"Weinikonen" in Würzburg
Verfasst: Fr 6. Dez 2024, 18:05
Hallo zusammen,
gestern fand der Jahresabschluss in Sachen Weinproben beim Würzburger Weinhändler Sebastian Schütz (Rotweissrose) statt. Diesmal stand das Thema "Weinikonen" auf dem Verkostungsplan, das natürlich viel Raum für Interpretation und Spekulationen liess. Ich hatte keine Ahnung, was mich da erwartete, aber ich war aus der bisherigen Erfahrung zuversichtlich, dass es zumindest eine sehr gute Probe werden würde mit Weinen, die man nicht so oft ins Glas bekommt. Diese Erwartung wurde auch durchaus erfüllt.
Zunächst gab es vor dem eigentlich Thema einen sprudelnden Begrüßungsschluck aus deutscher Produktion. Der Blanc de Noirs Brut Nature von BurkhardtSchür spielt nicht nur preislich in der Champagnerliga, sondern kann da durchaus qualitativ mithalten. Sebastian Schür ist Aussenbetriebsleiter bei Paul Fürst; daher stammt ein Teil des Traubenguts (100% Pinot Noir) aus Bürgstadt und der andere Teil von einem befreundeten Winzer aus dem Glottertal. Es ist ein reiner Jahrgangssekt (2012er), der satte 104 Monate auf der Hefe lag und im April 2021 degorgiert wurde. Abgeklärte Nase, dezente Rotfrucht, am Gaumen relativ weich, feiner Schaum, viel Brioche, dezent zartbitterer Abgang. Ein sehr hochwertiger Sekt zu angemessenen Preis (52 EURO).
Danach begann die eigentliche Probe, zu der reichlich Brot, Käse und Schinken von der Berkel gereicht wurde. Auch für einen süssen Abschluss (u.a. der "Luxus-Christollen von der Bäckerei Düll) war gesorgt.
Die Weine wurden mit Ausnahme der beiden Süssweine einzeln eingeschenkt.
Zunächst flossen hintereinander 2 angenehm gereifte Schäumer ins Glas:
Die 2010er Prestige Cuvee Brut"1086" vom englischen Weingut Nyetimber entpuppte sich als Vertreter, den man in einer Blindprobe durchaus in die Champagne schicken würde. Kein Wunder, es wurden die 3 Hauptrebsorten verwandt, das 7-jährige Hefelager tat das übrige. Deutliche Brioche-Nase, aber keinerlei Oxidation, reife Gelbfrucht, lebendige Säure,Hauch Karamell, die entsprechende Dosage (geschätzt 7-9gr.) sorgt dafür, dass dieser Schäumer auch noch weiterreifen könnte. Sehr hochwertiges Exemplar, das vielen gefallen wird.
Der2000er Dom Perignon hatte hier allerdings noch etwas mehr zu bieten. Unglaublich jung in der Nase, sehr klar und elegant, reif, aber keinerlei Oxidation, feine Perlage, etwas Zitrus und Aprikose, sehr ausgewogen, auch hier wirkt die Dosage hilfreich bei der Cremigkeit und dem Alterungsvermögen. Es ist erstaunlich, auf welch hohem Niveau und mit welcher Konstanz Moet und Chandon den Dompi produziert, und das bei einem geschätzten Volumen von 4-7 Millionen Flaschen. Der Wein muss natürlich möglichst vielen schmecken, daher wird hier mit der Dosage auch "Fine-Tuning" betrieben und man wagt nicht die Brut Nature-Stilistik. Für mich könnte der Dompi etwas mehr Charakter haben, aber das ist Jammern auf einem verdammt hohem Niveau. Aber der 2000er Dom Perignon ist sicherlich ein "Icon"-Wein, der im Handel wohl aktuell zwischen 350 und 400 EURO kostet.
Weiter geht es mit einem deutschen Riesling von einem Weingut, das auch international einen Ruf wie Donnerhall besitzt:
2014er Abtserde Brunnenhäuschen Riesling GG (Keller)
2014 ist ein etwas verkannter Jahrgang, was dieser Riesling auch zeigt. In der Nase angenehm gereift, ein winziger, aber angenehmer Anflug von Petrol, verhaltene Gelbfrucht, wirkt durchaus kühl, am Gaumen sehr klar und fein, angenehme, abgerundete Säure, nur mittelgewichtig (13 Vol%), mehr auf Feinheit als auf Wucht vinifiziert, blitzsauber, saftiger, kühl-würziger Abgang. Sehr gute Flasche, ein sehr gekonnt vinifizierter Riesling mit Eleganz und Klasse. Bei einem Nachkauf muss man aber an die 300 EURO einplanen.
Jetzt bot sich natürlich der Vergleich mit einem weiteren gesuchten Riesling deutscher Provenienz an, der aber noch ein ganzes Stück älter ist:
2001er Kallstadter Saumagen Riesling Auslese trocken "R" (Köhler-Rupprecht)
ganz anderer Stil als Keller, aber ebenfalls große Klasse: schon in der Nase voluminöser, etwas blitzsaubere Bortrytis, unheimlich jugendlicher Eindruck, reife Aprikose, etwas Ananas, aber insgesamt nicht auf der plakativen Fruchtseite, am Gaumen extraktsüss, perfekte Säure, ungeheuer saftig,große Länge. Toller, kraftvoller Pfälzer (aber nur 13 Vol%), der ein wenig an die damalige Wachau-Stilistik erinnert.
Jetzt kam noch ein dritter gereifter Riesling hinzu:
1998er "Hommage a Jean Hugel Riesling Alsace (Hugel)
wieder ein komplett anderer Stil: in der Nase reife Honignoten, einiges an Bortrytis, aber klar, reifes Agrumen, etwas Karamell, am Gaumen deutliche Restsüsse, die den Wein weiter trägt, etwas plüschiger Stil, aber noch gut in Schuss, zur Leberterrine sicherlich ein guter Partner.
Der letzte trockene Weisswein war wieder komplett anders:
2020er Fleur du Savagnin "En Chalasse" (Labet, Jura)
Das Jura mit seinen eigenwilligen Weinen war bis vor einigen Jahren die alleinige Spielweise einiger Wein-Nerds. Das hat sich mittlerweile komplett gedreht, die Weine werden mittlerweile enorm nachgefragt, vor allem eben die Weine von Labet. Dabei sind sie noch relativ bezahlbar, aber aufgrund der Nachfrage und der geringen Mengen schwer erhältlich. Der Wein zeigt auch ,woran das liegt. Er ist überhaupt nicht oxidativ ausgebaut, sondern eher reduktiv, ein angenehmer Hauch Schiesspulver in der Nase, etwas Apfelschale, Hauch Grapefruit, insgesamt zurückhaltend in der Frucht, wenig Holzeinfluss (22 Monate im 350-Liter-Fass), sehr straight, am Gaumen knochentrocken, kernige Säure, die die 14,5 Umdrehungen in keiner Weise spürbar machen, zarter Gerbstoff-Grip, hat sowohl Kraft als auch Verspieltheit, saftiger Abgang. Der Wein ist fast schwefelfrei, aber dank der für Savagnin erstaunlich knackigen Säure weit entfernt von Oxidation. Toller Wein für Liebhaber laserscharfer Weißweine. Wenn man ihn bekommt, dürfte im deutschen Handel so ca. 60 -70 EURO zu löhnen sein.
Nun kommt der erste Rotwein:
2013er Pinot Noir (Gantenbein)
Sicherlich der berühmteste Schweizer Pinot und auch international eine Hausnummer. Die Stilistik dieser Schweizer Ikone ist aber leider nicht auf meiner Wellenlänge: in der Nase sehr viel röstiges Holz, fast Räucherspeck (und das auch noch nach 11 Jahren Reifung), der die durchaus vorhandene Dunkelfrucht deutlich maskiert, am Gaumen leider auch deutlich geräuchertes Holz, das am Gaumen anhängt, ansonsten durchaus dichte Frucht, reife Kirsche, Brombeere, etwas Kräuter, ein sehr hochwertiger Pinot im kraftvollen Stil, bei dem der Holzeinsatz bzw. das Toasting alles zunichte gemacht hat. Schade um das schmeckbar gute Ausgangsmaterial. Aber wer auf Räucherschicken mit Kirsche steht
, wird mit diesem Wein glücklich werden.
Kein Schnäppchen, im Handel ca. 210 EURO.
Jetzt wird es aber richtig kultig. Wir bleiben bei Pinot und kommen zu einer Ikone dieses Genres, bei deren Namensnennung dem Burgunder-Fan schon wohlige Schauer über den Rücken laufen:
1974er Chambertin Clos de Beze Grand Cru (Armand Rousseau)
Wer ambitionierte Pinot-Winzer nach deren Vorbild fragt, wird fast immer den Namen Rousseau hören. Die Weine dieses Winzers gehören zu den feinsten und elegantesten Pinots der gesamten Bourgogne, sind daher extrem nachgefragt und extrem teuer geworden. Gerade die Grand Crus von Rousseau liegen stets mehr oder minder deutlich im vierstelligen EURO-Bereich. Der Jahrgang 1974 verlief bis in den September hinein außerordentlich vielversprechend, dann kam aber sintflutartiger Regen, der das Traubengut verwässerte. Nur mit viel Selektion war es möglich, einen Wein wie den folgenden zu vinifizieren: unheimlich feine, in sich ruhende Nase, zarte Kirschnoten, Cassis,Walderdbeere und Himbeere, Unterholz, unheimlich elegant, nichts ist zuviel oder zuwenig, am Gaumen mit viel Finesse, dezente Extraktsüsse, saftige Säure, feinkörniges Resttannin, ein Wein wie Samt und Seide, feiner, retronasaler Abgang. Ein wunderbarer Wein mit Eleganz und Finesse. Wenn er noch aus einem großen Jahr mit einem Tick mehr Kraft und Reife stammen würde, wäre er nahezu überirdisch
Aber auch so ein Wahnsinnswein zu einem Wahnsinnspreis. Im Netz habe ich Weinhändlerangebote zwischen 1.700 und über 2.000 EURO gefunden
Extreme Nachfrage und kleines Angebot halt!
Weil es so schön war, wurde noch ein außerplanmäßiger Burgunder, allerdings nicht auf Ikonen-Ebene, eingestreut:
1976er Pommard a.c. (Leon-Ponet)
auch dieser No-Name-Pommard-Ortswein stammt ebenso wie der Vorgänger aus dem berüchtigten "Nieder-Temperatur-Keller" (siehe 82er Bordeaux-Sause): völlig intakte, etwas burschikose Nase, reife Kirsche, Brombeere, etwas rohes Fleisch, am Gaumen etwas bäuerlicher als der Chambertin, saftige Säure, deutliche Extraktsüsse, noch deutlich Resttannin, sehr saftig, typischer Vertreter eines kernigen Pommards. Macht aber sehr viel Spass und ist noch erstaunlich frisch. Sicherlich ein Wein, den man für kleines Geld noch nachkaufen kann. Eine angenehme Überraschung!
Jetzt geht es weiter in die südliche Rhone zu einem der besten Chateauneuf-du-Pape:
1995er Chateauneuf-du-Pape (Chateau Beaucastel)
Was waren das für schöne Zeiten, als die Ch9 noch 13,5 Umdrehungen hatten !! Beaucastel war aber immer schon speziell durch seinen besonderen Rebsorten-Mix (alle 13 zugelassenen Rebsorten sind in der Cuvee, hoher Anteil von Mourvedre), so dass ein hochklassiger, wenn auch für viele nicht so typischer Ch9, hier im Glase steht: elegante fast kühl wirkende Nase, Brombeere, Blaubeere, etwas Kirsche, eher verhalten in der Nase, blüht mit Lufteinfluss merklich auf, kräutrig-ätherisch, am Gaumen ebenso kühl, stimmige Säure, durchaus noch präsentes, aber feinkörniges Tannin, zartbeerige Dunkelfrucht, sehr saftig und trinkig, kein Gramm Fett zu viel, langer, zartbitterer Abgang. Der Wein hat durchaus noch Potential, macht aber schon jetzt jede Menge Trinkspass. Mit solchen Weinen werde ich glatt zum Ch9-Fan
Zum Abschluss der Probe gab es noch 2 Süssweine im Doppelpack, die völlig verschieden und dennoch beide auf höchstem Level sind:
1970er Vintage Port (Niepoort) vs. 2007er Scharzhofberger Riesling Auslese (Egon Müller)
Puh, das sind beide große Weine in ihrer jeweiligen Stilistik. Ich habe daher beide Weine erst einmal ohne den Christstollen probiert.
1970 war ein toller Port-Jahrgang und der Niepoort Vintage zeigt das beeindruckend: intensive Süsskirschnase, etwas Kräuter, viel Kraft schon in der Nase, am Gaumen bezwingende Fruchtsüsse, die aber durch die Säure wieder eingefangen wird, lupenreine Frucht, sehr dichter, extraktreicher Wein, ellenlanger Abgang, nähert sich so langsam seinem Höhepunkt, kann aber auch in Jahrzehnten noch glänzen. Großer Jahrgangs-Port aus einem großen Jahr. Ein Gedicht.
Warum Egon Müller mit seinen Scharzhofberger Rieslingen internationalen Legenden-Status hat, zeigt diese bildschöne Auslese auf das Schönste: fast magische Harmonie in der Nase, unendlich fein ziseliert,glasklar wie ein Gebirgsbach, keinerlei Petrol, sehr jugendlich, feinste tropische Früchte, Ananas,Zitrus, aber hier ist nichts übertrieben, am Gaumen perfektes Verhältnis von Restzucker und Säure, unheimliche Eleganz, tänzerisch, aber gleichzeitig auch unheimlich fruchttief, Eleganz und Kraft in einem, und das alles bei leberschonenden 7,5 Vol%. Da ist überhaupt nichts Klebriges, von diesem Wein hätte ich glatt die ganze Flasche trinken können. Besser geht restsüsser Riesling definitiv nicht. Ganz großes Kino!
Im Handel muss man für so eine Flasche minimum 350 EURO ausgeben. Wenn man sich das leisten kann, sollte man es umbedingt machen
Als Rausschmeisser und Reparaturwein gab es noch den empfehlenswerten 2022er Riesling feinherb von Max Ferd. Richter sowie natürlich das legendäre Bier vom Pax-Bräu.
Das war ein würdiger Jahresabschluss im Probenjahr. Wiederum vielen Dank an den Hausherrn sowie die angenehmen Mittrinker.
LG
Bodo
gestern fand der Jahresabschluss in Sachen Weinproben beim Würzburger Weinhändler Sebastian Schütz (Rotweissrose) statt. Diesmal stand das Thema "Weinikonen" auf dem Verkostungsplan, das natürlich viel Raum für Interpretation und Spekulationen liess. Ich hatte keine Ahnung, was mich da erwartete, aber ich war aus der bisherigen Erfahrung zuversichtlich, dass es zumindest eine sehr gute Probe werden würde mit Weinen, die man nicht so oft ins Glas bekommt. Diese Erwartung wurde auch durchaus erfüllt.
Zunächst gab es vor dem eigentlich Thema einen sprudelnden Begrüßungsschluck aus deutscher Produktion. Der Blanc de Noirs Brut Nature von BurkhardtSchür spielt nicht nur preislich in der Champagnerliga, sondern kann da durchaus qualitativ mithalten. Sebastian Schür ist Aussenbetriebsleiter bei Paul Fürst; daher stammt ein Teil des Traubenguts (100% Pinot Noir) aus Bürgstadt und der andere Teil von einem befreundeten Winzer aus dem Glottertal. Es ist ein reiner Jahrgangssekt (2012er), der satte 104 Monate auf der Hefe lag und im April 2021 degorgiert wurde. Abgeklärte Nase, dezente Rotfrucht, am Gaumen relativ weich, feiner Schaum, viel Brioche, dezent zartbitterer Abgang. Ein sehr hochwertiger Sekt zu angemessenen Preis (52 EURO).
Danach begann die eigentliche Probe, zu der reichlich Brot, Käse und Schinken von der Berkel gereicht wurde. Auch für einen süssen Abschluss (u.a. der "Luxus-Christollen von der Bäckerei Düll) war gesorgt.
Die Weine wurden mit Ausnahme der beiden Süssweine einzeln eingeschenkt.
Zunächst flossen hintereinander 2 angenehm gereifte Schäumer ins Glas:
Die 2010er Prestige Cuvee Brut"1086" vom englischen Weingut Nyetimber entpuppte sich als Vertreter, den man in einer Blindprobe durchaus in die Champagne schicken würde. Kein Wunder, es wurden die 3 Hauptrebsorten verwandt, das 7-jährige Hefelager tat das übrige. Deutliche Brioche-Nase, aber keinerlei Oxidation, reife Gelbfrucht, lebendige Säure,Hauch Karamell, die entsprechende Dosage (geschätzt 7-9gr.) sorgt dafür, dass dieser Schäumer auch noch weiterreifen könnte. Sehr hochwertiges Exemplar, das vielen gefallen wird.
Der2000er Dom Perignon hatte hier allerdings noch etwas mehr zu bieten. Unglaublich jung in der Nase, sehr klar und elegant, reif, aber keinerlei Oxidation, feine Perlage, etwas Zitrus und Aprikose, sehr ausgewogen, auch hier wirkt die Dosage hilfreich bei der Cremigkeit und dem Alterungsvermögen. Es ist erstaunlich, auf welch hohem Niveau und mit welcher Konstanz Moet und Chandon den Dompi produziert, und das bei einem geschätzten Volumen von 4-7 Millionen Flaschen. Der Wein muss natürlich möglichst vielen schmecken, daher wird hier mit der Dosage auch "Fine-Tuning" betrieben und man wagt nicht die Brut Nature-Stilistik. Für mich könnte der Dompi etwas mehr Charakter haben, aber das ist Jammern auf einem verdammt hohem Niveau. Aber der 2000er Dom Perignon ist sicherlich ein "Icon"-Wein, der im Handel wohl aktuell zwischen 350 und 400 EURO kostet.
Weiter geht es mit einem deutschen Riesling von einem Weingut, das auch international einen Ruf wie Donnerhall besitzt:
2014er Abtserde Brunnenhäuschen Riesling GG (Keller)
2014 ist ein etwas verkannter Jahrgang, was dieser Riesling auch zeigt. In der Nase angenehm gereift, ein winziger, aber angenehmer Anflug von Petrol, verhaltene Gelbfrucht, wirkt durchaus kühl, am Gaumen sehr klar und fein, angenehme, abgerundete Säure, nur mittelgewichtig (13 Vol%), mehr auf Feinheit als auf Wucht vinifiziert, blitzsauber, saftiger, kühl-würziger Abgang. Sehr gute Flasche, ein sehr gekonnt vinifizierter Riesling mit Eleganz und Klasse. Bei einem Nachkauf muss man aber an die 300 EURO einplanen.
Jetzt bot sich natürlich der Vergleich mit einem weiteren gesuchten Riesling deutscher Provenienz an, der aber noch ein ganzes Stück älter ist:
2001er Kallstadter Saumagen Riesling Auslese trocken "R" (Köhler-Rupprecht)
ganz anderer Stil als Keller, aber ebenfalls große Klasse: schon in der Nase voluminöser, etwas blitzsaubere Bortrytis, unheimlich jugendlicher Eindruck, reife Aprikose, etwas Ananas, aber insgesamt nicht auf der plakativen Fruchtseite, am Gaumen extraktsüss, perfekte Säure, ungeheuer saftig,große Länge. Toller, kraftvoller Pfälzer (aber nur 13 Vol%), der ein wenig an die damalige Wachau-Stilistik erinnert.
Jetzt kam noch ein dritter gereifter Riesling hinzu:
1998er "Hommage a Jean Hugel Riesling Alsace (Hugel)
wieder ein komplett anderer Stil: in der Nase reife Honignoten, einiges an Bortrytis, aber klar, reifes Agrumen, etwas Karamell, am Gaumen deutliche Restsüsse, die den Wein weiter trägt, etwas plüschiger Stil, aber noch gut in Schuss, zur Leberterrine sicherlich ein guter Partner.
Der letzte trockene Weisswein war wieder komplett anders:
2020er Fleur du Savagnin "En Chalasse" (Labet, Jura)
Das Jura mit seinen eigenwilligen Weinen war bis vor einigen Jahren die alleinige Spielweise einiger Wein-Nerds. Das hat sich mittlerweile komplett gedreht, die Weine werden mittlerweile enorm nachgefragt, vor allem eben die Weine von Labet. Dabei sind sie noch relativ bezahlbar, aber aufgrund der Nachfrage und der geringen Mengen schwer erhältlich. Der Wein zeigt auch ,woran das liegt. Er ist überhaupt nicht oxidativ ausgebaut, sondern eher reduktiv, ein angenehmer Hauch Schiesspulver in der Nase, etwas Apfelschale, Hauch Grapefruit, insgesamt zurückhaltend in der Frucht, wenig Holzeinfluss (22 Monate im 350-Liter-Fass), sehr straight, am Gaumen knochentrocken, kernige Säure, die die 14,5 Umdrehungen in keiner Weise spürbar machen, zarter Gerbstoff-Grip, hat sowohl Kraft als auch Verspieltheit, saftiger Abgang. Der Wein ist fast schwefelfrei, aber dank der für Savagnin erstaunlich knackigen Säure weit entfernt von Oxidation. Toller Wein für Liebhaber laserscharfer Weißweine. Wenn man ihn bekommt, dürfte im deutschen Handel so ca. 60 -70 EURO zu löhnen sein.
Nun kommt der erste Rotwein:
2013er Pinot Noir (Gantenbein)
Sicherlich der berühmteste Schweizer Pinot und auch international eine Hausnummer. Die Stilistik dieser Schweizer Ikone ist aber leider nicht auf meiner Wellenlänge: in der Nase sehr viel röstiges Holz, fast Räucherspeck (und das auch noch nach 11 Jahren Reifung), der die durchaus vorhandene Dunkelfrucht deutlich maskiert, am Gaumen leider auch deutlich geräuchertes Holz, das am Gaumen anhängt, ansonsten durchaus dichte Frucht, reife Kirsche, Brombeere, etwas Kräuter, ein sehr hochwertiger Pinot im kraftvollen Stil, bei dem der Holzeinsatz bzw. das Toasting alles zunichte gemacht hat. Schade um das schmeckbar gute Ausgangsmaterial. Aber wer auf Räucherschicken mit Kirsche steht

Kein Schnäppchen, im Handel ca. 210 EURO.
Jetzt wird es aber richtig kultig. Wir bleiben bei Pinot und kommen zu einer Ikone dieses Genres, bei deren Namensnennung dem Burgunder-Fan schon wohlige Schauer über den Rücken laufen:
1974er Chambertin Clos de Beze Grand Cru (Armand Rousseau)
Wer ambitionierte Pinot-Winzer nach deren Vorbild fragt, wird fast immer den Namen Rousseau hören. Die Weine dieses Winzers gehören zu den feinsten und elegantesten Pinots der gesamten Bourgogne, sind daher extrem nachgefragt und extrem teuer geworden. Gerade die Grand Crus von Rousseau liegen stets mehr oder minder deutlich im vierstelligen EURO-Bereich. Der Jahrgang 1974 verlief bis in den September hinein außerordentlich vielversprechend, dann kam aber sintflutartiger Regen, der das Traubengut verwässerte. Nur mit viel Selektion war es möglich, einen Wein wie den folgenden zu vinifizieren: unheimlich feine, in sich ruhende Nase, zarte Kirschnoten, Cassis,Walderdbeere und Himbeere, Unterholz, unheimlich elegant, nichts ist zuviel oder zuwenig, am Gaumen mit viel Finesse, dezente Extraktsüsse, saftige Säure, feinkörniges Resttannin, ein Wein wie Samt und Seide, feiner, retronasaler Abgang. Ein wunderbarer Wein mit Eleganz und Finesse. Wenn er noch aus einem großen Jahr mit einem Tick mehr Kraft und Reife stammen würde, wäre er nahezu überirdisch


Weil es so schön war, wurde noch ein außerplanmäßiger Burgunder, allerdings nicht auf Ikonen-Ebene, eingestreut:
1976er Pommard a.c. (Leon-Ponet)
auch dieser No-Name-Pommard-Ortswein stammt ebenso wie der Vorgänger aus dem berüchtigten "Nieder-Temperatur-Keller" (siehe 82er Bordeaux-Sause): völlig intakte, etwas burschikose Nase, reife Kirsche, Brombeere, etwas rohes Fleisch, am Gaumen etwas bäuerlicher als der Chambertin, saftige Säure, deutliche Extraktsüsse, noch deutlich Resttannin, sehr saftig, typischer Vertreter eines kernigen Pommards. Macht aber sehr viel Spass und ist noch erstaunlich frisch. Sicherlich ein Wein, den man für kleines Geld noch nachkaufen kann. Eine angenehme Überraschung!
Jetzt geht es weiter in die südliche Rhone zu einem der besten Chateauneuf-du-Pape:
1995er Chateauneuf-du-Pape (Chateau Beaucastel)
Was waren das für schöne Zeiten, als die Ch9 noch 13,5 Umdrehungen hatten !! Beaucastel war aber immer schon speziell durch seinen besonderen Rebsorten-Mix (alle 13 zugelassenen Rebsorten sind in der Cuvee, hoher Anteil von Mourvedre), so dass ein hochklassiger, wenn auch für viele nicht so typischer Ch9, hier im Glase steht: elegante fast kühl wirkende Nase, Brombeere, Blaubeere, etwas Kirsche, eher verhalten in der Nase, blüht mit Lufteinfluss merklich auf, kräutrig-ätherisch, am Gaumen ebenso kühl, stimmige Säure, durchaus noch präsentes, aber feinkörniges Tannin, zartbeerige Dunkelfrucht, sehr saftig und trinkig, kein Gramm Fett zu viel, langer, zartbitterer Abgang. Der Wein hat durchaus noch Potential, macht aber schon jetzt jede Menge Trinkspass. Mit solchen Weinen werde ich glatt zum Ch9-Fan

Zum Abschluss der Probe gab es noch 2 Süssweine im Doppelpack, die völlig verschieden und dennoch beide auf höchstem Level sind:
1970er Vintage Port (Niepoort) vs. 2007er Scharzhofberger Riesling Auslese (Egon Müller)
Puh, das sind beide große Weine in ihrer jeweiligen Stilistik. Ich habe daher beide Weine erst einmal ohne den Christstollen probiert.
1970 war ein toller Port-Jahrgang und der Niepoort Vintage zeigt das beeindruckend: intensive Süsskirschnase, etwas Kräuter, viel Kraft schon in der Nase, am Gaumen bezwingende Fruchtsüsse, die aber durch die Säure wieder eingefangen wird, lupenreine Frucht, sehr dichter, extraktreicher Wein, ellenlanger Abgang, nähert sich so langsam seinem Höhepunkt, kann aber auch in Jahrzehnten noch glänzen. Großer Jahrgangs-Port aus einem großen Jahr. Ein Gedicht.
Warum Egon Müller mit seinen Scharzhofberger Rieslingen internationalen Legenden-Status hat, zeigt diese bildschöne Auslese auf das Schönste: fast magische Harmonie in der Nase, unendlich fein ziseliert,glasklar wie ein Gebirgsbach, keinerlei Petrol, sehr jugendlich, feinste tropische Früchte, Ananas,Zitrus, aber hier ist nichts übertrieben, am Gaumen perfektes Verhältnis von Restzucker und Säure, unheimliche Eleganz, tänzerisch, aber gleichzeitig auch unheimlich fruchttief, Eleganz und Kraft in einem, und das alles bei leberschonenden 7,5 Vol%. Da ist überhaupt nichts Klebriges, von diesem Wein hätte ich glatt die ganze Flasche trinken können. Besser geht restsüsser Riesling definitiv nicht. Ganz großes Kino!
Im Handel muss man für so eine Flasche minimum 350 EURO ausgeben. Wenn man sich das leisten kann, sollte man es umbedingt machen

Als Rausschmeisser und Reparaturwein gab es noch den empfehlenswerten 2022er Riesling feinherb von Max Ferd. Richter sowie natürlich das legendäre Bier vom Pax-Bräu.
Das war ein würdiger Jahresabschluss im Probenjahr. Wiederum vielen Dank an den Hausherrn sowie die angenehmen Mittrinker.
LG
Bodo