Kräuterweine

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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Gerald
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Kräuterweine

Beitrag von Gerald »

Hallo,

dieses Jahr möchte ich mich einmal an einem "Kräuterwein" im Stil eines Vermouth versuchen, allerdings natürlich mit einer eigenen Zusammenstellung der Aromen. Diese möchte ich - wie ich es schon bei Kräuterlikör gemacht habe - zuerst als alkoholischen Extrakt herstellen und erst zum Schluss zusammenstellen, damit keines der Aromen dominiert.

Vielleicht hat ja jemand Erfahrung mit solchen Produkten und kann mir ein paar Tipps geben, insbesondere:

- welchen Wein verwenden?
- Wein vorher auf ca. 70-80°C erhitzen (Oxidationsschutz) oder nicht?
- Kräuterextrakte aus frischen Kräutern herstellen oder vorher trocknen? (mit frischen Kräutern hatte ich manchmal das Problem, dass der Extrakt durch Oxidation braun geworden ist und das Aroma verloren hat, beim Trocknen hingegen gehen die Aromen teilweise schon vorher verloren)
- hat schon jemand Erfahrung mit "Turboextraktion" von Kräutern (ca. 5 min. mit Pürierstab unter leichter Kühlung statt wochenlang)

Grüße,
Gerald
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Alas
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Alas »

Hallo Gerald!

Keine schlechte Idee! Vielleicht versuche ich das auch.
Zunächst kommt es wohl darauf an welche Eigenschaften das fertige Produkt haben soll; rot oder weiß, süß oder nicht, Geschmacksrichtung, usw..
Warum willst du den Wein den kochen? Ein Wermut (Vermouth) ist aufgespritet.
Die Verfärbung der Kräuter erscheint mir auch unwichtig, denn es sollte wohl nur ein Extrakt verwendet werden und die Farbe wird dann im Endeffekt vom Wein bestimmt.
Ein Turboextrakt scheint mir logisch und kann man vom Pesto ableiten, nur eben z.B. Vodka, anstatt Öl.

Gruß

Alas
wat den een sien uhl is den annern sien nachtigall
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Gerald
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Gerald »

Hallo Alas,

ob weiß oder rot ist mir eigentlich egal, ich möchte den Wein aber leicht süß machen, um eventuelle leicht unsaubere Eindrücke zu überdecken (so wie üblich bei restsüßen Weinen ;) ). Aufgespritet wird er natürlich werden, aber nicht allzu stark, auf vielleicht 15-20 Vol.%.

Die Idee mit dem Erhitzen des Weins kommt daher, damit sich das Produkt nicht so wie ein Wein entwickelt, den man wochenlang offen stehen lässt. Durch das Erhitzen sollen die Enzyme deaktiviert werden. Ist aber natürlich die Frage, ob sich der Geschmack nicht dadurch negativ verändert. Vielleicht muss ich einfach beide Varianten ausprobieren. Irgendwo habe ich - glaube ich - einmal gelesen, dass die Grundweine für Vermouth auch erhitzt werden.

Die Verfärbung der Kräuter wäre mir an sich egal, aber nicht die Änderungen im Geschmack. Zumindest bei manchen Kräutern passiert das nämlich. Probier' einmal einen alkoholischen Auszug aus frischer Pfefferminze zu machen. Nach ein paar Tagen wird die anfangs leuchtend grüne Flüssigkeit nämlich braun und schmeckt nur mehr undefiniert, jedenfalls nicht mehr nach Minze. Ich weiß nicht, ob das bei allen Kräutern so ist, daher bin ich über Tipps dankbar.

Konkret hätte ich an Ysop, Zitronenmelisse und Schafgarbe gedacht, eventuell auch Weinraute. Dazu andere (unproblematische) Extrakte, insb. Zitronen- und Orangenschalen, Enzianwurzel, Vanille, Zimt, Nelken und Koriander.

Grüße,
Gerald
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Herr S.
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Herr S. »

Hallo Gerald,

ggf. kann die Zugabe von etwas Ascorbinsäure helfen, die Oxidation der Aromen zumindest so lange zu verzögern, bis das Ergebnis sicher verschlsosen auf der Flasche ist?

Viele Grüße,
Björn

P.S. Artemisia spec. kommt auf Deiner Kräuterliste nicht vor ? ;)
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Gerald
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Gerald »

Hallo Björn,

das Produkt sollte - so wie Vermouth - aber auch in der bereits geöffneten Flasche zumindest einige Wochen halten. Und da hilft nach meinen Erfahrungen (z.B. mit Verjus) Ascorbinsäure nicht wirklich.

Welche Artemisia-Arten meinst du konkret? Wermutkraut (A. absinthium) schmeckt derart extrem bitter, dass ich das nicht wirklich beabsichtige. Ich glaube auch nicht, dass im kommerziellen Vermouth heutzutage noch etwas davon enthalten ist, höchstens ein Destillat ohne Bitterstoffe. Eberraute habe ich nicht im Garten (schmeckt mir auch nicht), Beifuß finde ich hingegen überall am Weg. Edelraute (z.B. im Génépi) habe ich leider auch nicht zur Verfügung.

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Kräuterweine

Beitrag von MichaelWagner »

Hallo Gerald,

vielleicht ein kleiner Tipp (so mache ich den Glühwein, sind zwar Gewürze und keine Kräuter, sollte aber auch gehen):

1. Die Kräuter häckseln und in einen Stoffsack stecken (Die gute alte Jutetasche am besten).

2. Ein paar Liter Wein in einem Topf erhitzen. Nicht über 60 Grad, sonst Alkohol futsch und evtl. geschmackliche Beeinflussung (Weiss nicht, ob Du einen Glühweintopf mit Temperaturregelung hast?)

3. Den Sack mit den Kräutern reinhängen und ca 20 Minuten ziehen lassen

4. Dann den Wein aus dem Kochtopf zum Zielwein und den Sack mit den Kräutern auch ca 2 Tage reinhängen. Lieber etwas weniger Zielwein nehmen und wenns zu extrem schmeckt, einfach rückverschneiden mit dem normalen Ausgangswein ums abzumildern.

5. Dann "aufspriten und süßen nach Geschmack" und fertig.

Wenn Du Dir bzgl der Kräutermischung nicht sicher bist, einfach die Kräuter separat ansetzen und dann am Schluss die verschiedenen Kräuterweine nach Geschmack verschneiden.

Ascorbinsäure ist generell nicht zu empfehlen, da Du damit die mühsam gewonnenen Geschmacksstoffe "plattmachst".

Gruß
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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Gerald
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Gerald »

Danke, das ist auch eine interessante Alternative - also die Kräuter nicht kalt mit hochprozentigem Alkohol extrahieren, sondern heiß mit Wein. Quasi ein "Kräutertee" auf Weinbasis.

Thermometer und auch Temperaturregler hätte ich zur Verfügung, das lässt sich schon machen. Ich glaube aber, dass mind. 70 °C notwendig sein sollten, um die Enzyme zu inaktivieren, oder?

Grüße,
Gerald
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Herr S.
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Herr S. »

Hallo Gerald,

Artemisia war mehr im Scherz gemeint, ich möchte doch nicht, daß Dir die Thujone die Synapsen perforieren :shock: .

Ich würde ja tendenziell die Variante wählen, die gehäckselten Kräuter zuerst in Alkohol zu mazerieren und dann ggf. nochmal in den Wein zu hängen plus Zugabe des alkoholischen Auzugs. Muss ja nicht viel Alkohol sein. So kannst du nachher noch aufspritten. Es spricht da aber auch eher der Chemiker denn der Ernährungswissenschaftler aus mir.

Viele Grüße,
Björn
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Gerald
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Re: Kräuterweine

Beitrag von Gerald »

Ja, nur beim Mazerieren in Alkohol (kalt) stellt sich eben die Frage, ob man die Kräuter vorher trocknen soll. Bei Pfefferminze hat mein Versuch mit frischen Blättern wie erwähnt ja recht traurige Resultate gebracht. Andere Kräuter (z.B. Gamander) werden auch braun, behalten aber ihr Aroma.

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Kräuterweine

Beitrag von MichaelWagner »

ja, genau wie Tee auf Weinbasis. Allerdings nur der kleine Teil des Weins, der mit den Kräutern erwärmt wird.
70 Grad allerdings max. wegen der flüchtigen Bestandteile, wobei das auch nicht so extrem wichtig ist, da ich bspw für den Glühwein für ein 1000-Liter Fass nur ca 10 Liter Flüssigkeit zum extrahieren benötige, also ca. 1%. Wenn da jetzt ein wenig Alkohol/Geschmack in diesem 1 % verloren geht, wirds nachher kaum schmeckbar sein, plus Du sprittest ja auf.
Und die Extraktion geht schneller und Du hast weniger Gefahr der Verfärbung denke ich.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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