Wen ich mal meinen Senf dazugeben darf: ein überaus schwieriges Thema. Ich persönlich glaube auch das es gerade viele deutsche Winzer massiv unterschätzen.
800ha Neuanlage sind nicht mal die Spitze des Weinbergs. Die momentange Gesamtrebfläche beträgt etwa 100.000ha. Das ist im europäischen Vergleich recht zwergenhaft und gemessen am deutschen Weinverbrauch erzeugen wir rein mengenmässig etwa 40% des Eigenbedarfs. Also Platz zum wachsen?
Wenn ich noch kurz in Erinnerung rufen darf: das was wie hier in der Regel unter "Wein" verstehen, also mit Jahrgang, Herkunft, evtl. sogar Lage, von Weingut oder Genossenschaft hergestellt, aus "Qualitätssorten", zwischen einem und mehreren Jahren trinkbar, ab 3€ aufwärts, das hat am Gesamtweinmarkt einen Anteil von etwa 1-5%, je nach Statistik(gibts z.B. beim DWI). Und der ganze Rest, alles Tetrapack? Naja, Spanien liefert reichlich Industriealkohol in die USA als Treibstoff, gewonnen aus Trauben, im Anbau natürlich subventioniert.
Und warum ist Schaumwein eigentlich für unter 2€ rentabel? Könnte damit zu tun haben, das Grundweine für etwa 15
Cent/L zu haben sind. Denkt immer noch jemand an den freundlichen deutschen Winzer auf dem Dorf der von 10ha Fassweinverkauf lebt? Ja?
Und wie schaut es damit aus wenn die großen Kellerein in Deutschland anfangen mal genau nachzurechnen und feststellen, das 50-60-70 Cent/l für deutsche Grundweine ziemlich teuer aussehen. Vor allem wenn man in der ganzen EU überall Rebfläche anlegen kann so viel man will..hmmm...wenn's da nur Fachkräfte gäbe...war da nicht was? Polen? Rumänien? Bulgarien? Nein? Sorry, muss mich verlesen haben. Da kommt also niemand auf die Idee mit ein bißchen Geld in der Hand einfach mal
tausende von Hektar kostengünstig neu anzulegen oder zu modernisieren und quasi industriell zu bewirtschaften...
Um ganz unpolemisch auf die heimische Situation zurückzukommen: die 100.000ha der Gegenwart sind historisch gesehn nicht die ganze geeignete Rebfläche. Und durch die neuen Züchtungen, veränderte Weinbautechniken und den lieben Klimawandel kann man heute relativ getrost in fast ganz Deutschland Wein erzeugen - wenn man das unbedingt möchte. Es ist mehr eine Frage von leicht&preiswert vs. schwierig&teuer. An so Worte wie "Lagenpotential" wollen wir nicht mal denken, es geht um Anbaumöglichkeiten, also im Prinzip wie bei Kartoffeln. So ziemlich niemand wird beim Fall des Anbaustopps schreien: Juchhuu, ich kann die alten Steillagen wieder aufmachen! Eher denken sich 99,99% der Leute, fein, Rüben raus, Wein rein, da kann ich mit meinem neuen FendtVario Schlepper mal so richtig Gas geben...und da muss auch nicht was schlechtes bei herauskommen, das sollte auch mal klar gesagt werden.
Wir werden einen neuen, zweiten Weinbau bekommen. Die traditionellen Flächen werden noch schärfer entlang der Wirtschaftlichkeit betrachtet werden und teilweise durch neue Anlagen ersetzt werden. Woher ein Wein kommt wird noch unübersichtlicher werden. Aber vielleicht auch weniger wichtig. Im allergrößten Idealfall werden sich diejenigen Erzeuger mit den höchsten, tatsächlichen Qualitätsansprüchen die schwierigen Lagen -die oft zu den besten gehören- teilen und daraus weiterhin große Weine machen. Ohne das andere zweifelhafte Ware unter dem selben Namen anbieten. Tja, das wäre schön, was...
Was ich insgesamt versuche klarzumachen: unser Problem ist nicht wie der einzelne gut aufgestelle Spitzenbetrieb mit dem Wegfall umgeht, sondern eher ob der deutsche Weinmarkt insgesamt ex- oder implodiert, oder nur alles ein bißchen anders wird.

"A German wine label is one of the things life's too short for, a daunting testimony to that peculiar nation's love of detail and organization."
Kingsley Amis Everyday Drinking