Um in die Liste der schönsten Dörfer seines Landes aufgenommen zu werden, muss sich ein Dorf in Frankreich schon sehr anstrengen. Nicht mehr als 2000 Einwohner darf es haben, mindestens zwei historische Monumente aufweisen und eine Politik des Geschichts- und Kulturerbes betreiben, ökologisches Bewusstsein kann ich auch nicht schaden. Dann darf es sich ein Schild an den Ortseingang stellen, dass es zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört, was zwar keine offizielle Bezeichnung ist, aber durchaus einen heilsamen Einfluss auf den Tourismus haben kann.
Hätte man unsere Tante L. zu Lebzeiten gefragt, so wäre das alles gar nicht nötig gewesen. Das schönste Dorf Frankreichs, da gab es für sie überhaupt keinen Zweifel, ist das kleine Dörfchen Mercurey an Côte Chalonnaise.
Den Grundstein für diese lebenslange Liebe hat Ihr Mann, Onkel H., gelegt, der als Kriegsgefangener dort bei den Weinbauern als Feldarbeiter eingesetzt wurde. Und was die Menschheit im Großen nicht schafft, das haben Onkel H. und seine Einsatzfamilie im Kleinen geschafft. Über alle politischen, nationalen und sprachlichen Grenzen hinweg wurden sie Freunde, feierten Hochzeiten und Kindstaufen zusammen, besuchten sich gegenseitig und als sie sich nicht mehr besuchen konnten, schrieben sie sich Briefe, die ihnen sprachgewandte Verwandte und Freunde gegenseitig übersetzen. Denn mündlich und schriftlich, das war für diesen Freundeskreis ein himmelweiter Unterschied.
Jeden Urlaub verbrachte Tante L. dort auch noch nach Onkel H.s frühem Tod, deckte sich bei der Gelegenheit mit dem lokalen Wein und den allerneusten Neuigkeiten aus dem Dorf ein. In Mercurey hatte sie keinerlei Zipperlein oder schlechte Laune.
Und als wir vor vielen Jahren mit Weinfreunden eine Burgundreise machten, gerieten wir in das damals noch Michelin besternte Restaurant der Hostellerie le Val d'Or in ebenda, Mercurey. Sofort erinnerten wir uns an Tantens Erzählungen und konnten sie gleich verstehen. Übrigens, zu Hause angekommen, kommentierte Tante L. unsere Restaurantwahl mit den Worten "Tz tz tz! Ins Val d'Or, da gehen doch nur die reichen Leute aus Paris, in Mercurey isst man bei Y. und L.!" Ein Mercuréen hätte es sicher nicht besser ausdrücken können, nur auf Französisch.
Seitdem ist Mercurey auch bei uns, bei Herrn susa und mir, Familientradition geworden, unser Standard-Stoppover auf dem Weg an die Côte d'Azur und Ausgangspunkt für Weinreisen durch das Burgund.
Die Weine dort haben wir ebenfalls schätzen gelernt. Es sind nicht die großartigen komplexen mineralischen Chardonnays, wie man sie im nicht weit entfernten Montrachet findet, oder die subtil eleganten fast kapriziösen Pinots der nördlich gelegenen Côte de Beaune oder Côte de Nuits. Es sind einfache, gradlinige, etwas rustikale aber überaus charmante Weine voller Kraft mit klaren Aromen.
Unser Lieblingswinzer dort ist François Raquillet, gleich hinter der Kirche, vor allem seine Weißweine begeistern seit Jahren und mit durchaus etwas mehr als nur Charme, sie verfügen über eine zarte Mineralität, je nach Lage eher fruchtbetonte oder florale Noten, immer aber dicht und mit kraftvollem Schmelz. Unsere diesjährige Auswahl haben wir "blind" gekauft und zum ersten Mal nicht beim Winzer selber, sondern im vor einigen Jahren neu errichteten Caveau, der dort aber wortspielend DiVin Mercurey heißt. Der freundliche Verkäufer beruhigte uns gleich "Eh, Monsieur, c'est Raquillet, hein …!" Und deswegen haben wir dann noch ein paar andere probiert und gekauft, unter anderem den ersten 2011er Weißwein für dieses Jahr und er verspricht, gut zu werden.
2011 Les Ormeaux
Château d'Etroyes, Mercurey AOC, Côte Chalonnaise
Zartes Gelb und eine sehr feine mineralische Nase mit Grapefruit- und Limettenduft, am Gaumen recht geschliffen klar, angenehme nicht zu dominante Säure, nun auch leichtes Pfirsicharoma, wiederum Mineral, mittellanger feiner Abgang.
Wow, nach drei Wochen Côte d'Azur (man erinnere sich an meine Einlassungen hier ) ein erfrischendes Erlebnis. Kein Chichi und Blingbling, dafür ein solider, sehr fein strukturierter Wein und schon durchaus ein wenig mehr als "nur" Alltagsqualität. Und die Preise so wohltuend angemessen und fair, 11.80€ ab Hof bzw. ab Caveau.
Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Merc.
- susa
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Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Merc.
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- Markus Vahlefeld
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Re: Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Me
Was für ein wunderbarer Wochenbeginn nach dem langen Pfingstwochenende!
susa, Du solltest Deine Kolumnen Montags posten, dass wir uns alle auf die Woche freuen können.
Sag, wie ist der Holzeinsatz bei dem Wein? Wenn er mit ca. EUR 12 fair bepreist ist, gehe ich von einer Partie im neuen Holz aus...
susa, Du solltest Deine Kolumnen Montags posten, dass wir uns alle auf die Woche freuen können.
Sag, wie ist der Holzeinsatz bei dem Wein? Wenn er mit ca. EUR 12 fair bepreist ist, gehe ich von einer Partie im neuen Holz aus...
- susa
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Re: Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Me
Was Genaues weiß man bzw. ich nicht, vom Wein sind 30% im Holz (fût de chêne sagt das fact sheet) ausgebaut und der Rest im Stahltank, ob das Holz neu oder alt ist, hab ich nicht herausgefunden.
Im gesamten Burgund ist der Holzeinsatz ja eher eine Glaubensfrage, sehr vielen Winzern kann das Holz gar nicht alt genug sein, weil sie eine dominante Holznote in ihren Weinen gar nicht so sehr schätzen, insofern werden bei manchen alte Fässer genauso teuer gehandelt wie bei anderen die neuen.
Im Wein selber gab es eine ganz zarte nicht süße Holzandeutung, ich kann nun nicht sagen, ob das an der Cuvée oder den Charakteristika des Holzes an sich liegt.
lieben Gruß
susa
Im gesamten Burgund ist der Holzeinsatz ja eher eine Glaubensfrage, sehr vielen Winzern kann das Holz gar nicht alt genug sein, weil sie eine dominante Holznote in ihren Weinen gar nicht so sehr schätzen, insofern werden bei manchen alte Fässer genauso teuer gehandelt wie bei anderen die neuen.
Im Wein selber gab es eine ganz zarte nicht süße Holzandeutung, ich kann nun nicht sagen, ob das an der Cuvée oder den Charakteristika des Holzes an sich liegt.
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susa
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Re: Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Me
Weißt Du dafür Beispiele oder eine Quelle, wo man genaueres erfahren kann?susa hat geschrieben:... sehr vielen Winzern kann das Holz gar nicht alt genug sein, weil sie eine dominante Holznote in ihren Weinen gar nicht so sehr schätzen, ...
Und ich dachte schon, die Gegend ist für mich total uninteressant:-)
Beste Grüße
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Re: Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Me
Erzählt hat es mir bei einem Besuch der damalige Kellermeister von Giroud (Monsieur Cats), inzwischen gehört das Gut allerdings einem ich glaube kanadischen Investorengespann und die scheinen wohl an der Stilistikschraube zu drehen. Das Gleiche wurde mir bei Comte de Vogüe von François Millet (eine faszinierende Personlichkeit) und bei Roumier erzählt.
Und die Weine haben auch wirklich keine sehr intensive Holznote.
lieben Gruß
susa
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susa
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- Alas
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Re: Auf ein Glas ..... 2011 Chât. d'Etroyes, Les Ormeaux, Me
Hallo Susa!
Das hast du gut geschrieben. Der Ort und die Weine werden plastisch, auch Tante und Onkel.
Auch habe ich schon mehrere Menschen getroffen, die von ihrer Kriegsgefangenschaft in Frankreich nur Bestes berichtet haben, bzw. sich dann Freundschaft entwickelte.
Die Tage hatte ich den Ansatz für eine Story im Kopf, die einige Eckpunkte der deinigen hat (Südfrankreich, Urlaub, dann Dorf in Frankreich...). Bislang habe ich aber weder Wein, noch Ort. Mal sehen was wird.
Beste Grüße
Alas
Das hast du gut geschrieben. Der Ort und die Weine werden plastisch, auch Tante und Onkel.
Auch habe ich schon mehrere Menschen getroffen, die von ihrer Kriegsgefangenschaft in Frankreich nur Bestes berichtet haben, bzw. sich dann Freundschaft entwickelte.
Die Tage hatte ich den Ansatz für eine Story im Kopf, die einige Eckpunkte der deinigen hat (Südfrankreich, Urlaub, dann Dorf in Frankreich...). Bislang habe ich aber weder Wein, noch Ort. Mal sehen was wird.
Beste Grüße
Alas
wat den een sien uhl is den annern sien nachtigall