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Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Mo 9. Apr 2018, 23:18
von Gaston
Mein erster Wein des neuen Jahrgangs war wie so oft ein Grüner Veltliner. Überzeugen konnte er mich jedoch nicht.

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Leider ist die Apfelfrucht sehr dominant und dazu auch noch etwas künstlich wirkend, Stichwort Eisbonbon. Ohne diese für mich zu penetrante Frucht könnte das ein sehr angenehmer Wein sein. So habe ich eher ziemliche Mühe damit. Ich habe keine Ahnung wie bei der Domäne vinifiziert wird, und ich bin auch keineswegs ein Dogmatiker was den Einsatz von Reinzuchthefe angeht, aber dieser Wein schrammt nur knapp an jenen Tutti-Frutti-Aromahefe-Veltlinern vorbei, die eine Zeit lang im Weinviertel so in Mode waren. Für mich doch recht enttäuschend, auch wenn unter 10 Euro und (offenbar) Basiswein.

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 10. Apr 2018, 08:08
von EThC
Ich stelle immer wieder fest, daß dieser plakative Fruchtgeschmack von vielen Leuten, die nicht ganz so nerdig drauf sind wie wir, durchaus gemocht und auch gesucht wird. Da habe ich mich neulich erst bei der Bewertung des Lieblingsweins einer Bekannten unbewußt in die Nesseln gesetzt. Und auch die an sich besseren Kellereien bedienen häufig auch ganz bewußt diesen Geschmack mit diesen "Crowdpleaser"-Weinen. So jedenfalls meine Wahrnehmung. Da werden dann entweder Aromahefen eingesetzt oder es wird kaltvergoren oder beides. Die Masse will halt auch bedient werden...

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 10. Apr 2018, 11:53
von weingeist
Gaston hat geschrieben:Mein erster Wein des neuen Jahrgangs war wie so oft ein Grüner Veltliner. Überzeugen konnte er mich jedoch nicht.

Wie Du selbst schreibst, ein Basiswein. Wobei, da bin ich wiederum bei Dir, gerade ein Basiswein sollte vielleicht genau das Ergebnis zeigen, das man sich erwarten würde (hier also einen typischen, leichten Grünen Veltliner mit einem zarten Pfefferl).

Hier handelt es sich halt noch dazu um einen Basiswein einer doch größeren Genossenschaft, mit deren Weinen ich schon oftmals so meine Probleme hatte. Nicht nur bei den Basisqualitäten. Also sicher nicht als Referenzwert für den Jahrgang 2017 heranzuziehen, der, wenn man Winzern glauben will, eine sehr gute Qualität erbringen sollte.

Und das die Domäne Wachau, nicht einzelne Winzer, für den großen, weiten Markt produzieren, ist allgemein bekannt. Dafür passt dann wiederum die gefällige Stilistik, die Du beschreibst.

Wobei, einzelne Weine der Domäne, vor allem im oberen Qualitätssegment können schon einiges.

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 9. Okt 2018, 09:11
von Gerald
Am Montag, den 8. Oktober hatte ich die tolle Gelegenheit, bei der Präsentation der Lagensmaragde 2017 im Dachgeschoß des Wiener Hotels Sans Souci dabei zu sein. Mit Ausblick über die Wiener Innenstadt führten Weingutsleiter Roman Horvath und Kellermeister Heinz Frischengruber durch 5 Dreier-Flights, beginnend mit drei Veltliner-Smaragden und drei Riesling-Smaragden aus dem heißen und trockenen Jahr 2017.

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Erfreulicherweise weist der Jahrgang schöne Säurewerte auf, dazu zeigen sich die Weine sehr ausdrucksvoll und die verschiedenen präsentierten Lagen auch gut differenziert. Sowohl beim Veltliner als auch beim Riesling waren besonders die Weine aus der Weißenkirchener Lage Achleiten ganz anders als ihre "Kollegen" (Kirnberg und Kellerberg beim Veltliner, Singerriedel und Kellerberg beim Riesling), recht verschlossen mit eher "dunklen" Aromen fast ohne die typischen Frucht- oder Würzenoten ihrer Rebsorten. Die Achleiten-Weine haben ohnehin den Ruf, länger zur Entwicklung zu benötigen, aber dafür auch besonders langlebig zu sein.

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Als nächstes folgte ein Flight mit der "backstage"-Serie, was man mehr oder weniger als "Experimentalweine" bezeichnen kann: der dichte und ausdrucksvolle Rosé 1805 Reserve, der sich eher an einem Veltliner oder Riesling Smaragd orientiert denn an einem frisch-fruchtigen Rosé-Sommerwein. Weiters der Müller Thurgau "MTX" (2016) aus dem Beton-Ei, sauber und schön, wenn auch für mich ein wenig unspektakulär. Schließlich der Riesling aus der Amphore (ebenfalls 2016) mit sehr intensiven, ungewöhnlichen Noten (exotische Früchte, Kosmetik, Hagebuttentee) und kräftigen Tanninen. Anschließend ein sehr schön gereifter Altwein (Riesling Smaragd Achleiten 2001), der Rote Traminer Reserve 2017 - zählt für mich zu den interessantesten Traminern überhaupt, da er im Unterschied zu vielen anderen Vertretern der Rebsorte frisch, durchaus säurebetont und nicht zu körperreich ist. Schließlich noch ein gemischter Satz aus teilweise gar nicht mehr identifizierbaren Rebsorten und zwei Süßweine (Grüner Veltliner VDN im Stil eines weißen vin doux naturel sowie die Beerenauslese Terrassen).

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Während der Präsentation gab es auch aktuelle Neuigkeiten aus dem Weingut. In punkto Umweltschutz und Nachhaltigkeit ist einiges weitergegangen, mittelerweise sind alle Herbizide verbannt, Insektizide werden ohnehin schon lange nicht mehr eingesetzt. Ein steigender Anteil der Mitgliedsbetriebe arbeitet bereits nach biologischen Richtlinien, was auch durch das Bonitursystem gefördert wird.

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Zum Jahrgang 2018 wurde angemerkt, dass trotz sehr frühem Vegetationsbeginn und hohen Temperaturen letztendlich die Lese später als allgemein erwartet anstand, was sich positiv auf die Aromatik und Frische auswirken müsste. Auch die Säurewerte dürften höher als anfangs befürchtet ausfallen, insgesamt rechnet man mit einem gar nicht so untypischen Jahrgang.

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 9. Okt 2018, 10:01
von austria_traveller
Sehr interessant. Danke !

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 9. Okt 2018, 11:14
von EThC
...wäre wirklich schön, wenn die Sachen nicht so breit ausfallen, wie das im Donauraum in 2015 und -für mich erstaunlich- auch in 2016 bei nicht wenigen Häusern so der Fall war...

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 9. Okt 2018, 11:32
von Gerald
Hallo Erich,

"breit" sind mir die von mir probierten 2015er eigentlich meistens nicht vorgekommen, nur manchmal etwas kantig am Gaumen, was mich persönlich aber nicht stört. Kommt aber natürlich auf den einzelnen Winzer an, gerade bei so ungewöhnlich heiß/trockenen (mit dem Klimawandel aber bald wahrscheinlich "ganz normalen" :? ) Jahren ist die Streuung sicher besonders hoch.

Mit 2016 hingegen habe ich eher meine Schwierigkeiten gehabt, viele Weine waren irgendwie ausdruckslos und langweilig. Vielleicht brauchen sie aber auch nur länger, keine Ahnung.

Grüße,
Gerald

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 9. Okt 2018, 14:09
von Dilbert
Hallo Gerald,

danke für die Infos! Habe ich mit Interesse gelesen.

Für mich haben die GV- und Riesling-Smaragde der Domäne ein sehr gutes PGV. Deshalb immer wieder gerne genommen, wenn wir zu Gast in Österreich sind.

Gruß,
Jochen

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 9. Okt 2018, 17:50
von weingeist
EThC hat geschrieben:...wäre wirklich schön, wenn die Sachen nicht so breit ausfallen, wie das im Donauraum in 2015 und -für mich erstaunlich- auch in 2016 bei nicht wenigen Häusern so der Fall war...
Hallo Erich, solche "Pauschalfeststellungen" finde ich immer wieder gut.... :? Somit beim "Nachkauf" 0/3 - oder ? ;) Ansonsten bin ich dazu eher bei Geralds Meinung.

@Gerald - Danke für Deine Eindrücke von der Präsentation, auch wenn ich nicht gerade ein inniger Freund der Domäneweine (von einzelnen Ausnahmen abgesehen) bin. Und dass sie unbedingt auf den Zug "Amphorenweine" und Ausbau von Weinen im Beton-Ei aufspringen mussten, wird wohl dem Marketing und dem Mainstream geschuldet sein.

Re: Domäne Wachau

BeitragVerfasst: Di 1. Jan 2019, 18:05
von Gerald
Im Unterschied zu manchen anderen Wachauer Betrieben wird bei der Domäne nicht nur den Smaragden, sondern auch den Federspiel-Weinen sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt, es gibt auch viele Federspiele von Einzellagen. Nachdem ich dieses Jahr (oops, ist ja inzwischen schon das Vorjahr - 2018 ;) ) aufgrund der für mich unerfreulichen Rückkehr zum Naturkorken gar keine Lagensmaragde mehr gekauft habe, konnte ich mich besser den Federspielen widmen. Besonders die Federspiele aus Einzellagen können sich - zumindest nach meinem Empfinden - in der Komplexität durchaus mit den Lagensmaragden messen und kosten dazu weniger als die Hälfte. Gut, höchstwahrscheinlich ist die Lagerfähigkeit der Smaragde besser, aber gerade dieser Aspekt wird ja durch die Varianzen des Naturkorks in Mitleidenschaft gezogen.

Begonnen habe ich mit den Veltlinern, die Rieslinge folgen in Kürze.

Der "Ortswein" aus Weißenkirchen hat mich dieses Jahr nicht restlos begeistert, hier gab es schon viel schönere Jahrgänge:

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Durchwegs sehr attraktiv und auch sehr unterschiedlich hingegen die Lagen-Federspiele vom Veltliner:

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Und auch die Beerenauslese macht eine sehr gute Figur. Im Moment ist der einzige kleine "Makel", dass Süße und Säure noch nicht richtig integriert sind, trotz guter Säurewerte wirkt die Süße etwas aufdringlich. Ich denke aber, dass sich das mit etwas Reife legen wird, dann wird das ein wirklich toller Süßwein.

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Grüße,
Gerald