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Bordeaux 2012

Berichte, Erfahrungen, Prophezeiungen
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Mr. Tinte

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 09:10

Vielen Dank Ulli,

Haben die Bordelaiser Winzer das nicht schon gemacht vor dem 2. Weltkrieg?
Liebe Grüsse,

Goce
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Erdener Prälat

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 10:14

UlliB hat geschrieben:... Vergärung mit den Rappen. Der Trend hat vor ein paar Jahren im Burgund begonnen (wo ein paar Erzeuger auch vorher nie entrappt hatten). Da momentan jede Mode vom Burgund ins Bordelais überschwappt, war's zu erwarten gewesen. Fraglich nur, ob das, was für Pinot noir funktioniert (übrigens auch nicht immer), für die naturgegeben deutlich tanninstärkeren CS und Merlot ebenfalls passt...

Der Trend ist ein ganz alter Hut. Anno dunnemals hat das wohl auch in Bordeaux hin und wieder funktioniert. Und woanders ging es bis in die jüngste Vergangenheit in die andere Richtung:
"In früheren Zeiten wurden die Trauben zum Großteil im Gesamten verarbeitet, da das manuelle Entfernen der Stiele zu mühsam war. Ein „Gerebelter (Wein)“ war früher in Österreich eine umgangssprachliche Bezeichnung für besondere Qualität." (Wein-Plus-Glossar, Eintrag "Abbeeren")
"There has undoubtedly been a major shift towards destemming in Châteauneuf-du-Pape over the last two decades" (H. Karis, The Châteauneuf-du-Pape wine book, p. 98). Alte Haudegen wie Henri Bonneau und Rayas vergären grundsätzlich noch immer mit den Rappen.
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UlliB

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 10:54

Erdener Prälat hat geschrieben:Der Trend ist ein ganz alter Hut. Anno dunnemals hat das wohl auch in Bordeaux hin und wieder funktioniert. Und woanders ging es bis in die jüngste Vergangenheit in die andere Richtung:
"In früheren Zeiten wurden die Trauben zum Großteil im Gesamten verarbeitet, da das manuelle Entfernen der Stiele zu mühsam war. Ein „Gerebelter (Wein)“ war früher in Österreich eine umgangssprachliche Bezeichnung für besondere Qualität." (Wein-Plus-Glossar, Eintrag "Abbeeren")
"There has undoubtedly been a major shift towards destemming in Châteauneuf-du-Pape over the last two decades" (H. Karis, The Châteauneuf-du-Pape wine book, p. 98). Alte Haudegen wie Henri Bonneau und Rayas vergären grundsätzlich noch immer mit den Rappen.


Ja, wenn Du sehr lange zurückschaust (40+ Jahre) hast du natürlich Recht: damals war das Entrappen die Innovation, die sich mit wenigen Ausnahmen in den vergangenen Jahrzehnten flächendeckend durchgesetzt hat.

Interessant ist aber, dass der Weg gerade wieder zurück geht, d.h. zum Nicht-Entrappen oder eben zur Teilentrappung. Und hierbei ist man im Burgund tatsächlich sehr weit "fortgeschritten" (oder wahlweise eben "zurückgeschritten"): hier experimentiert mittlerweile fast jeder mit Teilentrappung oder "vinification entíère", und einige Erzeuger sind komplett hierzu übergegangen - nachdem sie vorher jahrzehntelang entrappt hatten.

Gruß
Ulli
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octopussy

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 11:03

Ich fürchte fast, dass das Vergären mit den Stielen sich zu einem allgemeinen Trend ausweiten wird, wie sich auch damals das Entrappen zu einem allgemeinen Trend ausgeweitet hat. Frei nach dem Motto: nur ein entrappter (oder wahlweise: mit den Stielen vergorener) Wein ist ein guter/typischer/expressiver/anspruchsvoller Wein. Für die Weinhändler ist das Vergären mit den Stielen natürlich super verkaufbar: "wie auf DEN beiden Top-Gütern im Burgund, Leroy und Romanée Conti, werden auch bei xxx die Trauben mit den Stielen vergoren."
Beste Grüße, Stephan
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UlliB

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 12:46

octopussy hat geschrieben:Ich fürchte fast, dass das Vergären mit den Stielen sich zu einem allgemeinen Trend ausweiten wird, wie sich auch damals das Entrappen zu einem allgemeinen Trend ausgeweitet hat. Frei nach dem Motto: nur ein entrappter (oder wahlweise: mit den Stielen vergorener) Wein ist ein guter/typischer/expressiver/anspruchsvoller Wein. Für die Weinhändler ist das Vergären mit den Stielen natürlich super verkaufbar: "wie auf DEN beiden Top-Gütern im Burgund, Leroy und Romanée Conti, werden auch bei xxx die Trauben mit den Stielen vergoren."


Das glaube ich eigentlich nicht - dazu ist der gesamte Vorgang viel zu aufwändig und zu anspruchsvoll, wenn man Weine mit grünen, harschen (eben: "stieligen") Noten vermeiden möchte. Es werden insgesamt betrachtet immer noch Weine mit dichten, aber weichen und "reifen" Tanninen bevorzugt, und die lassen sich besser mit Vollentrappung produzieren.

Was am Ende behauptet wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich erwarte, dass das ebenso läuft, wie bei der Spontangärung: viele behaupten, sie anzuwenden, aber nur sehr wenige tun es tatsächlich, wenn man den Begriff eng auslegt.

Von "Teilentrappung" kann ich ja auch reden, wenn ich in einem 50-Hektoliter-Gärbehälter 10 Rappen in der Maische belasse. Ist ja dann nicht gelogen 8-)

Gruß
Ulli
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Ollie

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 13:31

Die Entrappung im Bordelais hat damals Peynaud eingefuehrt - auf sehr dogmatische Weise. Es heisst, zur Demonstration der Notwendigkeit dieser Massnahme habe er seine Studenten Rappen ueber mehrere Tage in Wasser einlegen und dieses Wasser dann trinken lassen...

Mit dem Hinweis, Pinot Noir sei aber nicht Cabernet Sauvignon, sprachen sich allerdings schon in den Achzigern burgundische Erzeuger und Journalisten dagegen aus, diese "mode à la bordelaise" blind zu uebernehmen. In Burgund (und zunehmen auch im Bordelais und anderswo) haben die Rappen auch die Aufgabe, den Tresterhut weniger kompakt, "broeseliger" und "luftiger" zu machen, sodass man ihn besser unterstossen kann (pigeage), was natuerlich die Extraktion massive beeinflusst.

Bei der Ganztraubengaerung gibt es uebrigens noch einen zweiten Effekt, da ein Teil der Beeren intakt bleibt. Diese Beeren durchlaufen eine macération carbonique, die ein ganz andere Aromatik erbringt (s.a. Beaujolais oder Gaillac Nouveau) und auch langsam vonstatten geht. Beim Abpressen enthaelt der Wein also noch gaerfaehigen Zucker, was Auswirkungen auf die folgenden Arbeitsschritte (BSA, Umziehen ins Holzfass, usw.) hat.

Insgesamt soll also die aromatische Komplexitaet erhoeht werden. Bei einem geringen Anteil von ganzen Beeren (=<20%) wirkt sich das wohl auch positiv aus; ist der Anteil groesser, veraendert sich der Weinstil zu stark. Die Weinberger haben bereits vor Jahren schon Versuchsreihen fuer Dornfelder/Acolon und Lemberger gemacht, mit angeblich sehr guten Ergebnissen. Wird also auch in Deutschland von einigen Erzeugern schon seit einiger Zeit gemacht.

Nichts neues unter der Sonne also.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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Desmirail

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 15:22

Ollie hat geschrieben:Bei der Ganztraubengaerung gibt es uebrigens noch einen zweiten Effekt, da ein Teil der Beeren intakt bleibt. Diese Beeren durchlaufen eine macération carbonique, die ein ganz andere Aromatik erbringt (s.a. Beaujolais oder Gaillac Nouveau) und auch langsam vonstatten geht. Beim Abpressen enthaelt der Wein also noch gaerfaehigen Zucker, was Auswirkungen auf die folgenden Arbeitsschritte (BSA, Umziehen ins Holzfass, usw.) hat.


Witzig, genau diese Thema hatte ich im Sommer mit dem Weinmacher vom Chateau Moyau, La Clape besprochen. Dieser ist ein "Fan" von solchen "Experimenten", wenngleich der Besitzer dies nicht wünschte ... :roll:

Aber wie Du schon sagst: Im Grunde nichts neues, aber es war lange Zeit nicht in der Diskussion und vermutlich auch nicht in den meisten Mündern :?: :!: :?:
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Deep And House
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UlliB

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDi 18. Dez 2012, 15:38

Desmirail hat geschrieben:Aber wie Du schon sagst: Im Grunde nichts neues, aber es war lange Zeit nicht in der Diskussion und vermutlich auch nicht in den meisten Mündern :?: :!: :?:


In Bordeaux tatsächlich nicht, und eigentlich geht es darum ja in diesem Thread. Aber OT betrachtet: in Burgund ist das ein schon seit einigen jahren viel beachtetes und heiß diskutiertes Thema, und wer sich für Burgund interessiert, ist mit Sicherheit auch schon mit einer ganzen Reihe so hergestellter Weine in Kontakt gekommen. Und wie weiter oben schon angemerkt wurde: es ist mittlerweile auch ein Thema an der Rhone, und wie ich kürzlich gelesen habe, auch im Piemont.

Und jetzt eben auch im Bordelais.

Gruß
Ulli
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innauen

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Re: Bordeaux 2012

BeitragDo 20. Dez 2012, 15:57

Hallo,

Rieussec zieht nach und macht es Yquem gleich. Wird wenig Sauternes dieses Jahr geben

http://www.decanter.com/news/wine-news/530727/chateau-rieussec-will-make-no-2012-vintage?utm_medium=twitter&utm_source=twitterfeed

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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