Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

eingeschenkt von: susa – Plaudereien über Gott und die Welt und auch über Wein
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susa
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Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von susa »

Wenn man bei der englischen Königin eingeladen ist, so heißt es, bekommt man von der Protokollstelle des Hofes eine "Bedienungsanleitung", Verhaltensregeln ungefähr vom Unfang des Aachener Telefonbuchs, an die man sich zu halten hat. Wie der Hofknicks (Damen) und die ehrerbietige Verbeugung (Herren) durchzuführen sind, von denen man allerhöchstens durch einschlägige Krankheit oder sehr hohes Alter entbunden werden kann. Welche Kleidung angemessen ist, wie man sich bei Tisch zu verhalten hat und vor allem, über welche Themen das Tischgespräch zu kreisen hat.

Oder besser nicht zu kreisen hat. Die Erörterung sämtlicher Mitglieder der königlichen Familie, zwei- bis vierbeinig ist tabu, ebenfalls die Politik, Krankheiten gehen auch nicht und ob man einen Witz machen möchte, das sollte man sich tunlichst überlegen, es ist nur ein schmaler Grat an Humor, der für die Tafel ihrer königlichen Hoheit als angemessen erscheint. Auch ist man gehalten, ungefragt nichts über sich selber zu erzählen, sollte die Monarchin das Wort an einen richten, oder gar Urlaubs- und Familienfotos herzeigen.

Tja, über was in aller Welt redet man dann noch? Wahrscheinlich nur übers Wetter, was zwar kein besonders intellektueller Gesprächsgegenstand ist, aber unverfänglich. Wetter gibt's immer, Wetter ist immer schlecht und wenn es mal nicht schlecht ist, ist es gut. Und für's Wetter kann keiner (wenn man mal von den Theorien zum Klimawandel absieht).

Was für die unverbindliche allgemeine Konversation das Wetter, das ist für die unter Weinliebhabern der Bordeauxpreis. Einen Bordeauxpreis gibt es immer, und immer ist er zu hoch und wenn er mal sinkt, dann nicht für lange und nicht für alle Werte. Den Bordeauxpreis kann man genauso wenig beeinflussen, wie das Wetter, aber man kann ihn – ebenso wie die meteorologischen Phänomene – analysieren, in eindrucksvollen Kurven, Balken- und Tortengrafiken darstellen, kluge Untersuchungen und Prognosen anstellen und es ja eigentlich immer schon gewusst haben. Genau wie beim Wetter.

Außerdem sollte man ja meinen, dass auch das Wetter selber auf den Preis einer Flasche Bordeaux einen Einfluss hat, immerhin bestimmt es den Jahrgangsverlauf und damit die Qualität des Ausgangsmaterials. Aber ich bitte Euch, so einfach ist doch nicht. Ich will jetzt gar nicht auf die Sache mit den modernen Ausbaumethoden und der fortgeschrittenen Kellertechnik hinaus. Nein, es ist noch viel einfacher: ist das Wetter übers Jahr gut, dann steigt der Preis, ist es nicht gut gewesen, dann steigt er auch, wenn er nicht gerade sinkt. Ein bisschen wie beim Benzinpreis, aber der geht wenigstens einigermaßen zuverlässig montags vormittags mal kurz runter, weswegen sich dann lange Schlangen an den Tankstellen bilden (und deswegen kann ich auch montags keine Postillen oder Blogbeiträge schreiben, weil ich dann an der Tankstelle Schlange stehe).

So, jetzt steh ich hier, an der Tankstelle, Bordeauxpreis und Wetter im Rücken, und kann mir überlegen, wie ich eine geschickte Überleitung zum heutigen Wein bekomme.

Der heutige Wein ist ein Port, also aufgespritet, und manche Puristen wollen ihn lieber nicht zu den Weinen zählen. Da kann man sich sicher lange und ausgiebig drüber unterhalten (aber wohl besser nicht bei Tisch ihrer Königlichen Hoheit der zweiten Elisabeth). Ports, Sherries, Madeiras fristen ja ein gewisses Nischendasein, in mancher Wahrnehmung sind sie nur als klebrig süßes Getränk für ältere Damen besetzt, die sich damit nachmittags ihre Partie Canasta beleben. Dabei – aber hier muss ich das ja nicht detailliert ausbreiten – gibt es sie von trocken bis süß, von einfach bis wunderbar komplex und bezaubernd.

Herr susa und ich haben immer gerne eine Flasche LBV rumstehen, so als Aperitif, oder wenn man keine neue Flasche Wein öffnen will, aber zum Feierabend doch gerne mal ein Gläschen trinkt, oder zum Käse. Dann müssen wir feststellen, dass die Auswahl in den einschlägigen Fachgeschäften oder auch bei den Internethändlern uV doch recht übersichtlich ist.

So auch letzte Woche als wir in Köln nach einem feinen Essen im angeschlossenen Weinhandel des Restaurants Ausschau nach einer Flasche LBV hielten. Es gab ein paar Flaschen Vintage Port, deren Anschaffungspreis mit jedem Super Second aus dem Bordelais mithalten konnte, aber in der "mal schnell so zum Mitnehmen"-Preisklasse war dann erst mal nichts da. Die freundliche Sommelière hat dann im Keller doch noch was gefunden. Und weil sie sich so gefreut hat, dass sich mal jemand für die ihrer (und nicht nur ihrer) Meinung nach so unterschätzen Weine interessierte, hat sie uns, als wir schon im Mantel standen, noch mal schnell zurückgerufen und uns ein Gläschen im Stehen angeboten.

Taylor 20 Years Old Tawny Port

Hmmm war der gut. Wunderbar würzige Aromen in der Nase, Trockenfrüchte, Malz, Karamell, Haselnuss, cremig aber nicht klebrig, fein am Gaumen, wiederum Hasel- und Walnussaromen und Karamell und ein feiner Abgang, dessen Aromenspiel wir fast über den ganzen Heimweg noch auf der Zunge spürten.

Und sie hat geschafft, dass ich mich jetzt durchs Internet gesucht habe und mir so nach und nach ein paar Flaschen guten Port hinlegen werde, sollte man doch immer im Haus haben.

Tipps und Hinweise nehme ich gerne entgegen.

Prost!
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_AL_
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Re: Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von _AL_ »

... Wooow ... ich weiss gar nicht mehr, wann ich zuletzt Canaster gespielt habe. Mir ist nur der Begriff "Damencanaster" hängengeblieben (alles zählt, auch das Blatt auf der Hand, damit die älteren Damen sich nicht zu sehr aufregen).

Liebe Susa,
hier ein Tipp zum Einkauf ...

http://www.portwine.de/shop/wbc.php?sid ... tml&rid=19

Der kleine Weinladen in Berlin-Charlottenburg hat wesentlich mehr Ports im Angebot als es die Webseite auf den ersten Blick erkennen lässt. Ich würde einfach mal anrufen und um die Zusendung der gefühlt 35seitigen Portweinliste bitten!

Viele Grüße
Alexander
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theater69
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Re: Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von theater69 »

Moin,

ich bin für einen guten Port immer zu haben (zwischen den Jahren hatten wir einen 1989er, von dem ich mir allerdings nicht mehr gemerkt habe :oops: ), aber er war saulecker und - ich erinnere mich noch mit Grausen - auch ziemlich teuer. Anschaffung lag allerdings schon ein paar Jahre zurück.

Was mich i Zusammenhang mit Port allerdings interessieren würde: Wie lange ist ein geöffneter Port in der (natürlich wiederverschlossenen) Flasche haltbar - Zimmertemperatur vorausgesetzt?
LG
Andreas

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susa
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Re: Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von susa »

Hallo Andreas

wir hatten schon mal einen Noval LBV über mehrere Monate geöffnet rumstehen, allerdings nicht im Wohnzimmer sondern im Keller auf dem Weinkühlschrank bei den Schnäpsen, da ist es so zwischen 17° und 18° und der schmeckte immer noch und hatte nur unwesentlich an Aroma verloren. Sechs Wochen hält der sicher problemlos.

lieben Gruß
susa
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theater69
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Re: Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von theater69 »

Merci
LG
Andreas

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Einzelflaschenfreund
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Re: Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von Einzelflaschenfreund »

Zur Haltbarkeit: Am stabilsten sind idR Tawnys und Colheitas. Letztere sind auch meine besondere Empfehlung. Sowohl in ihrer Bernsteinoptik als auch ihrer Aromatik (weniger beerig, aber ähnlich komplex wie ein LBV z. B.) ganz eigenständig im Port-Universum.

Viele Grüße
Guido
mvwein
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Re: Auf ein Glas ..... Taylor 20 Years Old Tawny Port

Beitrag von mvwein »

Den letzten Colheita den ich hatte, war einer aus dem Jahre 1967. Und ich hatte bedenken. Aber diese wurden wahrlich zerstreut. Charme, Fülle und einfach lecker. Bei dem Artikel von Susa bin ich geneigt mal wieder was zu kaufen. Habe richtig Appetit bekommen.

Danke Susa!
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