonal etc. reintreten kann... :lol: :lol: :lol:
Viele Grüße
Erich

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