so, ich scheine der erste zu sein, und bringe gleich Torstens Ordnung durcheinander

Ich habe heute den ersten Verkostungsdurchlauf mit allen 6 Weinen gestartet. Puh, das war schwer und ich befürchte, jeder wahre Priorat Kenner wird über meinen Bericht lächeln. Aber was soll’s, Augen zu und durch...
Ich möchte kurz etwas über die Rahmenbedingungen erzählen, bevor ich zu den Weinen komme:
- Alle Weine lagen 1 Tag im Klimaschrank und hatten zu Beginn 16 Grad bei 20 Grad Raumtemperatur
- Alle Weine wurde aus einem Riedel Universal (Riesling) Glas verkostet, mit ca. 50ml Wein (siehe Foto)
- Ich habe mir Zeit (ca. 2h) und Ruhe genommen und die Weine in 4 Durchgängen verkostet:
1. Riechen ohne Schwenken
2. Riechen mit Schwenken
3. Verkosten mit Spucken
4. Verkosten mit Schlucken
Nach den ersten beiden Durchgängen war ich etwas irritiert und habe mir als Referenz zwei mir bekannte andere Prioratos parallel in dieselben Gläser gefüllt:
2007 Val LLach Embruix und 2006 La Creu Alta
Warum? Weil ich prüfen wollte, ob ich heute einen schlechten Tag habe oder ob es doch die Weine sind

Ich tue mich sehr schwer damit, jeden Wein einzeln zu beschreiben, daher erst einmal mein Gesamteindruck über alle Weine:
- Alle Weine haben eine klare, violette Farbe ohne Schwebstoffe und nicht sehr tief. Farbunterschiede bestehen eigentlich nur minimalst. Nuancen von Braun wie bei meinen Referenzweinen konnte ich nicht feststellen, ich tippe daher auf eher junge Weine (ca. 5 Jahre)
- Alle Weine sind in der Nase eher verhalten (verschlossen). Es gibt Unterschiede, aber es dominieren, wenn überhaupt Noten von (Amarena-) Kirschen und Eiche.
- Die Weine wirken auf mich sehr homogen. Punktetechnisch würde ich alle Weine aktuell im Bereich 83-90 Punkte einordnen, d.h. keine Ausfälle, aber auch keinen Überflieger.
- Alle Weine haben z.T. sehr kräftiges Tannin und eine ausgeprägte Säure, die bei manchen Weinen unharmonisch und noch nicht integriert wirkt. Ich vermute immer stärker, wir haben es hier mit absolut jungen Weinen zu tun, die noch einiges an Reife brauchen. Für eine Abschätzung des Potentials fehlt mir die Erfahrung, aber wenn ich den Embruix als Referenz verwende, denke ich, dass den Weinen 2-4 Jahre weitere Reife gut tun würden.
- Alle Weine haben ein ähnliches Aromenspektrum mit schwarzen Früchten, Kirschen/Amarena, die aber eher dezent und nicht dominant sind. Marmeladig oder eine Fruchtbombe ist keiner der Weine. Fast alle haben eine schöne (Schiefer-)würze und sind mit Ausnahme der kräftigen Säure und des Tannins eher eleganter.
Zu den Weinen:
Wein 13:
Viel Tannin, viel Säure (zu Anfang brutal, mit der Zeit gab es sich), unbalanciert, etwas alkoholisch, außer Tannin und Holz kaum etwas im Abgang zu spüren
83-85
Wein 14:
In der Nase und im Gaumen etwas laktische Noten (etwas in Richtung Kefir/Milchsäure). Wesentlich samtigeres Tannin und besser integrierte Säure als Wein 13. Schöne Schiefer- und Pfefferwürze
88-90
Wein 15:
Zu Anfang eine heftige, dominante Säure, die sich aber mit der Zeit legte (oder war mein Gaumen das jetzt gewöhnt?

87-89
Wein 16:
Nase ist sehr verhalten, dafür eine schöne, dezente Frucht und Würze im Gaumen, elegant. Schöner, mittlerer Abgang.
87-89
Wein 17:
Dieser Wein hat eine ziemlich künstliche Frucht in der Nase, erinnert mich etwas an Kirschdrops/Bonbons. Davon ist jedoch im Gaumen nicht mehr viel zu spüren. Etwas alkoholisch, kräftiges Tannin, mittlerer Abgang mit etwas Frucht.
85-88
Wein 18:
In der Nase eigentlich der schönste Wein, mit deutlicherer Frucht. Allerdings auch eine etwas unangenehme chemische Note (etwas an Klebstoff erinnernd). Sehr kraftvolle Tannine und kräftige Säure, die aber schon recht gut integriert ist. Leider finde ich die chemische Note auch etwas im Gaumen wieder, sonst wäre dies mein favorisierter Wein gewesen.
88-90 ohne die chemische Note, aktuell 85-87
Mein bisheriges Fazit:
- Torsten hatte Recht: Der Zahn tropft, allerdings eher von der doch sehr speichelanregenden Säure mancher Weine
- Zum aktuellen Zeitpunkt würde ich den 10 EUR Embruix allen Weinen vorziehen, sie sind für mich alle zu jung und z.T. noch eher wenig ausbalanciert/harmonisch.
Jetzt bin ich auf die Meinungen der anderen Teilnehmer gespannt und auf die Auflösung des "Rätsels"

Auch wenn mein Bericht nicht soooo enthusiastisch klingen mag:
Vielen Dank an Torsten für die perfekte Organisation der Weinrallye und die Weine!!!
Viele Grüße,
Dirk