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Champagner aus den vergessenen Rebsorten

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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragMo 23. Okt 2023, 15:53

Neulich ging es darum, den Pinot Blanc etwas umfänglicher zu erkunden. Dabei erwies sich Fleury: Notes Blanches 2011 als der Kracher des Abends. Dem Auge offenbarte sich helles Gold bei stetiger, feiner Perlage; die Nase hatte es dann mit blütigen und zartfruchtigen Noten zu tun; obwohl ohne Dosage flackerte ein Honigblitz auf, um dann etwas kräftigerer Frucht und Blüte das Feld zu überlassen. Das war schon mal sehr betörend! Am Gaumen dann reife Frucht, große Länge, eine feine, dezente, gar nicht klebrige Süße, eine cremige Anmutung, ein Hauch von unaufdringlichem Holz. Da war ein Changieren festzustellen zwischen mitunter durchaus kräftig wirkender Frucht und feinen, eleganten Tönen – und da war auch Tiefe. Dazu ein tolles Mundgefühl bei großer Harmonie. Das war attraktiv, das machte Spaß! Très délicieux!
100% Pinot Blanc,100% élevage sous bois, 5 Jahre sur lattes.
Pétrè: Pinot Blanc hatte ebenfalls eine feine Blüten-/Fruchtnase, bei leicht gröberer Perlage; dem Gaumen bot sich ebenfalls Blütiges und Fruchtiges. Der Wein wirkte fast lieblich, parfümig, ja, der Eindruck von leicht Kitschigem stellte sich ein. Aber er war nie aufdringlich, behielt stets etwas Faszinierendes, dem man nachzuspüren den Drang hatte, er bestach auch durch das Ineinanderschweben von weicher , fast süßlicher Frucht und deutlicher, aber feiner Adstringenz. Ebenfalls wie alle anderen: 100% Pinot Blanc, brut nature, Flasche 407 – von insgesamt 943.
Die nachfolgenden Flaschen konnten mit den beiden da nicht mithalten. Der Pirat Wilhelmshof: Weisser Burgunder 2016 ‚Privé’ Brut Nature war unkompliziert, den konnte man gut trinken, der machte aber nicht neugierig, bot kein Spiel, war einfach brav, war okay, aber auch nicht mehr. Wie dem Fleury wurden auch ihm fünf Jahre sur lattes gegönnt.
Der Chassenay d’Arce 2012 Extra Brut kam recht rauchig daher, bot insgesamt eine würzige Nase, am Gaumen machte sich eine leichte Süße bemerkbar, obwohl er sich durchaus trocken gebärdete; da war auch Säure, die wirkte aber nicht richtig frisch; auch der war letztlich okay, aber nicht weiter interessant, hatte sogar etwas Klobiges.
Leblond-Lenoir: Perle de Dizet wartete mit einer animierenden Nase auf, hatte am Gaumen dann etwas Metallisches, ein ordentliches Säurerückgrat, aber auch eine deutlich spürbare Süße, (er war der mit 11g der am höchsten dosierte der Runde); ja, auch der war okay, aber – spannend war er halt nicht.
Ole
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Kle

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragMo 23. Okt 2023, 20:04

Genauso war es, Ole, vielen Dank! Notes Blanches eines meiner größten Schaumweinerlebnisse der letzten Zeit. Ich habe zusätzlich eine deutliche Citrusaromatik geschmeckt, die für mich zu seinem unwiderstehlichen Charakter gehörte.
Bei Pétrè: Pinot Blanc wurde „Kitsch“ immer mehr zum lobenden Wort. Toll, wie konsequent und überhaupt nicht gewollt er seinen Stil durchgezogen hat.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragMo 23. Okt 2023, 20:51

Kennt ihr auch folgende Pinot blanc-Champagner?

- Pierre Gerbais - La Loge - extra brut
- Piollot - Colas Robin - brut nature

Machten bei der Champagner-Messe vor einigen Wochen in München eine sehr gute Figur!
Viele Grüße
Erich

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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragMo 23. Okt 2023, 23:53

Ja, ja, die kennen wir, und die kommen demnächst auch dran – und dann ist da natürlich u. a. noch von Roses deJeanne: La Bolorée . . .
Ole
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Ole

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 1. Dez 2023, 19:55

. . . und weiter geht es mit der Pinot-blanc-Erkundung
Piolot: Colas Robin 2015. Brut nature
Sehr hell, weniger hellgold, eher fast hellsilbrig – wie übrigens alle folgenden Flaschen durch ihre farbliche Blässe auffielen, obwohl sie mehrheitlich mit einem ordentlichen Alter aufwarten konnten. (Beim Chardonnay ist das ganz anders, da leuchtet es mit der Zeit oft ausgesprochen golden.) Sehr feine Perlage. Der Nase boten sich blütige und zartfruchtige Noten. Am Gaumen dann ebenfalls zarte Frucht, ein mineralischer Hauch; der Wein präsentierte sich straight, angenehm herb, durchaus reif, er war schlank und – hatte einige Eleganz. 20% hatten Holz gesehen; er war nicht geschönt, nicht gefiltert.
Cédric Bouchard / Roses de Jeanne: La Bolorée 2015. Brut nature
Blütige Nase, wildfruchtig, orientalischer Akzent, ein Versprechen von Tiefe; am Gaumen schöne Herbheit, leicht adstringierend, zarte Frucht, feine Säure, harmonisch; der Wein ruhte in sich, bot aber kein großes Aromenspiel; das änderte sich allerdings im Verlauf, bei Zufuhr von Luft und Wärme: eine feine Würze tat sich auf, ein Anflug von verführerischer Süße, eine unaufdringliche Eleganz. Der war in Edelstahl ausgebaut.
De Lozey: Pinot Blanc 2020. Brut nature
Sehr lebendige Perlage; angesichts der hellen Farbe ist man über die Intensität der blütigen Fruchtigkeit, die sich der Nase präsentiert, erstaunt: ein konzentrierter Auftritt feiner Aromen von Apfel, Stachelbeere, auch Passionsfrucht; da ist Tiefe, da ist Kraft, da sind exotische Noten; ein attraktiver Champagner mit faszinierendem Aromenspiel und sinnlicher Ausstrahlung; er stammt aus der Lage ‘La Haute Lemblée‘, von der 2020 lediglich 1608 Flaschen erzeugt wurden.
Furdyna: La Romane. Extra brut (4g)
Der hatte es schwer – nach den drei Vorgängern! Da war apfelige Frucht, da war wenig charmante Herbheit, deutliche Adstringenz. Leichte Süße machte sich bemerkbar, die aber mit der Frucht nicht so recht in Einklang kam; der Wein wirkte wenig fein, mitunter rauh; er war in Holz ausgebaut.
Laculle Frères: ‘Val Moignot‘ Cuvée Bertil Andersson. Extra brut
In der Nase zartblütig, zartfruchtig; am Gaumen deutliche Säure, darüber hinaus wurde wenig geboten, kaum Tiefe, kaum Länge, kaum etwas Interessantes.
Remy Massin: Pinot Blanc Special Club 2017. Exta brut (4,5g)
Hell und lebendig; verhaltene Frucht in der Nase; der Gaumen nimmt eine feine Säure wahr, auch schöne Frucht; das ist angenehm und ausgewogen; ein solider Champagner!
Colette Bonnet: Pinot Blanc 2018. Extra brut (4g)
Sehr nervöse, feine Perlage; in der Nase verführerische Fruchtnoten, die am Gaumen wiederkehren: Litschi, Pfirsich, reife Birne, die zunehmend die Überhand gewinnt und zu der sich eine feine Säure gesellt; angenehmer, durchaus attraktiver Champagner.
Ole
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragFr 1. Dez 2023, 21:22

...schöne PB-Sause! Und eine ebenso schöne Bestätigung meines Eindrucks vom Piollot-PB! :D
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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Kle

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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

BeitragSa 2. Dez 2023, 21:24

Die Pinot Blanc-Champagner hinterlassen den Eindruck, verschiedenste Interpretationen gern mitzumachen, jedenfalls sorgten sie für recht bunte Erlebnisse bei Ole – sympathisch individuell. Darüberhinaus leuchtete mir einmal mehr eine Binsenweisheit ein: Gerade bei hervorragenden Weinen nicht den ersten Wahrnehmungen trauen! Gerade sie entfalten ihren eigentlichen Wert oft sublim und verlangen auch kontinuierliches Probieren statt gelegentliches Aufpicken. Weniger nötig bei einem Champagner wie Piolot: Colas Robin 2015, der sich in seiner angereiften, intensiv mürbfruchtigen und weinigen Art sofort erschloss. Trotz Perlage hatte ich das Gefühl einen Stillwein zu trinken.
Cédric Bouchard / Roses de Jeanne: La Bolorée 2015 wirkte hingegen mit himmlischer Nase voller Backwaren und auch Blumen zuerst genial, dann aber etwas einfach und gemessen an seinem Ruf enttäuschend. Der break even point war für mich der Moment, als im Zentrum etwas wie ein zartsüßer Kern auftauchte. Allmählich entfaltete sich eine hinreißende Balance aus Fruchtsüße, Säure und Mineralik.
Auch De Lozey: Pinot Blanc 2020 mit toller Bäckereinase und exotischen Früchten, wie man sie auf dem Teller gerne hätte, focusiert sich schließlich auf einen wunderbaren, für sich stehenden, mineralisch-fruchtigen Eindruck, als hätte er darauf hingearbeitet. Colette Bonnet: Pinot Blanc 2018 entwickelte zwar keine Transzendenz, aber der zunehmende Birnensog, wenn am Glas lang genug genippt wurde, belohnte hier ebenfalls die Geduld.
Bei anderen war das Feld leichter abzustecken. Furdyna: La Romane. Extra brut etwas rustikal, ja, aber wozu Tiefe, wenn die Oberfläche wie zum Abschlecken ist? Der Spaß ist leider bald vorbei.
Laculle Frères: ‘Val Moignot‘ Cuvée Bertil Andersson. Extra brut: Kraftvolle, etwas plakative Aromen. Ohne respektlos sein zu wollen, so stelle ich mir eine nicht sehr süße, gute Schampus-Limo vor.
Bei Ole gibt es übrigens nicht nur die besten Champagner, sondern auch Speckstreifen oder - in diesem Fall - Garnelen, die außen himmlisch kross und innen saftig sind. Auch so eine Garnele ist unvergesslich.

Vielen Dank dafür
Kle
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