Rieke Riesling hat geschrieben:
Man kann aber im Wein den Zuckerfreien Extrakt messen. Und dein Jahr mit viel Regen bringt mehr Zuckerfreien Extrakt als ein Jahr mit wenig Regen.
Der
zuckerfreie Extrakt besteht neben Glyzerin zum Großteil aus den im Wein enthaltenen organischen Säuren, d.h. säurereiches Jahr = hoher zuckerfreier Extrakt. Und nasse Jahre sind meistens säurereiche Jahre.
Der analytische Parameter, der die Summe der anorganischen Bestandteile (vulgo "Mineralien") abbildet, ist der
Glührückstand, von Analytikern auch etwas flapsig als
Asche bezeichnet; der ist eine untergeordnete Teilmenge des zuckerfreien Extrakts. Auch die Asche wird in einem nassen Jahr ansteigen, aber vorwiegend, weil ein Teil der Säuren im Wein nicht frei vorliegt, sondern als Ionenpaar mit anorganischen Kationen. Heißt: Asche und Säuregehalt korrelieren positiv. Mehr Säure, mehr Asche.
Die Vorstellung, dass Pflanzen mehr "Mineralien" aus dem Boden aufnehmen, wenn das Angebot höher ist, ist naiver Unfug. Die Aufnahme von anorganischen Ionen aus dem Boden ist ein aktiver Prozess, der unter Energieverbrauch durch Transporterproteine vermittelt wird. Dieser Prozess ist
rückgekoppelt, das heißt, wenn die Pflanze das aufgenommen hat, was sie braucht, stoppt sie die weitere Aufnahme. Eine ungeregelte Aufnahme "nach Angebot" würde das physiologische Gleichgewicht auch empfindlich stören können, unter Umständen bis hin zur völligen Disruption. Pflanzen haben keine Niere, mit der sie die Homöostase erhalten können (einzige Ausnahme sind hochgradig salzresistente Pflanzen, die mitunter über Mechanismen verfügen, Salz aktiv auszuscheiden. Hier liegt aber eine Sondersituation vor, die auf den Weinbau nicht zutrifft).
Dass Aschegehalte im fertigen Wein dennoch unabhängig vom Säuregehalt variieren, ist im Wesentlichen in einer Reihe von Sekundärprozessen begründet, und diese können im Einzelfall sogar erst in der Vinifikation liegen, und gar nicht im Traubenmaterial.
Völlig abgesehen hiervon haben die anorganischen Mengenkomponenten im Wein, die den Geschmack durchaus beeinflussen können (das sind völlig nonvariant nur Kalium, Calcium und Magnesium) nichts mit dem zu tun, was landläufig als "Mineralität" bezeichnet wird. Das ist nämlich ein olfaktorischer bzw. retroolfaktorischer Eindruck, und der wird nur durch flüchtige Verbindungen vermittelt, nicht durch anorganische Komponenten.
Hier noch ein Link zu einer Fachpublikation, die mit Stand von 2015 zusammenfasst, was man über die Ursachen von "Mineralität" bislang weiß:
https://www.schneider-oenologie.de/down ... alitat.pdf
Die Schlussfolgerung ist etwas ernüchternd:
"Der gegenwärtige Stand der Kenntnisse erlaubt, eine lange Reihe von Faktoren als Ursache für ein mineralisches Aroma auszuschließen. Er gibt uns jedoch kaum Hinweise darauf, aus was es besteht."
Aber immerhin kann man ausschließen, dass "Mineralität" etwas mit Mineralien zu tun hat...
Gruß
Ulli