Absatzrückgang Wein

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Gerald
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Absatzrückgang Wein

Beitrag von Gerald »

Neue Studie - zwar nicht explizit auf Wein bezogen, sondern auf alkoholische Getränke allgemein - die den Produzenten wohl wenig Freude machen wird: 71% der Konsumenten in den größten Märkten Europas haben im letzten Jahr ihren Konsum reduziert. Und fast 25% der jüngeren Generation trinkt gar keinen Alkohol mehr.

https://www.circana.com/post/71-of-euro ... nds-to-ret

Ich schätze, die Absatzkrise wird in der nächsten Zeit das Hauptproblem in der Weinwirtschaft werden ...

Grüße
Gerald
Lars Dragl
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von Lars Dragl »

Hallo Gerald!

Im bayrischen Rundfunk (BR24) gab es diese Woche das zu hören:

https://www.br.de/nachrichten/bayern/fr ... st,UywkXIG

Die Absatzprobleme sind jetzt schon recht groß und die Krise längst da.

Schönes WE

Lars
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EThC
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von EThC »

...mich würde ja mal interessieren, ob es dazu auch differenziertere Aussagen gibt, d.h. welche Bereiche des Weinbaus wie stark von den Rückgängen betroffen sind. Gefühlt würde ich sagen, daß die "low level"-Qualitäten mehr betroffen sind als der ambitioniertere Weinbau, der ja eher unser Thema ist. Insofern bin ich aktuell bzgl. meiner persönlichen Versorgungslage recht entspannt.
Das ist natürlich für die betroffenen, vermutlich eher kleineren Winzer stark unschön, aber wenn man eh schon "nahe 0" arbeitet, ist ein Ende mit Schrecken vermutlich besser als ein Schrecken ohne Ende. Und Marktwirtschaft ist halt nun mal nichts Statisches...
Viele Grüße
Erich

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UlliB
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von UlliB »

EThC hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 10:06 Gefühlt würde ich sagen, daß die "low level"-Qualitäten mehr betroffen sind als der ambitioniertere Weinbau, der ja eher unser Thema ist.
Das glaube ich nicht. Die Krise hat inzwischen die ganze Breite des Marktes erreicht.

Wir waren gerade zwei Tage in Franken. Dort wurde uns berichtet, dass überall Parzellen zur Nullpacht angeboten werden, auch in solchen Lagen, die vom VDP als "Erste Lage" oder "Große Lage" klassifiziert sind - und keiner will diese Parzellen haben, weil niemand auch nur die geringste Chance sieht, zusätzliche Mengen zu verkaufen, ganz unabhängig von der Qualität. Einige größere und renommierte Betriebe haben angekündigt, in erheblichem Umfang Fläche zu roden.

In Bordeaux sinken im klassifizierten Bereich die Preise seit zwei Jahren, und das nicht nur im Primeurgeschäft, sondern auch im Sekundärmarkt, und die Weine liegen wie Blei. Das liegt nicht nur daran, dass Bordeaux ein Imageproblem hat, sondern daran, dass der Markt auch in diesem Segment inzwischen völlig übersättigt ist. Über andere Gegenden, wo Weine im selben Preisbereich produziert werden, wird nur weniger berichtet, aber ich bin sicher: das sieht da nicht viel anders aus.

Dazu passt auch ein Interview von Lobenberg jr., das hier im Forum irgendwo verlinkt war. Der hat von Einbrüchen in allen Marktsegmenten berichtet, mal mehr, mal weniger - und Lobenberg bedient überhaupt nicht das "low Level"-Sortiment. Ein bekannter Nürnberger Händler hat vor kurzem in einer Aussendung das selbe geschrieben.

Diejenigen, die ambitionierten Weinbau betreiben und höhere Preise nehmen, halten vielleicht etwas länger durch. Erwischen wird es viele von denen am Ende doch. Das Mantra "raus aus dem Massenmarkt, Qualität produzieren und höhere Preise nehmen" funktioniert nicht mehr.

Es ist sicher, dass sich die Krise sich weiter verschärfen wird. Offen ist nur, wie sehr.

Gruß
Ulli
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EThC
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von EThC »

UlliB hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 10:52 Dort wurde uns berichtet, dass überall Parzellen zur Nullpacht angeboten werden, auch in solchen Lagen, die vom VDP als "Erste Lage" oder "Große Lage" klassifiziert sind - und keiner will diese Parzellen haben, weil niemand auch nur die geringste Chance sieht, zusätzliche Mengen zu verkaufen, ganz unabhängig von der Qualität.
...ich habe ja nicht geschrieben, daß die ambitionierten Sachen von einer Marktbereinigung verschont bleiben, da werden sicher auch Federn gelassen. Nur nach meiner -allerdings völlig unbelegten- Vermutung weniger als im unteren Qualitätssegment, denn da kommt erschwerend hinzu, daß das Preisegment < 4 Euronen / Flasche durch ausländische Weine gekapert wird. Deshalb würden mich differenziertere Aussagen dazu schon interessieren.
UlliB hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 10:52 Das Mantra "raus aus dem Massenmarkt, Qualität produzieren und höhere Preise nehmen" funktioniert nicht mehr.
...das ist allerdings unbestritten!
Viele Grüße
Erich

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Gerald
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von Gerald »

Interessant aber auch die Aussage in der zitierten Studie
Consumers cite being ‘more refreshing’ (55%), ‘healthier with plant-based ingredients’ and ‘tasting better’ (27%), ‘better for me’ (22%) and ‘fits my lifestyle (21%) as the main reasons for switching from alcohol to alternatives such as functional drinks, protein-based beverages, kombucha, and mood-enhancing no/low-alcohol options.
Also nicht ausschließlich - wie sonst immer behauptet - gesundheitliche Gründe, die vor allem jüngere Konsumenten zur alkoholfreien Alternative greifen lassen. Wenn alkoholfreie Getränke (hier tut sich ja in letzter Zeit sehr viel abseits von den gewohnten, überzuckerten Softdrinks) der jüngeren Generation einfach besser schmecken, dann ist der Weinbau in der aktuellen Form wohl bald Geschichte.

Persönlich kann ich nur sagen, als ich vor allem im Sommer öfters alkoholfreie Weine getrunken habe und dann wieder einen "richtigen" Wein im Glas gehabt habe, ist mir beim ersten Schluck der Alkohol fast schon unangenehm "brennend" vorgekommen. Wein ist ja schließlich ein "acquired taste", der fast niemand beim ersten Kontakt schon richtig gut schmeckt. Wer sich also einmal vom Wein abgewendet hat, kommt wahrscheinlich nicht mehr zurück ...

Grüße
Gerald
JPO
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von JPO »

Aber wird der Getränkekonsum deswegen gesünder? Der Konsum von Energydrinks nimmt kontinuierlich zu, der Konsum von Funktionalität Drinks ebenso. Viel Koffein, viel Zucker, viel Chemie. Das gesündeste Getränk, Mineralwasser, scheint über die letzten 10 Jahre auch keine steigende Tendenz aufzuweisen.

Krass finde ich übrigens, welch unterschiedliche Statistikaussagen es gibt im Internet, wenn man googelt. Beim Journal Onkologie wird der Weinkonsum zwischen 2008 und 2021 mit 20,7 Liter pro Kopf sehr stabil dargestellt, während er bei 8wine.de von 2010 bis 2024 kontinuierlich stark rückläufig ist von 20,6 auf 1,8 Liter pro Kopf.
Nora
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von Nora »

Interessant fand ich dieses Interview Anfang des Jahres aus der Podcast-Reihe "Genuss im Bus" dazu:

https://www.wolfgangstaudt.com/blog/wei ... one-loose/

VG Nora
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Gerald
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von Gerald »

Na ja, gerade in der gehobenen Preisklasse tut sich doch einiges, neben alkoholfreien Weinen auch "sparkling tea", "pet nat tea" und Ähnliches mit meist recht wenig Zucker und keinem oder nur ganz wenig Alkohol.

Und
während er bei 8wine.de von 2010 bis 2024 kontinuierlich stark rückläufig ist von 20,6 auf 1,8 Liter pro Kopf
klingt tatsächlich etwas merkwürdig, vielleicht ist da die Dezimalstelle verrutscht (18,0 oder so Liter klingt schon plausibler).

Grüße
Gerald
la-vita
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von la-vita »

Wenn alkoholfreie Getränke (hier tut sich ja in letzter Zeit sehr viel abseits von den gewohnten, überzuckerten Softdrinks) der jüngeren Generation einfach besser schmecken, dann ist der Weinbau in der aktuellen Form wohl bald Geschichte.
Für die betroffenen Hersteller ist das sicher nicht schön. Aber langfristig sehe ich das entspannter. Der Weinbau schaut auf eine 7000 jährige Geschichte zurück. Ich bin mir sicher, dass solange Menschen die Erde besiedeln, die Menschen auch Wein trinken werden. Ob es in 7000 Jahren noch die heutigen künstlichen Getränke gibt bleibt abzuwarten. Man muss bedenken, dass der Geschmack der Jugendlichen heutzutage massiv durch Social Media, Influencer und Werbung beeinflusst ist. Wenn man wollte, könnte man genauso gut einen Weinhype auslösen. Aber den hatten wir ja die letzten beiden Dekaden davor. Es bewegt sich alles in Wellen. Momentan ist Weintrinken halt nicht mehr so in wie davor. Aber wo sollen die Jugendlichen denn auch noch mit Ess- und Trinkkultur in Berührung kommen? Die Gasthauskultur stirbt in Deutschland aus. Überall Systemgastronomie. Da passt am besten Cola dazu. Wie schade.

Nachdenkliche Grüße
Detlef
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