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Sherry-Probe in Würzburg

Verfasst: So 1. Dez 2024, 18:04
von weinaffe
Hallo zusammen,

alle paar Jahre gibt es wieder ein Update in Sachen Sherry, zu dem sich letzten Freitag wieder einige "Wagemutige" zusammengefunden haben. Sherry ist und bleibt wohl leider ein Nischenprodukt, so dass viele Bodegas sich in ihrem Portfolio auch immer mehr mit unaufgespriteten, "normalen" Weißweinen beschäftigen müssen, um den Cash-flow aufrecht zu erhalten.
Das vorweggenommene Resümee kann ich 1:1 von den vorherigen Sherry-Proben übernehmen:

- man trinkt leider viel zu wenig Sherries, obwohl gerade die Finos und Manzanillas unübertroffene Aperitiv-Weine sind.
- die trockenen Weine sind ungemein vielschichtig und spannend
- Sherry gehört immer noch zu den stark unterschätzten Spitzenweinen weltweit
- in Anbetracht der Qualität und den teilweise extremen Ausbauzeiten sind Sherries immer noch sehr preiswert.

Die 13 Weine wurden wie immer "blind" verkostet, wobei nach jedem Sherry aufgelöst wurde. Die Probe ist nach Sherry-Stilen aufgebaut und umfasst alle wichtigen Kathegorien, wobei ich auf Moscatel im Soleo-Verfahren sowie auf die qualitativ meist unbefriedigenden Cream-Sherries verzichtet habe.

Doch nun zu den Weinen im einzelnen:

1. Kathegorie: Fino
hier gab es 2 Finos und einen finoähnlichen Wein, der sich von Gestzes wegen nicht Sherry nennen darf:

"Tio Pepe" Palomino fino muy seco (Gonzales-Byass, Jerez)
Der "Onkel Josef"-Sherry ist als Marke bereits vor knapp 150 Jahren eingetragen worden und ist wohl einer der meistverkauftesten Finos überhaupt. Trotz der riesigen Produktion ist der "Tio Pepe" ein Musterbeispiel für einen richtig trockenen Fino mit salin-hefiger Anmutung und wirklich untadeliger Qualität. Wer sich in die Welt der trockenen Finos eintrinken will, findet mit diesem Wein den idealen Einstieg. Ca. 10 EURO im hiesigen Handel.

Der nächste Wein ist offiziell kein Fino und kein Sherry, da er nicht alkoholverstärkt und auch nicht im Solera-System ausgebaut wurde. Der Klimawandel macht es in Andalusien möglich, auch ohne Fortifizierung künftig Weine im Fino-Stil zu produzieren. Soweit die Finos oder Manzanillas auf "natürliche" Art die bisher vorgeschriebenen 15 Vol% erreichen, ist künftig eine Anreicherung mit hochprozentigem Alkohol nicht mehr erforderlich. Eine entsprechende Änderung hat schon das spanische Parlament passiert und muss noch von den EU-Gremien bestätigt werden. In den nächsten Jahren werden daher solche Weine verstärkt im Handel auftauchen; es wird interessant sein, wie diese Weine in das Sherry-System eingegliedert werden.
Doch zurück zu diesem "Fake"-Fino :lol:

Caberrubia "Carascal" Saca VII Vino blanco (Luis Perez, Jerez)
Dieser unverstärkte Wein hat laut Etikett nur 14,5 Vol%, so dass er auch unter den künftigen Regelungen wohl kein Fino werden wird. Vielleicht gibt es auch unter dem Herkunftsdach der Sherry-DO künftig eine eigene Bezeichnung für diesen Typ. Es handelt sich hier um einen Verschnitt einzelner Jahrgänge, die jeweils separat in Fässern gelagert werden und dann in Champagner-Manier miteinander verschnitten werden. Der Hauptanteil dieses Weines ist Jahrgang 2017, mit Anteilen der Jahrgänge 2018 und 2019 sowie kleine Anteile von "Altweinen". Auch hier werden die Fässer nicht spundvoll gehalten, damit sich die Florschicht auf den Wein legen kann und eine biologische Reifung möglich wird. Der Wein ist farblich einen minimalen Tick farbkräftiger als der Vorgänger-Fino, etwas weniger hefegeprägt, etwas mehr Volumen und Kraft, gute Länge, ein hochwertiger Vertreter dieser neuen Stilistik. Kostet auch knapp 30 EURO im Handel.

Fino Tradicion (Bodegas Tradicion, Jerez)
der Anspruch dieses kleinen, aber feinen Hauses ist ganz einfach: nur das Beste vom Besten. So handelt es sich bei diesem unfiltrierten Wein mit durchschnittlich 12 Jahren im Solera-System um einen "Understatement-Fino", der sowohl unter der Florschicht als auch nach deren Absterben oxidativ weitergereift ist. Solche Weine werden auch gerne als Fino passada bezeichnet und sind schon von der Stilistik her mehr Amontillado als Fino.
Sehr komplex in der Nase, Mandeln etwas Kakao und Kaffee, etwas Jod,ein sehr hochwertiger Fino, der sowohl hefige Frische als auch komplexe Würze auf den Gaumen bringt. Top-Produkt mit entsprechendem Preis (ca. 35 EURO im Handel).

Als nächste Kathegorie wurde derManzanilla mit 2 Vertretern präsentiert:

"Solear" Manzanilla Sanlucar de Barrameda (Barbadillo, Sanlucar de Barrameda)
Manzanilla ist im Prinzip nichts anderes als ein Fino-Typ, der aber nur in Sanlucar de Barrameda produziert werden darf. Sanlucar hat aufgrund der Nähe zum Meer ein besonderes Klima, das zu einer intensiven Florschicht in den Fässern führt. Dadurch wird der hefig-salzige Eindruck noch einmal verstärkt und diesen Herkunftsweinen sagt man eine elegante und leichtere Fino-Stilistik nach.
Der Solear von Barbadillo ist wohl der Sherry, der fast überall in der Gastronomie zu finden und sehr beliebt ist. Die Qualität ist auch wirklich untadelig: sehr frische, hefige Nase mit etwas Apfel und Quitte, am Gaumen salzig-jodig, absolut trocken und nicht zu schwer. Ein sehr typischer und eleganter Vertreter (ca. 11 EURO im Handel).

Manzanilla secco Sanlucar de Barrameda (Gutierrez-Colosia, El Puerto de Santa Maria)
ein Hauch dunkler, deutlich jodig-salziger Charakter, etwas kantiger, kompromisslos trockener Typ mit kerniger Struktur. Kein Ausbund an Finesse, aber ein charaktervoller Vertreter mit Ecken und Kanten aus diesem traditionsreichen Haus. Ca.10 EURO im Handel.

Jetzt kommt die Amontillado-Kathegorie, somit Weine, die zunächst unter der Florschicht und dann mehr oder weniger lange oxidativ weitergereift sind:

Amontillado secco "12 anos" (El Maestro Sierra, Jerez)
typische Bernsteinfarbe mit olivgrünem Schimmer, Rancio-Noten mit deutlich Walnuss und Mandeln, sehr kraftvoller, intensiver Körper, die 17 Vol% sind gut verpackt, raffinierte Würze (Nuss, dunkle Schokolade und ein Hauch Espresso), langer Nachgeschmack. Vorzeige-Amontillado aus dieser kleinen, aber feinen Bodega, die ausschließlich in Handarbeit hochwertige und lange gelagerte Sherries produziert. Völlig gerechtfertigte ca. 36 EURO/Handel.

Rare Amontillado "Escuadrilla" Seco (Lustau, Jerez)
Lustau ist ein exportorientierter Sherry-Produzent, dessen Weine man auch häufiger im gut sortierten Weinhandel finden kann. Dieser typische Amontillado dürfte noch ein paar Jahre länger im Solera-System gereift sein als der Vorgänger: bernsteinfarben mit grünen Einsprengseln, sehr kraftvoll, aber mit gewisser Eleganz,dezent oxidative Nase mit Kakao, Mandeln und Kaffee, gut dosierter Alkohol (18,5 Vol%),glyzerinreich, komplex und würzig mit dem für dieses Haus typischen (Alt-)Holzflair, langer Nachhall. Sehr gelungener Amontillado zu einem sehr fairen Preis (ca. 27 EURO).

Amontillado Tradicion "VORS 30 years" (Bodegas Tradicion, Jerez)
Dieser Amontillado ist die pure Untertreibung: durchschnittlich 45 Jahre im Solera-System gereift, entspricht dieser grandiose Vertreter eher einem hochklassigen Palo Cortado. Wow, die Nase haut einen schon fast um: extrem konzentriert, extrem komplex, Kraft und trotzdem soviel Frische,viel Würze (Kaffee,Kakao, Schoko) und Früchtebrot, viel Glyzerin, trotz 21 Vol% hält er gnadenlos die Spur zwischen Power und Finesse, ganz großer Sherry in jeglicher Beziehung mit ellenlangem Abgang, dem man noch minutenlang hinterherschmecken kann. Für die meisten, mich inklusive, war das der Sherry des Abends, der ganz nahe an der Perfektion kratzt. Das hat seinen sehr berechtigten Preis: ca. 95 EURO im hiesigen Handel.

Als nächstes die Kathegorie Palo Cortado mit 2 Vertretern:

Palo Cortado "Peninsula" secco (Lustau, Jerez)
Beim Palo Cortado erfolgt die Reifung zunächst unter der Florhefe, um aber schon relativ frühzeitig in die oxidative Reifung umzuschwenken. Der Lustau-Vertreter ist jetzt optisch und geschmacklich nicht so weit vom Lustau-Amontillado entfernt. Bernstein mit Spuren von Mahagoni, würzige Nase (Walnuss, Kakao, Mandel, Weihrauch, Piment),für diese Bodega typische Altholznote, kräftiger Körper (19 Vol%), sehr ausgewogen, gute Länge. Ein wirklich empfehlenswerter Vertreter, der für diese gesuchte Kathegorie zu einem sehr günstigen Kurs vermarktet wird (ca. 29 EURO im Handel).

"Antique" Palo Cortado (Bodegas Rey Fernando de Castilla, Jerez)
eines der Spitzenprodukte dieses kleinen Hauses, das im durchsichtigen 0,5-Liter-Fläschchen vermarktet wird. Helles Kaffeebraun mit dezenten Grüntönen, extrem komplex und würzig (noble Hölzer, Schokolade, Kaffee, Rancionote), trotz der innewohnenden Kraft (20 Vol%) hat der Wein auch Finesse und noch eine gewisse Frische (ca. 30 Jahre im Solera-System), sehr langer Abgang. Toller Palo Cortado (43 EURO, 0,5-Liter).

Weiter geht es mit dem Oloroso, der von Anfang an ohne Florschicht oxidativ gereift ist. Folgende 2 Vertreter:

Oloroso 15 Anos (El Marstro Sierra, Jerez)
jetzt geht es farblich immer mehr zu Mahagoni und Kastanie,in der Nase balsamische Noten mit Walnüssen,eingebundener Alkohol (19 Vol%), altes Holz, feine Rancionote, komplex und sehr intensiv, langer Abgang. Hochwertiger Einstieg in die mittellang gereiften Olorosos.Preislich fast ein Schnäppchen (ca. 23 EURO/Handel).

Oloroso Tradicion "VORS 30 years" (Bodegas Tradicion, Jerez)
Mittleres Kastanienbraun, enorme Konzentration, sehr würzig (edles Holz, dunkle Schokolade, Früchtebrot), glyzerinreich, sehr dicht und lang, enorme Rancionote, trotz der langen Dauer im Solera-System (durchschnittlich 45 Jahre) enorm frisch, ein Konzentrat mit unheimlicher Länge, die ganz große Klasse ! Die 21,5 Umdrehungen sind erstaunlich gut verpackt, der Wein sollte aber nicht zu warm serviert werden. Berechtigte 70 EURO im Handel.

Zum Abschluss noch einen interessanten Aussenseiter, der zu 100% aus der Rebsorte Pedro Ximenez (P.X.) produziert wurde. Er stammt von dem einzigen Haus in Jerez, das sich ausschließlich mit dieser Rebsorte beschäftigt. Wenn man Ximenez-Spinola heißt, ist das ja auch naheliegend ;)
Der folgende "Medium" Vertreter in halbtrockener Stilistik ist eine komplexe Mischung: zu 90 % besteht der Wein aus einer 1964 begonnenen Solera mit trockenem Oloroso-P.X., die restlichen 10% steuert eine bereits 1918 angelegte Solera mit sonnengetrocknetem, süssen P.X. bei.
So gefällt mir Sherry mit leichter Süsse: tolle Würze, kandierte Früchte, feines Holz, elegant, sehr frisch , angenehmer Alkohol (17 Vol%), langer, ausgewogener Abgang. Ein ungewöhnlicher und hochklassiger "Medium"-Vertreter, der mir viel besser gefällt als die "Zuckerboliden", die ausschließlich aus sonnengetrockneten Trauben produziert werden.

Endfazit: Manchmal muss es eben Sherry sein ! Bei der Vielfalt an Stilen ist tatsächlich für fast alle Geschmäcker etwas geboten, ausgenommen natürlich die auf Primärfrucht fixierten Weintrinker.

LG
Bodo

P.S.: in Kürze folgt der Bericht über die 82er Bordeaux-Probe, für die das Prädikat "sensationell" fast untertrieben ist und die unvergesslich bleibt. Ich habe den Geschmack dieser Delikatessen immer noch im Mund... na ja, zumindest im Gedächtnis :lol: