Meine vorsichtigen Tastversuche in Richtung Österreich haben mich bisher weder für die Wachau noch für Riesling erwärmen können: zu breit, zu mächtig, zu undefiniert, war mein vorläufiges Urteil, und so wandte ich mich erstmal Anderem zu und wurde in der Steiermark (weiß) und im Burgenland (rot) fündig.
Aber wenn vorläufige Urteile auf so mundwässernde
Notizen wie Ullis treffen, gehören sie hinterfragt, zumal Prager für mich noch ein unbeschriebenes Blatt war. Und weil es sich so anbot, habe ich gleich noch zum Vergleich den Jahrgangsvorgänger besorgt und beide über die letzten 3 Tage parallel verkostet:
Prager, Klaus Smaragd 2020 & 2021
Riesling
Bei nicht so tollem Licht erscheint mir der
2020er hellgoldgelb. Die Nase ist sehr zurückhaltend. Was sie preisgibt, ist eher reif und gelbfruchtig, dennoch straff und mineralisch. Am Gaumen ist dann deutlich mehr los: Steinfrucht gelb und weiß, reife Zitrone, Grapefruit (herb). Kräuterwürze. Unterschwellig etwas CO₂. Bei trockenem Charakter minimal klebrig?
2021 ist etwas heller; fahlgelb würde ich sagen. Die Nase ist im Vergleich wesentlich intensiver: kühl, weißfruchtig, ein klein' wenig Gletscherbonbon. Am Gaumen üppig, ohne breit zu sein. Sehr reife Zitrone. Geringfügig mehr Säure (wieder etwas CO₂), vielleicht auch ein Hauch mehr RZ? Wieder weißfruchtig (Nashi). Lange nachklingend zitrisch.
[+1d] Die Nase des
2020ers zeigt heute denselben Grundcharakter, aber
wesentlich höhere Intensität mindestens auf Augenhöhe mit dem jüngeren Bruder. Dunkel und erdig, Abgang deutlich herb, aber angenehm. Kakao?! (Nase Pulver, Gaumen Getränk)
2021 zeigt weiterhin ein bißchen Gletscherbonbon und scheint nicht knochentrocken zu sein. Heute angedeutet dunkelgelb bis hellorange (Mandarine, Mango).
[+2d]
2020 vielleicht
noch erdiger und würziger - aber immernoch alles andere als breit, und sehr balanciert dabei. Im Abgang leicht zunehmende Herbe, aber nicht unangenehm.
2021 ist (farblich und metaphorisch) heller, auch charmanter, und hat etwas frischere Säure. Klar weißfruchtig. Ebenfalls kräuterig, aber viel verhaltener als 2020. Die Herbheit im Abgang ist gerade eben angedeutet.
Was an minimalem CO₂ da war, ist inzwischen bei beiden ausgegast. Und auch der ganz leicht süße Eindruck hat sich verflüchtigt, wenngleich sie weiterhin nicht knochentrocken scheinen. Kennt irgendjemand zufällig die Werte für Restzucker und Säure?
So, da geht's dahin, mein Vorurteil - eingestampft und runtergespült.
Großartige Weine sind's, beide!
Trotz gleicher Machart, sind sie in ihrem Charakter
so unterschiedlich, für mich aber qualitativ auf Augenhöhe. Sie zeigen eine tolle Balance und sind zugänglich, wobei 2020 deutlich mehr Ecken und Kanten zeigt, während 2021 im Vergleich eher durch strahlenden Charme brilliert. Sicher sind sie auf der kraftvollen, gar leicht opulenten Seite, dabei aber nie auch nur andeutungsweise breit, und das hebt sie vom Gros meiner wenigen vorherigen Wachau-Erfahrungen gewaltig ab. "Fast sehnig, rasiermesserscharf definiert" (Ulli) würde ich sie zwar nicht nennen, und gerade im direkten Vergleich drängt sich mir "tiefe Mineralik" beim 2021er nicht direkt auf, aber:
UlliB hat geschrieben:[Der Wein] demonstriert eindrucksvoll, dass gängige Klischees über Wachauer Smaragde ("barock und dick") eben nur das sind: ein Klischee.
Danke für diesen wunderbaren Trigger, Ulli!
...und heuteabend beginnt dergleiche Pas de Deux mit dem GV Achleiten Stockkultur.