Portugal-Weinprobe in Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe
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Portugal-Weinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

letzten Freitag trafen sich wieder im Rahmen meiner VHS-Weinproben einige neugierige Weinliebhaber, um ein Spektrum an weißen und roten Weinen aus Portugal zu verkosten. Die Weine wurden wie immer blind verkostet mit anschließender sofortiger Auflösung. Insgesamt waren 15 Weine am Start (4 x weiß, 11 x rot), bei denen auch kein (Kork-)Ausfall zu beklagen war.

Angenehm überraschen konnten auf jeden Fall die 4 Weißweine, die sich durchaus unterschiedlich in der Stilistik zeigten:

2023er Alvarinho "QM" Vinho Verde DOC (Quinta dr Melgaco) -Vinho Verde-
Ausbau im Edelstahl--12,5 Vol%--S: 6,4--RZ: 1,2--
Optisch ein helles Zitronengelb, extrem saubere und klare Nase mit deutlicher, aber nicht übertriebener Fruchtausrichtung, Agrumen, Stachelbeere, Mango, am Gaumen wirklich trocken, aber saftig mit stimmiger Säure, perfekt ausgewogen, ganz dezente Mineralik, mittellanger, fruchtbetonter Abgang. Everybodys darling, aber mit schon etwas Anspruch. Stammt aus einem gut arbeitenden Genossenschaftsbetrieb mit moderner Kellertechnik.
Knapp 14 EURO im Handel.

2021er "Magma" Verdelho Acores IG (Adegas Coop. Dos Biscoitos, Terceira) -Azoren-
Auf den Wein war ich sehr gespannt, da ich meines Wissens nach noch keinen Azorenwein bisher probiert habe. Der Wein stammt aus der örtlichen Cooperative der Insel Terceira, wurde aber in Zusammenarbeit mit dem Starönologen und "Mr. Vinho Verde Anselmo Mendes" vinifiziert, was Gutes erwarten ließ. Die Erwartung wurde nicht enttäuscht: schon optisch ein leichter Goldton, sehr spannende und animierende Nase mit dezenter Verdelho-Frucht (reife Stachelbeere mit einem wirklich nur winzigen Hauch Waldmeister), sehr viel Mineralik, man spürt direkt die salzige Gischt des Meeres in unmittelbarer Nähe, Hauch Jod, am Gaumen komplett trocken mit stimmiger Säure, ein Tick Altholz, zarter und angenehmer Hauch von Oxidation, nur mittelgewichtig (12 Vol%), angenehm dezente Fruchtausprägung, hier wieder viel salzig-jodige Mineralik, der Wein zeigt zu 100%, unter welchen extremen Wetter- und Terroirbedingungen die Trauben gewachsen sind. Faszinierender Wein mit viel Charakter. Berechtigte knapp 26 EURO im Handel.

2021er Vinho Branco Regional Duriense (Quinta da Pedra Escrita) -Douro
Landwein-Cuvee aus dem östlich gelegenen und relativ warmen Douro Superior-- 30% Verdelho/ 30% Rabigato/ 20% Alvarinho/ 20% Viognier-- 6 Monate teilweise neues Barrique--Granitboden--Weinberg 575 m über NN--biozertifiziert-- Inhaber: Rui Roboredo Madeira--18,5 ha-Familienbetrieb--
zartes Gelbgold, sehr feine und elegante Nase mit gekonntem Holzeinsatz ala Bourgogne, zarte Gelbfrucht, perfekt ausgewogen, am Gaumen trocken mit etwas Extraktsüsse, zarte Säure, dosierter Holzeinsatz, absolut kein Blockbuster (13 Vol%), in sich ruhend, überraschend langer, ebenmäßiger Abgang. Der Wein erinnert trotz völlig anderer Rebsorten an einen hochwertigen Chardonnay aus dem Burgund, das ist schon verdammt gute Qualität, wenn man bedenkt, dass der Wein im hiesigen Handel gerade mal knapp 18 EURO kostet. Das ist verdammt viel Wein fürs Geld ! Wenn man doch etwas meckern will, könnte man anmerken, dass er fast zu "burgundisch" ausgefallen ist und in einer Blindprobe schwer zu verorten ist. Qualitativ gibt es hier aber absolut nichts auszusetzen ;)

2021er "Permitido" Vinho Branco Douro DOC (Marcio Lopes, Vilanova de Gaia) -Douro-
Die Trauben stammen ebenfalls aus dem Douro Superior----Einzellagen-Weinberg auf 800 m über NN--Weinberg 1896 (!) bepflanzt--typischer Fieldblend (gemischt gepflanzter Satz aus wohl über 20 verschiedenen indigenen Rebsorten)-- Produktion ca. 1.000 Flaschen-- 13 Vol%--
Den Wein kannte ich schon aus dem Vorgänger-Jahrgang und er hat mich wieder geflasht. Für mich klar einer der besten Weißweine Portugals, wobei ich sicherlich nur einen Bruchteil der dort produzierten Weine kenne. Der Wein hat ganz große Klasse, aber Achtung: "Fruchttrinker" sollten die Finger von diesem Wein lassen: zartes Strohgelb, schon in der Nase "brutale" ;) Mineralität, nur angedeutete Gelbfrucht, Kräuternoten, Hauch Feuerstein (aber keine Reduktion), am Gaumen furztrocken, saftige Säure, der Wein täuscht zunächst eine Zugänglichkeit vor, das ist aber nur Tarnung, dann schlägt die mineralische Peitsche zu, salzig, steinig, kräutrig, ätherisch, etwas Gerbstoff-Grip, aber nicht zuviel, ganz dezente Frucht in Richtung Birne und Quitte, sehr komplex, dicht und lang. Großartiger Weißwein, sicherlich nicht für jeden, der mich trotz gänzlich anderer Rebsorten von der Mineralität her an einen weißen Corton-Charlemagne erinnert. Toller, sehr hochwertiger Weißwein zu einem noch erschwinglichen und sehr berechtigten Preis (ca. 38 EURO im hiesigen Handel). Wer stark mineralisch geprägte Weißweine liebt, sollte diesen weißen Douro mal probiert haben !

Sehr interessant, vier völlig verschiedene weiße Portugiesen, die dennoch alle Spass gemacht haben.

Fortsetzung mit den 11 Rotweinen folgt in Kürze !

LG
Bodo
weinaffe
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Re: Portugal-Weinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

... und weiter geht es mit den Rotweinen aus Portugal:

2019er "Euphoria" Vinho Regional Algarve (Convento do Paraiso, Silves) -Algarve-
Gemeinsames Projekt der Familien Coutinho und Soares auf 12 ha Rebfläche-- Cuvee aus Touriga Nacional, Aragonez (=Tempranillo) und Sousao---9 Monate Fassausbau--14,5 Vol%--
Kräftiges Rubinrot, geht nasenmäßig in eine reife Dunkelfrucht-Richtung, vor allem reife Pflaume, Süsskirsche und Brombeere, dezent Holz, wirkt sehr kraftvoll, fast schon opulent, am Gaumen zwar trocken, aber durch den kräftigen Alkohol und die intensive Frucht eine Süsse vortäuschend, passende Säure, der Alkohol ist leider schon deutlich spürbar, etwas zartbittere Gerbstoffe, sehr reife Fruchtausprägung, wuchtig, wenig Finesse, mittellanger, fruchtig-wuchtiger Abgang. Der Wein ist gut gemacht, aber als Solist schon etwas anstrengend. In Verbindung mit kräftigem Essen kann der Wein eigentlich nur gewinnen. Wer kräftige, mediterrane Weintypen mit Wumms mag, wird diesem Wein etwas mehr abgewinnen können. Ordentliche Qualität zu einem noch angemessenen Preis (ca. 16 EURO im Handel).

2019er Quinta de Chocapalha Vinho Regional Lisboa (Sandra Tavares, Aldea) -Lisboa-
Cuvee aus 40% Touriga Nacional, 29% Tinta Roriz (= Tempranillo), 18% Castelao, 8% Alicante Bouschet (Färbertraube) und 5% Touriga Franca--stammt aus dem elterlichen Weingut der Starönologin Sandra Tavares-- 14 Vol%--
Teilweise ähnliche Rebsorten wie beim Vorgänger, aber auf einem höheren Niveau. Kräftiges Rubin, etwas feinere und elegantere Nase, reife Kirsche, Brombeere, nur ein Hauch pflaumig, etwas ätherisch-kräutrig, am Gaumen trocken, fleischig-kraftvoll, deutlich feineres Tannin, Alkohol leicht spürbar, hat Fülle und Extrakt,dezenter Holzeinsatz, dunkelfruchtig, Hauch likörig, aber dank stimmiger Säure in der Spur, mittellanger, fruchtig-würziger Abgang. Ein gelungener, sehr typischer Rotwein aus dem Dunstkreis der Hauptstadt, vor allem, weil der Wein ein wirklich gutes Preis-/Leistungsverhältnis besitzt (ca. 13 EURO im hiesigen Handel). Kein großes Kino, aber ein Wein für den Einstieg in die Welt kraftvoller, portugiesischer Rotweine.

2016er Quinta de Saes Dao DOC Reserva (Quinta da Pellada, Pinhancos) -Dao-
Cuvee aus Touriga Nacional, Alfrocheiro und Tinta Roriz--12 Monate Barriqueausbau--Granitboden--13 Vol%--
Das ist jetzt eine total andere Weinwelt, was sicherlich an anderen klimatischen Bedingungen, aber vor allem am anderen Winemaking liegt. Hier ist Alvaro Castro am Werk, vielleicht der wichtigste Protagonist der Dao-Region. Hier wurde sicherlich nicht die letzte Reife gesucht, der Wein wirkt wesentlich feiner und kühler. Farblich schon etwas durchscheinendes Rot, in der Nase ätherische Kühle mit knapp reifer Dunkelfrucht, komplex-würzig (etwas Tabak, Unterholz, frische Pilze), im Mund eine Mischung aus Frische und angenehmer Reife, gut strukturierende Säure, feinkörniges Tannin, elegante Dunkelfrucht (Sauerkirsche,Cassis), ätherische Kühle, etwas heller Tabak, perfekter Holzeinsatz, gute Länge. Für mich ist das "Bourgogne" made in Portugal, auch wenn der Vergleich aufgrund völlig verschiedener Rebsorten hinkt. Gefällt mir sehr, die aufgerufenen 22 EURO im Handel sind durchaus fair.

2021er "Aneto" Pinot noir Vinho Regional Duriense (Quinta do Paco, Regua) -Douro-
12 Monate Barrique (überwiegend gebraucht)-- Weinberg auf 550 m über NN--13 Vol%--Winemaker Francisco Montenegro--
Klar, Pinot noir ist für alle Winemaker dieser Welt der "heilige Gral" und die ultimative Herausforderung ;) Aber kann das gutgehen ? Der Kühle liebende und sensible Pinot noir in einem solch warmen Klima wie am Douro ? Gefasst war ich auf einen vielleicht interessanten und in seiner Art guten Wein, der aber dennoch mit einem guten deutschen PN oder gar dem Original aus der Bourgogne wohl überhaupt nichts zu tun hat. Da habe ich mich aber gründlich getäuscht: schon in der Nase absolut typisch mit kühler Kirschfrucht, etwas Himbeere, Hauch Sousbois, etwas kräutrig, feine Ätherik, perfekter Holzeinsatz, elegant mit Finesse, kühler, aber reifer Sortentyp. Auch am Gaumen trocken, feine Säure, durchaus etwas Extrakt, kräutrig, reife, aber nicht überreife Kirsche, Spur Himbeere, frische Pilze, etwas Kräuter, saftiger, eleganter Abgang mit langer, retronasal wiederkehrender Aromatik. Wenn man weiss, aus welcher Ecke dieser Pinot stammt, kann man nur den Hut vor dem Winemaker ziehen, der diese Rebsorte perfekt verstanden und in Szene gesetzt hat. Wenn mir jemand diesen Wein "blind" als hochwertigen deutschen PN oder sogar Bourgogne "verkauft" hätte, wären bei mir keine Zweifel aufgekommen. Wenn ihr mal eine PN-Blindprobe machen wollt, das wäre ein richtig "fieser" Pirat :lol:
Auch der Preis (knapp 23 EURO im Handel) ist mehr als angemessen.

2012er Alfrocheiro Dao DOC (Quinta de Lemos, Silgueiros) -Dao-
der Kontrast dieses reinsortigen Dao-Weines zu der Dao-Cuvee der Quinta de Saes könnte kaum größer sein: fast pechschwarze Farbe, kräftige Dunkelfrucht, dezent röstiges Holz (18 Monate Barrique), angenehme Reife mit ganz dezenter Oxidation, die für etwas Komplexität sorgt, schon in der Nase sehr kraftvoll, am Gaumen trocken mit einiger Extraktsüsse, passende Säure, etwas abgeschmolzenes Tannin, vollreife Herzkirsche, etwas Himbeere und Granatapfel, viel Extrakt, die 14,5 Vol% sind überraschend gut eingebunden, ein fast wollüstiger Wein, der dennoch in der Spur bleibt, langer, fruchtig-würziger Abgang. Der Wein sollte aufgrund der dezenten Oxidationnoten besser jetzt getrunken werden. Für Liebhaber kraftvoll-fruchtintensiver Weine mit einem gewissen Anspruch eine sehr gute Wahl. Knapp 23 EURO im Handel.

2017er Vinho Regional Alentejano (Quinta do Mouro, Estremoz) -Alentejo-
Im heißen Klima des Alentejo wachsen nicht nur Korkeichen und Olivenbäume, sondern auch weisse und rote Trauben, die interessante Weine hervorbringen können. Die Quinta do Mouro (Landgut der Mauren) gehört auf jeden Fall zu den renommiertesten Vertretern der Alentejo-Erzeuger moderner Schule. Cuvee aus Aragonez (=Tempranillo), Alicante Bouschet, Touriga Nacional und Cabernet Sauvignon--Barriqueausbau--14 Vol%--
Optisch ein blickdichtes Schwarz-Rot, in der Nase zunächst etwas verhalten, blüht unter Lufteinfluss deutlich auf, kraftvoll und extraktreiche Anmutung, reife, dunkle Früchte, etwas Holzwürze, Tabak, etwas Leder, Graphit, sehr einladendes Bouquet, auf der Zunge trocken mit deutlicher Extraktsüsse, passende Säure, die den Wein in Spur hält, feinkörniges Tannin für die Struktur, eleganter Holzeinsatz, reife Früchte, sehr dicht, der Alkohol ist gut verpackt, einige Länge. Ein sehr hochwertiger, kraftvoller Weintyp, der durchaus ein wenig an Ribera del Duero oder Priorat erinnert.
Absolut perfekt vinifiziert. In einer Blindprobe jedoch auch aufgrund seiner international wirkenden Stilistik schwer zu verorten. Ca. 33 EURO im Handel.

Fortsetzung folgt mit den fehlenden 5 Rotweinen in Kürze. Stay tuned!

LG
Bodo
Sauternes
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Re: Portugal-Weinprobe in Würzburg

Beitrag von Sauternes »

Vielen Dank für die interessanten Verkostungsnotizen.
Portugal Weine sind immer mal wieder überraschend und spannend, ich mag diese sehr.
Leider sind sie hier im Forum wenig präsent, um so schöner doch mal etwas davon zu lesen, und dann auch noch so ausführlich, toll :) .

Gruß Heiko
bordeauxlover
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Re: Portugal-Weinprobe in Würzburg

Beitrag von bordeauxlover »

+ 1
weinaffe
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Re: Portugal-Weinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

Danke für die Rückmeldungen ! Ich bin nun auch nicht gerade der große Portugalspezialist, freue mich aber immer wieder, mit Bekannten und Freunden einen solch geballten "Rundumschlag" in Sachen Portugiesischen Weines machen zu können. Überhaupt ist es schön, dass neben viel Kompetenz bei Bordeaux, Deutschland und Österreich in diesem Forum noch "Spezialisten" zugange sind, die auch nicht so häufig bespielten Ländern und Gebieten eine "weintechnische" Stimme geben. Beispielhaft seien hier Michael (mixalhs) für griechische Weine, Ralf (Olifant) für Südtirol und restliches Italien, Torsten (thvins) für das Priorat, Hasi für Brunello und Erich (EThC) für alles "Schräge" und "Anti-Mainstreamige" ;) genannt. Da kann man auf jeden Fall immer was dazulernen.

Doch zurück zu den fehlenden Rotweinen aus Portugal:

2018er Vinha Pan" Vinho tinto Bairrada DOC (Luis Pato, Anadia) -Bairrada-
Einzellagenwein-- 100% Rebsorte Baga--12,5 Vol%--
Luis Pato (übersetzt Ente, daher die Ente auf dem Etikett) ist sicherlich die graue Eminenz des Bairrada-Rotweines, der fast im Alleingang das Gebiet und die empfindliche Baga-Rebe bekannt gemacht hat. Parallellen zu den Rebsorten Nebbiolo oder Aglianico sind sicherlich sehr gewagt; Fakt ist aber, dass die beiden genannten Rebsorten wie auch die Baga-Rebe nur in der angestammten Heimat richtig reüssieren und sonst nirgendwo ernsthaft angebaut werden oder erfolgreich sind.
Luis Pato weiß aber mit dieser Rebe umzugehen: nicht viel mehr als Pinotfarbe, durchscheinendes Rubin, sehr elegante, kühle und vielschichtige Nase, helle rote Beeren (Granatapfel, Himbeere) vermischt mit würzigen-ätherischen Noten (Tabak, Piment), am Gaumen trocken mit saftiger, aber nicht dominanter Säure, feinkörniges, noch leicht eckiges Tannin, nur mittelgewichtig, absolut kein Blockbuster, aber durchaus mit Extrakt und Tiefe, Kirsche, Himbeere, Granatapfel, hellfruchtig, feine Würze, gute Länge. So geht Baga ! Sehr eigenständiger, hochwertiger Rotwein, der Liebhabern charaktervoller und "leiser" Rotweine sicher gefallen wird. Die Weine von Luis Pato sind eigentlich immer empfehlenswert. Ca. 30 EURO im Handel.

2020er Sousao Vinho tinto Douro DOC (Quinta do Vallado, Peso de Regua) -Douro-
reinsortiger Sousao (sonst meist Verschnittpartner)--16 Monate Barriqueausbau--14 Vol%--
unheimlich dichte, schwarz-rote Farbe, in der Nase zunächst zurückhaltend, mit Luft dunkelbeerige Noten (reife Herzkirsche, Pflaume, Cassis), vermischt mit etwas röstigem, aber passendem Holz, kraftvoller, fast opulenter Typ, am Gaumen durchgegoren, aber mit deutlicher Sucrosite (Extraktsüsse), etwas Graphit, Holz, feinkörniges Tannin, sehr saftig mit viel Dunkelfrucht, aber auch etwas Mineralität, der Alkohol ist sehr gut eingebunden, gute würzig-fruchtige Länge. Selten bekommt man einen reinsortigen Sousao, aber wenn er immer auf diesem Niveau ist, kann man damit gut leben :lol: Für Liebhaber kraftvoller, aber nicht langweiliger Rotweine sicher eine Entdeckung. Ca. 30 EURO im Handel.

Die letzten 3 Rotweine, die es noch in sich haben, folgen in Kürze.

LG
Bodo
weinaffe
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Re: Portugal-Weinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

... und weiter geht es mit den letzten 3 Rotweinen aus Portugal, die allesamt aus dem Douro-Tal stammen:

2017er Douro DOC Reserva "Passadouro" (Quinta do Noval, Pinhao) -Douro-
Fieldblend (Mischsatz) aus über 20 Rebsorten--durchschnittlich 70 Jahre alte Reben--18 Monate Französisches Barrique--14 Vol%-- Winemaker Jorge Borges (Lebenspartner von Sandra Tavares und einer der "Star"-Önologen Portugals)--
Tiefrote Rubinfarbe mit Schwarzanteilen, zunächst sehr verschlossen, der Wein braucht unbedingt Luft, dann reife Dunkelfrucht (Granatapfel, reife Brombeere), vermischt mit würzig-ätherischen Noten, sehr komplex und tiefgründig, trocken-schmelzige Anmutung am Gaumen, deutliche Extraktsüsse, sehr tiefe Frucht,kräuter-würzig, Hauch Eukalyptus, perfekter, nur unterstützender Holzeinsatz, strukturierende Säure, großartige Tanninqualität, durchaus noch viel Tannin, aber nur dezent schmirgelnd am Gaumen, Alkohol nicht spürbar, alles ist hier am rechten Platz, sehr langer, ebenmäßiger Abgang. Der Wein ist zwar jetzt schon mit Genuss trinkbar; aufgrund der Fruchtdichte und Tanninqualität wird er über die nächsten 5- 10 Jahre mit Sicherheit noch komplexer und feiner werden. Der Wein wirkt so, als ob sich Jorge Borges bei den berühmten Bordeaux-Chateaux einiges abgeschaut hat. Großartiger Douro im zeitgemäßen Gewand, den man immer als hochwertiges Musterbeispiel in jede Portugal-Weinprobe stellen kann, ja fast muss. Ca. 40 EURO im hiesigen Handel.

2017er "Unico" Vinho tinto Douro DOC (Conceito Vinhos, Vila Nova de Foz Coa) -Douro-
Hinter Conceito (Konzept) steht die neben Sandra Tavares bekannteste, portugiesische Önologin Rita Marques, die von einer Einzellage im Douro Superior ihren Top-Wein produziert.
Fieldblend aus über 20 Rebsorten (vor allem Touriga Nacional und Touriga Franca)--22 Monate Barrique--durchschnittlich über 100 Jahre alte Reben--Produktion: 2.000 Flaschen--14 Vol%--
Der Unterschied zum Vorgänger ist deutlich: schon farblich etwas weniger tief, wirkt in der Nase frischer, ätherischer und -wenn man den Begriff strapazieren will- "burgundischer", zarte Kirschnoten, Brombeere, Hauch Himbeere, Craneberries, aber auch leicht kräutrige Würze, in die Tiefe gehend und trotzdem leichtfüssig, am Gaumen trocken, auch hier deutliche Extraktsüsse, die Säure wirkt etwas frischer, ohne im Vordergrund zu stehen, auch hier Top-Tannin, das in keiner Weise anhängend oder bitter ist, hellfruchtiger Stil, perfekter, nur unterstützender Holzeinsatz, trotz aller Kraft wirkt der Wein absolut schwerelos und selbstverständlich, bestens eingebundener Alkohol, der Wein braucht fast noch mehr Luft als der Vorgänger und blüht dann immer mehr auf, langer Abgang.
Die beiden Weine sind auf sehr hohem Niveau durchaus unterschiedlich und interessanterweise wirkt der Wein aus dem an sich wärmeren Douro Superior im Osten deutlich kühler als sein Gegenspieler aus dem kühleren Westen.
Es ist lediglich eine Stil- und keine Qualitätsfrage, welchen dieser beiden Premiumweine man bevorzugt. Hier könnte ich mich tatsächlich schwer entscheiden, wobei die Preis-Leistungs-Relation eindeutig für den Passadouro spricht. Der Unico kostet hier im Handel immerhin ca. 70 EURO !

Zum Abschluss muss es natürlich ein Vintage-Port sein, auch wenn es hier fast eine "Kinderschändung" ;) war:

2016er Graham's Vintage Port (Symington, Vila Nova de Gaia) -Douro-
tiefe, schwarz-rote Optik, schon beim Öffnen der Flasche ein Schwall feinster roter Früchte, reife Herkirsche ala Mon cherie, Himbeere, Pflaume, etwas Holz, extrem jugendlich, saftiger Eindruck, am Gaumen perfekt eingebundener Alkohol, trotz 20 Umdrehungen nichts Spritiges oder Schnapsiges, pure, fast exaltierte Dunkelfrucht, feine Holzwürze, samtiges Tannin, sicherlich viel zu jung und noch in der primären Fruchtphase macht dieser Vintage trotzdem schon viel Spass, auch wenn er in 10, 20 oder 30 Jahren noch viel komplexer und interessanter sein wird. Trotzdem schmeckt Port auch in jungen Jahren schon hervorragend, eine "Rumpelphase" wie bei vielen Bordeaux macht der Vintage Port meiner Erfahrung nach nicht durch, so dass auch in jungen Jahren keine Enttäuschung droht. Toller Vintage-Port mit sehr hohem Lagerpotential. Ca. 85 EURO im Handel.

Das war wieder einmal der wilde Ritt durch Portugals Weinregionen. Es lohnt sich auf jeden Fall, mal ausgetretene Pfade zu verlassen und sich mit diesen hochinteressanten Weinen zu beschäftigen.

In ca. 3 Wochen werde ich dann über gereifte Premiumweine aus der Toskana berichten.

LG
Bodo
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