Aktuelle Zeit: Fr 26. Apr 2024, 22:43


out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7487
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 17:11

Sozusagen "von außen betrachtet" (da ich mich nie richtig für Bordeaux begeistern konnte) kann ich mir schon vorstellen, dass das Image in den letzten Jahren deutlich gelitten hat. Vermutlich am meisten durch das Bild von reichen Leuten aus fernen Ländern "ohne Weinkultur", die dafür verantwortlich sind, dass die Weine für Normalverdiener unerschwinglich werden, während sie selbst den Wein dann mit Cola verdünnt trinken. ;) Auch wenn das nur seltene Einzelfälle sein mögen, hat sich das Bild nunmal eingeprägt.

Ich glaube, Ähnliches gibt es auch bei ganz anderen Produktgruppen - also dass man sich von anderen Gruppen durch Meiden der dort bevorzugten Produkte bewusst abgrenzt?

Dazu passen viele Châteaux durch die produzierte Menge in das oft geschmähte Bild vom "industriell erzeugten Wein" (auch wenn es von der Qualität natürlich überhaupt nicht zutrifft). Auch die häufigen Verkäufe an / zwischen Investorengruppen passen durchaus zu diesem Bild.

Und im direkten Vergleich zu Burgund ist mein persönlicher Eindruck, dass sich Burgund viel mehr "Mythos" bewahrt hat - durch die winzigen Lagen und die jahrhundertelange Geschichte dahinter.

Einen echten Bordeaux-Fanatiker werden diese Punkte natürlich nicht stören. Aber für "Neueinsteiger" könnten sie schon eine gewisse Hürde bedeuten, denke ich.

Grüße,
Gerald
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 17:56

Gerald hat geschrieben:Dazu passen viele Châteaux durch die produzierte Menge in das oft geschmähte Bild vom "industriell erzeugten Wein" (auch wenn es von der Qualität natürlich überhaupt nicht zutrifft). Auch die häufigen Verkäufe an / zwischen Investorengruppen passen durchaus zu diesem Bild.

Da ist sicherlich was dran - wie jemand in einem US-Forum kürzlich schrieb: "Bordeaux - it's just all about money". Und einige Chateaubesitzer haben ziemlich viel unternommen, um genau diesen Eindruck zu verstärken. Aber alles, was heute in irgendeiner Form nach Finanzkapital / Großkonzern / "Gelddruckmaschine" riecht, ist a priori verdächtig und irgendwie ganz fürchterlich bäh. Die zumindest in Teilen von Bordeaux schon immer sehr groß angelegten Strukturen und der heute weit verbreitete Besitz durch Kapitalgesellschaften wirken sich da ganz sicher nicht positiv aus.

Was alten Bordeaux-Fans wie mir vermutlich am meisten aufgestoßen ist, ist die Chuzpe einiger großer Player, den über Jahrzehnte gewachsenen Kundenstamm in "old Europe" (und in diesem Fall auch mal "old USA") quasi über Nacht als komplett irrelevant zu erklären, weil man neue, zahlungswilligere und weniger blöde Fragen stellende Kunden weit im Osten gefunden hat und diese einem die Weine palettenweise bereitwillig und zu jedem Preis abnehmen; sogar solche aus problematischeren Jahren. Das hat sich mittlerweile als ziemliche Fehlspekulation erwiesen, und hier sage ich durchaus mit einer gewissen Genugtuung: "geschieht denen ganz Recht".

Ich kenne jedenfalls ein paar Leute, die Bordeaux durchaus zugetan waren, aber mittlerweile beschlossen haben, weitere Zukäufe völlig einzustellen und lieber erstmal ihre Kellerbestände leerzutrinken (das sollte ich eigentlich auch so machen :oops: ) bzw. die sich komplett anderen Gebieten zugewandt haben. Und ich glaube nicht, dass die Leute, die man ernsthaft verärgert hat, so schnell wieder zurückkommen werden.

Gruß
Ulli
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 19:07

Das ist wirklich ein spannendes Thema. Meine Sicht der Dinge ist - neben den vielen schon zutreffend angemerkten Punkten - die:

1. Bordeaux hat u.U. nur eine partielle Krise

Ich bin nicht sicher, ob die Verkäufe in den letzten drei Jahren (geringere Erntemengen als 2009/2010 herausgerechnet) bei allen Châteaux zurückgegangen ist. Jedenfalls wird allenthalber berichtet, dass die Erzeuger in den weniger prestigeträchtigeren Gebieten des Bordelais, also vor allem diejenigen an den Côtes, in der AOC Bordeaux und in Entre Deux Mers sowie evtl. auch noch in den Graves und bei nicht klassifizierten St. Emilions und ihren Satelliten große Absatzprobleme haben (siehe z.B. hier: viewtopic.php?f=21&t=3268).

Im Übrigen könnte ich mir vorstellen, dass einige sprunghafte Châteaux, die in den letzten Jahren extrem volatil im Preis waren (z.B. Lascombes, Beychevelle oder andere), Probleme haben, andere, die jahrein/jahraus mehr oder weniger preislich stabil und verlässlich gute Qualitäten abliefern und dementsprechend eine treue Stammkundschaft haben (z.B. Sociando Mallet, Batailley, Domaine de Chevalier), weniger Probleme. Aber das ist nur gemutmaßt.

2. Problemursachen

Die preisliche Hausse einiger Châteaux in den Jahren 2009 und 2010 und die Weigerung danach, in den Preisen wieder substantiell runterzugehen, stellt m.E. nur einen Grund dar, warum die Bordelaiser Kunden verloren bzw. nicht neu dazu gewonnen haben. Andere Gründe, die mir einfallen, sind:

- das anonyme Absatzsystem fördert volatile Preise. Nach der Abgabe an die Négociants verlieren die Châteaux größtenteils die Kontrolle darüber, wohin ihre Weine verkauft werden. Wenn - wie Matthias Hilse es andeutet - irgendwann mal die 2010 und 2011 aus den Jahrgängen 2009 und 2010 erworbenen Weinfonds-Quantitäten liquidiert werden und alle gleichzeitig auf den Markt gehen, bin ich mal gespannt, was passiert. Diese Unsicherheiten hat ein Erzeuger nicht in demselben Maße, der seine Weine an Händler, die Gastronomie und Endkunden verkauft. Bei volatilen Preisen aber springen Kunden schneller ab.

- das anonyme Absatzsystem bindet keine Kunden. Mittlerweile denken die Bordelaiser um und lassen häufig Château-Besuche zu, denken sich was für den Erlebnis-Tourismus aus, etc. Aber am Ende kaufen die allermeisten Kunden ihren Bordeaux immer noch im Supermarkt oder beim Händler, ohne den Erzeuger jemals besucht zu haben. Wer aber einmal eine nette Kellerführung mit dem Winzer gemacht hat, hält diesem evtl. auch in schlechteren Jahrgängen eher mal die Treue, wenn er z.B. die Preisliste zugeschickt bekommt, als derjenige, der beim Händler kauft mit Bestpreis kauft und sich gut klammheimlich in Jahrgängen wie 2011 verabschieden kann. Nach allem sind ja auch die Mengen so groß, dass es nur bei sehr wenigen Weinen Allokationen für Endkunden gibt, die man in Folgejahren bei Nichtbestellung verliert.

- Bordeaux verschwindet zunehmend aus der Gastronomie. Der klassische Sternerestaurant-Weinkeller bestand immer aus vielen Bordeaux in beeindruckender Jahrgangstiefe. Das wollten auch viele Restaurants eine Stufe drunter nachahmen, kann sich aber heute kaum noch jemand leisten (Kapitalbindung). Es sind eher "Schnelldreher" gefragt, übrigens auch in der Sterne-Gastronomie. Dafür ist roter Bordeaux der klassischen Schule nicht so gut geeignet. Er hat ein gutes Trinkfenster in den ersten ein bis drei Jahren, verschließt sich dann aber auch auf Cru Bourgeois Level gerne mal für fünf bis zehn Jahre. In diesen Jahren will den eigentlich im Restaurant keiner trinken. Hinzu kommt, dass roter Bordeaux gerade mit der heute auf der einen Seite fleischärmer werdenden, auf der anderen Seite teils auch derber werdenden Küche nicht mehr so gut harmoniert wie mit der klassischen französischen Küche mit ihren Lammsatteln, Wildgerichten, Steak au Poivre, usw.

- das Verhalten einiger hat den Ruf aller ramponiert. Einige Erzeuger (z.B. Angélus, Pavie, Figeac, u.a.), haben ihre Stammkunden derart brutal vor den Kopf gestoßen und das Renommée des teuren Luxusweins geprägt, dass dieses Image nunmehr auf alle Weine projiziert wird. Es gibt Weingüter wie Lascombes, die zunächst den Parkerpunkten hinterherhecheln, um dann bei erstbester Gelegenheit (94+ PP!!!) preislich ans Maximum zu gehen. Tatsächlich sind ja zahlreiche Weingüter, gerade in den unteren Preisbereichen, auch 2009 und 2010 auf dem Teppich geblieben. Über den Preis eines Batailley, Haut-Batailley, Giscours, Lanessan, Senejac, Ferriere, Fourcas-Hosten, etc. kann man sich wirklich nicht beklagen. Aber selbst ein Lanessan, den man für deutlich unter 15 Euro auch in Spitzenjahrgängen subskribieren kann, hat den Ruf des teuren Bordeaux weg. Und diejenigen, die sich über den teuren Bordeaux beschweren, kaufen genüsslich den Poulsard des Kulterzeugers aus dem Jura für 30 Euro und mehr. Wie man das hätte verhindern können? Schwierig.

- Bordeaux ist das Großbrauereien-Bier der Weinwelt. Beim Bier, aber auch bei anderen Getränken wie Cola und Limonaden, sieht man ganz gut, wie sich die Konsumwelt immer weiter ausdifferenziert. Hat man früher Warsteiner oder Krombacher getrunken, weil es halt ausgeschenkt wurde, wollen die Leute heute was probieren. Zuerst waren in Berlin und Hamburg Biere aus Süddeutschland in (Rothaus, Tegernseer, Augustiner), jetzt kommt eigentlich kaum noch eine Kneipe ohne eine größere Auswahl an Craft-Bieren aus. Coca Cola und Pepsi-Cola bekommen in einigen Märkten immer größere Absatzprobleme, weil eben die Kraft der Marke nicht mehr zieht. Die Leute wollen sich von anderen Leuten absetzen, individuell sein. Am Ende sind Bordeaux Markenweine. Kaum jemand kann eine tolle Geschichte erzählen. Das geht viel besser über den Jungwinzer mit seinem Hut oder über den bärtigen alten Mann, der sich bald zur Ruhe setzen wird, und seine attraktive Tochter, die auch eine talentierte Winzerin ist.

Aktuell gibt es Bordeaux-Marketingkampagnen wie "Apéro-Bordeaux", aber ich fürchte, es werden noch einige Kampagnen dieser Art ins Land gehen, bevor der Bordeaux wieder eine länger anhaltende Hausse haben wird.
Beste Grüße, Stephan
Offline

Einzelflaschenfreund

  • Beiträge: 587
  • Bilder: 2
  • Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:31

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 19:22

octopussy hat geschrieben:Am Ende sind Bordeaux Markenweine.


Für mich ist das (neben den tatsächlichen und den nur abgestrahlt vermuteten Preisen) der Hauptpunkt:

Es sind Markenweine. PRODUKTE.

Die Weine, die derzeit en vogue sind, sind Lagenweine, Winzerweine. ERZEUGNISSE.


Ich spreche nicht über Fakten, sondern über Wahrnehmungen (siehe auch Threadüberschrift - IMAGEkrise).

Viele Grüße
Guido
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 19:34

Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Es sind Markenweine. PRODUKTE.

Die Weine, die derzeit en vogue sind, sind Lagenweine, Winzerweine. ERZEUGNISSE.

Das ist ein überaus interessanter Aspekt, den ich so noch nicht gesehen hatte. Bemerkenswert insofern, als dass die Vermarktungskonzepte vieler großer Bordeaux-Chateaux in den letzten Jahren ganz klar auf eine Markenbildung ausgerichtet sind. Wird das möglicherweise ein ganz kapitaler Rohrkrepierer, weil der Konsument genau das bei einem Wein überhaupt nicht haben möchte: eine Marke? Oder ist man hier doch auf dem richtigen Weg, weil die neuen Märkte genau das zur Orientierung brauchen?

Gruß
Ulli
Offline

Kle

  • Beiträge: 953
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 18:18
  • Wohnort: Hamburg

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 20:31

Gerald hat geschrieben:Sozusagen "von außen betrachtet" (da ich mich nie richtig für Bordeaux begeistern konnte) kann ich mir schon vorstellen, dass das Image in den letzten Jahren deutlich gelitten hat. Vermutlich am meisten durch das Bild von reichen Leuten aus fernen Ländern "ohne Weinkultur", die dafür verantwortlich sind, dass die Weine für Normalverdiener unerschwinglich werden, während sie selbst den Wein dann mit Cola verdünnt trinken. ;) Auch wenn das nur seltene Einzelfälle sein mögen, hat sich das Bild nunmal eingeprägt.


In den letzten zehn Jahren wurde ich neben privaten Verkostungen von Weinen aus deutschen Anbaugebieten zu Proben von Weinen aus Rioja und Priorat, Südtirol, Chianti, Alsace, Wachau, Burgund, Jura, Beaujolais, Rhone, Champagne, Loire, Südafrika, Australien, Chile etc. eingeladen und kein einziges Mal zu einer reinen Bordeaux-Probe. Aber ich habe viele süffisante Kommentare zum Anbaugebiet gehört, das wegen seines schlechten Preis-Leistungsverhältnisses eher für Etikettentrinker interessant sei. Dies hat sich in den letzten Jahren zwar zugunsten Bdx etwas geändert, die Region bleibt aber unterrepräsentiert. Auch in Weingeschäften erscheint mir die Auswahl oft sehr selektiv. Dies ist vielleicht ein unfairer Eindruck. War Bordeaux nicht früher zu dominant und wurde in der Jugend der heute Älteren wie ein Synonym für die „gute Flasche Rotwein“ gehandelt? Für die Jüngeren heute ist es ein (wenn auch riesiges) Anbaugebiet unter vielen und sie können leicht unter zahllosen internationalen Angeboten den passenden Winzer zum persönlichen Geschmack entdecken, anstatt den Gaumen für Pauillac und Co. tauglich machen zu müssen.
Aus Sicht des unverbesserlichen Bordeaux-Konsumenten hätte „Bordeaux-out“ vermeintlich Vorteile, denn wenn die Händler die Flaschen aus den Regalen nehmen, sollten sie doch zumindest in Euroland billiger zu haben sein und der geschiedene Familienvater könnte zumindest bei den Enkeln mit günstigen Crus aus Geburtsjahrgängen Aufbauarbeit leisten. Das ist wohl leider eine Milchmädchenrechnung, denn eines habe ich gerade durch die Weinforen gelernt: Draußen in der Welt gibt es sehr viele Menschen, die dem Zeug verfallen sind. Als ich meine ersten Médocs trank und davon mehr begeistert war als von jedem anderen Wein, den ich bis dahin kannte, glaubte ich an einen persönlichen Spleen. Über das Internet habe ich dann erfahren, nur ein Fan unter vielen zu sein. Was mich außerdem verblüffte: Wenn bei Verkostungen mal ein ganz guter Bordeaux probiert wurde, beurteilte man ihn nach den üblichen Maßstäben. Farbe, Geruch, Tannine. Frucht etc. Er schmeckte bei diesen Anlässen auch fast wie ein irgendein guter oder sehr guter Wein und nicht wie ein famoses, von den Göttern geschenktes Elixier. Nach diesen Erlebnissen habe ich versucht, mir BDX abzugewöhnen, habe Monate keine Weine aus der Region getrunken, da ich glaubte, meine Hinwendung sei eine rein subjektive, eine zufällige Prägung, die ungerecht und verschlossen gegenüber anderen Weinregionen mache.
Diese Entwöhnung ermöglichte, BDX aus der Distance zu betrachten und die Region neu kennenzulernen. Bordeaux überstand die Prüfung und erscheint mir faszinierender denn je. Da ich auch gelernt habe, kein Einzelfall zu sein – dass es auch andere gibt, die ein schwer zu erklärendes, einzigartiges Charisma erkennen – ist es mir egal, wenn die Region „out“ erscheint. Solange Wein im Bordelais angebaut wird und er mindestens so viele Liebhaber hat wie Tropfen aus dem Jura, mache ich mir über die Zukunft keine Sorgen.

Gruß, Kle
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
Offline

Kle

  • Beiträge: 953
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 18:18
  • Wohnort: Hamburg

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 21:01

Einzelflaschenfreund hat geschrieben:
octopussy hat geschrieben:Am Ende sind Bordeaux Markenweine.


Für mich ist das (neben den tatsächlichen und den nur abgestrahlt vermuteten Preisen) der Hauptpunkt:

Es sind Markenweine. PRODUKTE.

Die Weine, die derzeit en vogue sind, sind Lagenweine, Winzerweine. ERZEUGNISSE.


Ich spreche nicht über Fakten, sondern über Wahrnehmungen (siehe auch Threadüberschrift - IMAGEkrise).

Viele Grüße
Guido


diesen Aspekt finde ich auch sehr bemerkenwert. Er relativiert sich nach meiner Ansicht jedoch, wenn man sich näher mit einem "Marken"-Chateau beschäftigt, mit seiner Lage und Geschichte, oder es auch besucht. Dann kann die Lagen-Public-Relation gut mithalten mit dem TerroirGedudel anderer Weinbauorte.
Und was mitunter als Nachteil gesehen wird, die Cuvee-Mischung aus Winzerhand, sehe ich als faszinierendes Attribut: Nicht einfach eine Rebsorte keltern, sondern sie nach individuellem Winzerrezept mit anderen verschneiden. In der Tat: Auch die großen Marken a la Cola haben ihr vermeintliches Geheimrezept. In modernen Terroirkonzepten wird der menschliche Einfluss, die Ästhetik, stark gegenüber dem "vin naturel"-Gedanken betont. Vielleicht ist das das Geheimnis und bei gereifter Entwicklung die "Marke".

Gruß, Kle
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 21:04

UlliB hat geschrieben: Bemerkenswert insofern, als dass die Vermarktungskonzepte vieler großer Bordeaux-Chateaux in den letzten Jahren ganz klar auf eine Markenbildung ausgerichtet sind. Wird das möglicherweise ein ganz kapitaler Rohrkrepierer, weil der Konsument genau das bei einem Wein überhaupt nicht haben möchte: eine Marke? Oder ist man hier doch auf dem richtigen Weg, weil die neuen Märkte genau das zur Orientierung brauchen?

Hallo Ulli,

diese Diskussionen sind wirklich hilfreich, denn erst wenn einer was sagt, der nächste den Faden aufnimmt und der Dritte ihn weiterspinnt, kommen die richtigen Ideen. Mir fällt jetzt gerade Folgendes ein: Dass viele Bordelaiser Güter in den letzten Jahren Wert auf Markenbildung gelegt haben, dürfte m.E. nahezu unbestritten sein. Da viele zu Luxuskonzernen oder deren Eignern gehören, haben die Eigner viel Erfahrung in der Positionierung von Luxusmarken. Bei Taschen, Autos oder Handys kann man auch einigermaßen gut weltweit eine ähnliche Markenstrategie anwenden. Denn jedenfalls bei Autos und Handys sind die Markteintrittsschwellen für Dritte so groß, dass man die Anzahl der weltweiten Marktteilnehmer gut begrenzen und sich positionieren kann, ohne zu sehr ins Detail gehen zu müssen. Bei Taschen ist das Marktumfeld fragmentierter, aber am Ende hat es jetzt schon gute 40 Jahre funktioniert, dass Modekonzerne ihre Kunden dazu erzogen haben, als wandelnde Litfasssäule herumzuwandern (z.B. Louis Vuitton Bags), und dass bestimmte Marken als Luxusobjekte etabliert werden konnten.

Bei Wein funktioniert das auch einigermaßen (siehe Bordeaux, die Super-Tuscans, Penfolds, usw.). Aber m.E. funktioniert es in letzter Zeit (seit vielleicht 2008 - post Crash) besser in ungesättigten Märkten, in denen Konsumbedürfnisse zunächst durch allseits bekannte Marken befriedigt werden können: China, Südostasien, Brasilien, Russland und - jedoch nicht für alkoholische Getränke - einige arabische Staaten. In den gesättigten Märkten und zunehmend auch in den vorgenannten Ländern, in denen sich das Konsumverhalten in rapider Geschwindigkeit an post-Crash-westliche Muster angleicht, gibt es letztlich seit 2008 das Konsummuster der Individualität, der Rückwendung zu bäuerlichen Traditionen, den Konzepten der Nachhaltigkeit, der Regionalität (bzw. die Illusion derselben). So ziemlich der größte Print-Erfolg der letzten Jahre - die Landlust - ist nur eines von vielen Beispielen für diese Konsummuster. Hinzu kommt der Lifestyle-Faktor des Weingenusses. Das Produkt ist nur noch ein Teil des Marketings, das Erlebnis drumherum gehört auch dazu (siehe die Erlebniswelten der Autohersteller, gläserne Manufakturen, etc.). Bei Wein bedeutet das Erlebnis drumherum vor allem den Weingutsbesuch, das Weingutsfest, Weinbergswanderungen, etc., aber auch, dass man mit Winzern auf Facebook diskutieren kann.

Diese Konsumbedürfnisse kann Bordeaux derzeit nur begrenzt befriedigen. Bordeaux ist unnahbar, man hat das Bild von aristokratischen Figuren, die fünf Mal im Jahr in ihrem Schloss alte Jahrgänge für einen illustren Kreis elitärer Gäste ausschenken, während ihre Gutsverwalter in der Zwischenzeit die Trauben in hochtechnologische Designkeller tragen. Der Lifestyle-Faktor von Bordeaux ist (gefühlt) einer des reinen Konsums, keiner des Dabeiseins.
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 21:06

Kle hat geschrieben:Solange Wein im Bordelais angebaut wird und er mindestens so viele Liebhaber hat wie Tropfen aus dem Jura, mache ich mir über die Zukunft keine Sorgen.

Carsten, um den Status Quo zu halten, müssen die Weine aus dem Bordelais ungefähr 60.000 Mal 60 Mal so viele Liebhaber finden wie für die Weine des Jura (ca. 2.000 ha im Jura vs. ca. 120.000 ha im Bordelais).
Zuletzt geändert von octopussy am Mo 15. Sep 2014, 21:23, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

BeitragMo 15. Sep 2014, 21:21

octopussy hat geschrieben:Carsten, um den Status Quo zu halten, müssen die Weine aus dem Bordelais ungefähr 60.000 Mal so viele Liebhaber finden wie für die Weine des Jura (ca. 2.000 ha im Jura vs. ca. 120.000 ha im Bordelais).

Nona, wenn zwei der drei Zahlen stimmen, stimmt die dritte ganz bestimmt nicht... 120.000 : 2.000 = 60, und nicht 60.000, oder etwa nicht :?:

:lol:

Gruß
Ulli
VorherigeNächste

Zurück zu Bordeaux und Umgebung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Winedom und 42 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen