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Deutschland 2018

Berichte, Erfahrungen, Prophezeiungen
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 2. Mai 2019, 12:53

Es ist jetzt auch schon wieder zwei Wochen her, dass ich ein paar Tage im Kaiserstuhl verbracht habe. Besucht habe ich drei Einzelwinzer (Salwey, von Gleichenstein, Franz Keller), aber bei denen gab es außer Rosé noch keine 18er im Verkauf. Anders sah das bei den örtlichen Genossenschaften aus, wo schon etliche weiße 18er verfügbar waren, und ich konnte da auch probieren.

Im Grunde genommen gibt es zwei Stilistiken: Weine aus früher Lese mit moderatem Alkohol (12 bis 12,5%), die recht frisch daher kommen, aber aromatische merkwürdig "leer" wirken. Offensichtlich waren die Trauben Mitte August, als die Lese bei glühender Hitze begonnen hat, trotz schon recht hoher Zuckergradation noch nicht wirklich aromatisch reif. Die zweite Kategorie sind Weine, für die die Trauben deutlich später gelesen wurden, und die entsprechen dann dem, was man von einem Hitzejahrgang erwartet: Alkoholwerte von 14% und mehr, voll, manchmal geradezu ölig, knappe Säure. Zusammen mit der bei den Genossenschaften immer noch verbreiteten Unsitte, den trockenen Weinen 5 oder 6 Gramm Restzucker zu belassen, ist der Trinkfluss nahe null. Ein halbes Glas und man ist satt...

Man wird sehen, wie die Renommierbetriebe mit dem Jahrgang klar gekommen sind; die Genossenschaften sind da nicht die besten Indikatoren. Aber Skepsis ist sicher auch hier angebracht.

Gruß
Ulli
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Jochen R.

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 2. Mai 2019, 13:04

Hallo Ulli,
passt zwar nicht gerade zu D´18, aber hast du bei Salwey und/oder
Franz Keller auch die aktuellen Spätburgunder verkostet?

Viele Grüße,
Jochen
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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TOM

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 2. Mai 2019, 13:11

Ja,
mir ging es ähnlich. Ich war Ende März in der Pfalz unterwegs und es gab nur Rosé sowie Grau- und Weißburgunder aus 2018. Die Grau- und Weißburgunder (zumindest die, die ich probiert habe) fand ich "überextrahiert", absolute Fruchtbomben. Man ist nach einem halben Glas satt.
Die Rosés waren ebenfalls außergewöhnlich kräftig, was sich bei denen aber gut machte. Wir haben bei dem schönen Wetter gestern einen Merlot-Rosé zum Gegrillten getrunken. Das hat wunderbar gepasst. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass auch die Pfälzer Rotweine auf Merlot oder Cabernet Sauvignon-Basis in 2018 sehr fruchtig und trinkig werden. Für die Grillparty findet man mit Sicherheit gute bis sehr Qualitäten, die man jung trinken kann / soll. Hat auch was für sich... der Kellerbestand muss ja nicht jedes Jahr wachsen...
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 2. Mai 2019, 13:17

Jochen R. hat geschrieben:Hallo Ulli,
passt zwar nicht gerade zu D´18, aber hast du bei Salwey und/oder
Franz Keller auch die aktuellen Spätburgunder verkostet?

Bei Keller nicht, aber bei Salwey: den 16er RS (recht schön, straff und klar) und die beiden aktuell verfügbaren GGs aus 2015, Henkenberg und Kirchberg. Beide sind farblich sehr hell (deutlich heller als der 16er RS) und aromatisch zwar komplex, aber irgendwie nicht sehr dicht, und im Moment noch ziemlich kantig. Der Kirchberg ist der klar bessere Wein von beiden, kostet aber auch schon 49 Euro. Vom PGV hat mir da der 16er RS für 19 Euro mehr zugesagt. Die 16er GGs kommen irgendwann im Herbst.

Noch kurz zu 2018: sowohl bei Salwey als auch bei Gleichenstein und bei Keller meinte man, dass 2018 ein ganz großes Rotweinjahr ist. Zu den Weißen äußerte man sich deutlich zurückhaltender...

Gruß
Ulli
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Jochen R.

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Re: Deutschland 2018

BeitragDo 2. Mai 2019, 13:28

Danke, Ulli!
Belgrave ist nichts für Unschuldige
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Philst

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Re: Deutschland 2018

BeitragFr 3. Mai 2019, 10:01

Familie Müllen scheint im Slow-Food-Newsletter (Rebstockpatensschaft) nahezu euphorisch:

" Liebe Rebstock-Patinnen und Rebstock-Paten,
der Winter des Jahres 2018 war sehr verregnet und bereits im Januar
und Februar recht warm. Die Böden waren also voller Wasser und wir
hatten aufgrund der Wärme Sorge, dass es erneut zu einem frühen
Austrieb kommt. Der Nachteil eines frühen Austriebs ist die Gefahr von
Frösten und dem Absterben der jungen Triebe. Stirbt ein Trieb ab, wird
die Menge an Trauben sehr gering.

Glücklicherweise wurden März und April wieder kalt, was den Austrieb verzögerte. Mitte April
jedoch kam plötzlich Wärme und die Reben trieben extrem schnell aus, so dass wir sehr
schnell im Einkürzen und Aufbinden der Triebe sein mussten. Im Juni entwickelten sich sehr
viele Gescheine (die Blütenanlagen der Weinrebe, die später zur Traube werden) und wir
erkannten, dass wir mit etwas Glück sehr viele Trauben bekommen könnten. Dennoch blieb
die Sorge, dass uns die Ernte verhagelt würde oder uns eine schlechte Blütephase
bevorsteht. Doch alles kam anders – zum Glück!
Wir hatten eine enorme Hitze und der viele Regen am Anfang des Jahres sorgte für eine gute
Wasserversorgung der Rebe. Durch die Trockenheit hatten wir auch wenige Krankheiten im
Weinberg und die Entwicklung der Trauben verlief ohne Probleme. Bei der Weinlese kam
dann die ganze Pracht zum Vorschein! Wir konnten eine enorme Menge mit sehr guter
Qualität einfahren. Es ist ein Jahrhundertjahrgang, der auch die großen Jahrgänge 1976 oder
1959 in den Schatten stellt, denn sowohl Qualität, als auch Quantität waren äußerst gut.

Nun gären die Weine in unseren Holzfässern. Es ist bereits jetzt eine wundervolle Milde Säure
und eine herrliche Frucht zu erkennen, doch können wir erst ein vollständiges Fazit ziehen,
wenn der Wein fertig ist."

Da bin ich mal gespannt.
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragFr 3. Mai 2019, 10:25

Philst hat geschrieben: Wir konnten eine enorme Menge mit sehr guter
Qualität einfahren. Es ist ein Jahrhundertjahrgang, der auch die großen Jahrgänge 1976 oder
1959 in den Schatten stellt, denn sowohl Qualität, als auch Quantität waren äußerst gut.

Zu 1959 kann ich nicht so viel sagen, außer dass ich eine ganze Menge aus diesem Jahrgang getrunken habe, allerdings waren da die Weine schon 20 Jahre und mehr in der Flasche.

Aber zu 1976 kann ich doch einiges sagen, und der Vergleich hinkt wirklich vorne und hinten. Ja, das Jahr war heiß, ich war im Sommer gerade in der Grundausbildung bei der BW, und da hat man die hohen Temperaturen bei der laufenden Frischluft-Bespaßung ganz unmittelbar erlebt.

Unter den damaligen Bedingungen (es gab kaum wirksame Fungizide) kam es an der Mosel zur Lesezeit zu einer rasenden Ausbreitung von Botrytis, und man hat in dem Jahr eigentlich nur botrytisierte Hochprädikate gelesen, selbst in den Sekundärlagen. Einiges wurde formal zu Spätlese abgestuft, war aber tatsächlich fette Auslese. Die Weine waren lange Zeit nicht gerade gut zu trinken: sehr süß, mit staubiger Botrytis, und recht wenig Säure. Richtig gefangen haben sich die meisten Weine erst im Alter von 15 bis 20 Jahren.

Bei 2018 wird aber immer wieder betont, dass das Lesegut gesund war und eben nicht botrytisiert, auch bei hohen Zuckergradationen waren die Trauben meistens gesund. Schon deswegen muss die Jahrgangscharakteristik völlig anders sein.

Wenn man schon in die Mottenkiste greift und Jahrgänge aus den 70ern heranzieht, würde ich eher den 71er als Jahrhundertjahrgang nennen, und nicht den sehr atypischen 76er.

Was mich weiterhin irritiert, ist der Hinweis auf "milde Säure". Das mag viele Leute begeistern, aber mein bevorzugter Riesling-Stil ist das nicht.

Gruß
Ulli
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Bernd Schulz

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Re: Deutschland 2018

BeitragFr 3. Mai 2019, 12:02

UlliB hat geschrieben:Wenn man schon in die Mottenkiste greift und Jahrgänge aus den 70ern heranzieht, würde ich eher den 71er als Jahrhundertjahrgang nennen, und nicht den sehr atypischen 76er.


Da gebe ich dir Recht. 71 war der in puncto Qualität weit homogenere und damit stärkere Jahrgang.

UlliB hat geschrieben:a, das Jahr war heiß, ich war im Sommer gerade in der Grundausbildung bei der BW, und da hat man die hohen Temperaturen bei der laufenden Frischluft-Bespaßung ganz unmittelbar erlebt.

Unter den damaligen Bedingungen (es gab kaum wirksame Fungizide) kam es an der Mosel zur Lesezeit zu einer rasenden Ausbreitung von Botrytis, und man hat in dem Jahr eigentlich nur botrytisierte Hochprädikate gelesen, selbst in den Sekundärlagen. Einiges wurde formal zu Spätlese abgestuft, war aber tatsächlich fette Auslese. Die Weine waren lange Zeit nicht gerade gut zu trinken: sehr süß, mit staubiger Botrytis, und recht wenig Säure. Richtig gefangen haben sich die meisten Weine erst im Alter von 15 bis 20 Jahren.


ich habe bislang zwei Jahre mit einem völlig vertrockneten, braunen Rasen hinter dem Haus erlebt. Das eine davon war 2018, das andere 1976. Deiner Charakterisierung des 76er Jahrgang stimme ich im Großen und Ganzen zu, wobei meine nicht ganz spärlichen Erfahrungen mit 76er Rieslingen dahin gehen, dass die Weine sowohl qualitativ wie stilistisch sehr heterogen ausgefallen sind. Ich hatte auch schon 76er Auslesen, bei denen kaum eine Botrytisnoten zu finden war, im Glas! Bei einem 76er weiß man nie, was einen wirklich erwartet.....

Grundsätzlich teile ich deine Skepsis bezüglich 2018. Aber gerade im Falle Müllen hege ich sie weniger, denn der Winzer hat mit seinen 2005ern und vor allem mit seinen exzeptionellen 2003ern (!) bewiesen, dass er mit heißen/säurearmen Jahren sehr gut umgehen kann.

Herzliche Grüße

Bernd
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UlliB

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Re: Deutschland 2018

BeitragFr 3. Mai 2019, 12:19

Bernd Schulz hat geschrieben:Grundsätzlich teile ich deine Skepsis bezüglich 2018. Aber gerade im Falle Müllen hege ich sie weniger, denn der Winzer hat mit seinen 2005ern und vor allem mit seinen exzeptionellen 2003ern (!) bewiesen, dass er mit heißen/säurearmen Jahren sehr gut umgehen kann.

Ja, das glaube ich gerne, aus genau den gleichen Gründen wie Du. Aber hier wird eine generelle Aussage zur Jahrgangsgüte getroffen ("Jahrhundertjahrgang", auf dieses völlig inflationär verwendete Wort reagiere ich mittlerweile allergisch) und dann noch Vergleiche herangezogen, die wirklich nicht passen. Das hat der Winzer eigentlich nicht nötig.

Gruß
Ulli
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niers_runner

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Re: Deutschland 2018

BeitragFr 3. Mai 2019, 13:17

Ich bin sehr gespannt auf Mythos Mosel, nächsten Monat. Da gibt es reichlich 18er zu probieren.
An einen Jahrhundertjahrgang glaube ich auch nicht, das habe ich in den letzten 10 Jahren zu oft gehört.
Einige interessante Ausführungen zum 18er gibt es im Blog von Heiner Lobenberg zu lesen:
https://blog.gute-weine.de/deutschland-jahrgang-2018-der-reisebericht/

Beste Grüße

Peter
“Wie liebe ich die Kühnheit! Wie liebe ich die Leute, welche aussprechen was sie denken.”
(Voltaire)
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