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Le Nez du Vin

Verfasst: Mi 30. Nov 2011, 22:51
von kristof
Hallo zusammen,

jaja, ich weiß, das Thema wurde bestimmt schon ein paar Mal durchs Dorf respektive diverse Foren getrieben. Trotzdem:

Ein Mitverkoster hatte das Nez du Vin - Set bei der Gloria Vertikale dabei und ich habe etwas damit gespielt. War mein erster Kontakt mit dem Ding. Unabhängig vom Preis, der einen Erwerb für mich wirklich nicht unbedingt nahelegt:

Wer hat nähere Erfahrungen damit gemacht? Ist das - grundsätzlich und preisunabhängig - ein sinnvolles Schulungsinstrument? Wie gut sind die (künstlichen) Aromen?

Danke für Eure Meinungen und Erfahrungen!

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Mi 30. Nov 2011, 23:12
von innauen
Hallo Christoph,

je länger ich mich mit Wein beschäftige, desto weniger meine ich, dass die Aromensprache die wahre Entsprechung zur Beschreibung eines Weines ist. Le Nez du Vin treibt das Aromenspiel ja auf den Gipfel. Wo ist der Unterschied zwischen Johannesbeere und der Knospe einer Johannesbeere?! :shock: Liest man die Gabriel-Weinbeschreibungen, dann werden die Aromenassoziationen ja immer wilder. Erst Pilze, dann Trüffel, dann schwarze und dann weisse (habe ich noch nie gegessen, fehlt mir deshalb eine Dimension, um dem Wein gerecht zu werden?), dann sind die Pilze getrocknet, dann sind es Perigord-Trüffel. Wird das nicht ein wenig zu "Deutschland sucht die Supernase". Wir suchen noch den Typen, der anhand der Autoabgase erschnüffeln kann, an welcher Tankstelle man kurz vorher sein Benzin bezogen hat. :?:

Ich muss kritisch bei mir selbst bemerken, dass ich meist das im Wein wahrnehme, was ich gerade erst zuvor gegessen oder geschmeckt habe. Beim Schluck aus dem Glas lösen sich die Assoziationen unbewußt auf, kommen wieder nach oben und in den Verkostungnotizen steht dann etwas von Brotkrume. Klar. Liegt ja auch auf dem Tisch rum :? . Objektivität dürfen Aromenassoziationen daher für mich nicht haben. Sie sind praktisch, um zB ein Essen zum Wein zu kombinieren und ähnliche Aromen zusammenzustellen. Sie geben einen ersten Zugang. Aber mehr auch nicht. Der für seine komplizierte Sprache früher viel gescholtene Matthias Hilse geht für mich einen konsequenten und wie ich finde immer nachvollziehbaren Weg. Assoziationen können sich auch an Gefühlen oder an Wissen bedienen. Man kann einen Wein als Persönlichkeit begreifen. Das ist für die Nachvollziehbarkeit vielleicht nicht immer hilfreich. Aber es macht deutlich, dass ich einen Wein immer ein wenig anders als mein Mittrinker verstehen werde. Auch das war ja eine Erkenntnis der Gloria-Probe. Wir haben sehr unterschiedlich und teilweise konträr auf die selben Weine aus den selben Flaschen reagiert.

Daher meine ich, das Le Nez du Vin ist eine hübsche Idee. Hilfreich für den, der sich hier vervollkommnen will oder kann. Aber ich möchte mich eigentlich aus dem Aromenschema lösen.

Grüße,

wolf

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 07:38
von Markus Vahlefeld
Hi Wolf,

Du sprichst mir aus der Seele! Ich finde ebenfalls, dass die sich stetig verändernden Aromen den Wein in seinem Wesen nicht beschreiben können. Je mehr Aromen erkannt werden, desto freakiger müssen sie werden, um als Identität eines Weins durchgehen zu können. Das führt dann zu so absurden Schöpfungen, wie von Dir angeführt.

Trotzdem möchte ich eine Lanze für Le Nez du Vin brechen. Denn - vor allem im Vergleich mit Konkurrenzprodukten - die Qualität des Sets ist wirklich herausragend und es bringt als "Spiel" sehr viel Spass. Es übt die Nase. Das Gelernte und Geübte muss man dann halt wieder überwinden :D

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 09:32
von kristof
Wobei es mir – wenn überhaupt – erst in zweiter Linie um Weinbeschreibungen im Sinne von Verkostungsnotizen ginge. Dass ein jeder Weine unterschiedlich weil subjektiv wahrnimmt, ist klar. Um aber den Wein zuordnen zu können – Region, Rebsorte(n), Alter – braucht es doch die Aromen. Mein Interesse an Nez du Vin geht in diese Richtung – als (spielerisches) Schulungsinstrument, nicht als Anleitung zum Verfassen von VKNs. Bei diesen bin ich zwiespältig – natürlich ist eine reine Aromenbeschreibung nicht ausreichend, um einen Wein zu charakterisieren. Sich ganz davon lösen kann man m.E. aber nicht, angestrengte Formulierungs“künste“ bieten (für mich) keine echte Alternative.

Aus Euren Antworten ziehe ich bislang ein positives Resumee, was Qualität und Nutzen angeht. Denn auch um sich vom Aromenschema zu lösen, muß man es zuvor beherrschen. Oder?

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 09:36
von harti
Hallo zusammen,

für mich ist Le Nez du Vin nichts anderes als ein nettes Gesellschaftsspiel. Man lässt die Leute raten und kann sich dann freuen, dass die künstlichen Aromen nur selten bestimmt werden :lol: .

Christoph, ich leihe Dir meinen Kasten (den großen) bei Deinem nächsten Göttingen-Besuch gern einmal aus, dann kannst Du ausgiebig testen, ob die knapp 300 € gut investiert wären.

Grüße

Hartmut

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 10:16
von Charlie
Durfte ja auch mal kurz ran. Ich fand die Qualität der Aromen und die technische Aufmachung (also z.Bsp. wie intensiv der Duft aus dem Fläschchen quillt) hervorragend. Hätte gern noch mit dem Ding gespielt. Also sicher ein prima Gesellschaftsspiel. Allerdings würde ich gern mal die Aromen aus dem Nez du Vin mit echten vergleichen, soweit das überhaupt geht. Denn natürlich wäre es praktisch, die Konventionen über Düfte festzulegen. Also in der Art "wir nenen diesen Duft Rose wenn es wie das Fläschen Rose aus dem Nez du Vin riecht". Dafür müsste es aber aus dem Fläschen in etwa nach echter Rose duften.
Eine Sache spricht grundsätzlich gegen den Nez du Vin: wenn wir davon lernen wie Dinge schmecken, dann sind wir nochmal einen Schritt weg vom Echten, klar, aber was noch viel schlimmer ist, von den zugehörigen Emotionen. Ein guter Apfel riecht nicht nur gut nach Apfel, er schmeckt auch so, ist saftig und knackt und ist rund und rot dazu und wenn man ein paarmal reingebissen hat, ist da drin ein Gehäuse mit Kernen drin, den Butzen kann man wegschmeissen oder in die Hosentasche stecken, das hat weitere olfaktorische und haptische Konsequenzen, usw usf.
Trotzdem: gut gemacht!

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 10:21
von kristof
Charlie, da hast Du natürlich nicht ganz unrecht.

Das Aroma, den Geschmack und Geruch von Erdbeeren sollen meine Kinder auch durch Erdbeeren lernen und nicht durch Joghurt, in denen Sägespäe füe erdbeerähnliche Aromen sorgen....

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 10:23
von kristof
harti hat geschrieben: Christoph, ich leihe Dir meinen Kasten (den großen) bei Deinem nächsten Göttingen-Besuch gern einmal aus, dann kannst Du ausgiebig testen, ob die knapp 300 € gut investiert wären.
Ja, vielleicht klappt es beim nächsten Besuch in Göttingen mal wieder - eventuell auch mit "echten Aromen aus echtem Wein". Ich würde mich freuen.

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 11:17
von thvins
Eine wesentlich kostengünstigere Variante und auch nicht unter Zuhilfenahme von Kunstaromen hatten wir dieses Jahr auf der Probe im Cal Compte in Torroja.

Da standen diverse Weingläser mit den echten Dingen herum, die sich als Aromen im Wein finden konnten. Super, wie sich diese Aromen dann aud den Gläsern riechen ließen - und klar könnte man dann immer tiefer auflösen Rote Frucht > Kirsche > Süßkirsche > Burlatkirsche > überreife Burlatkirsche, leicht vergammelt... :mrgreen:

Aber letztlich ist es doch egal, ob man sich bei Süßkirsche oder leicht gammliger Burlatkirsche trifft, höher oder niedriger werten würde man daher nicht. Und so hat die auf die Spitze gebrachte Aromendefinition (hurra, ich kann blind 7 Trüffelsorten geruchlich unterscheiden und wiederfinden oder am Benzinduft den Tankstellenbetreiber identifizieren :ugeek: ) auch was mit Selbstverliebtheit zu tun.

Zum Einen, wie schon IMHO richtig anklang, ist es die Veränderung und Überlappung der Aromen, die Fülle oder manchmal auch die Zurückhaltung das, was die Nase in seiner Gesamtheit fasziniert und was uns zu hohen Nasenpunkten treibt. Die Faszination Nase ist doch eben genau das: Spricht der Wein schon mit mir, indem eine Zahl mich begeisternder Aromen aus dem Glase quillt? Ist der Wein schon über die Nase bereit, Bilder in meinem Kopf heraufzubeschwören? Animiert mich die Nase und verführt mich der Duft oder fühle ich mich erstmal etwas abgestoßen? Will ich das, was ich rieche auch am Gaumen wiederfinden?

Natürlich kann ich dann viel Zeit verwenden, die eigentlich komplexen Düfte zu sezieren und frage dazu meine Aromadatenbank im Hirn, oder die Le Nez du Vin oder die gefüllten Weingläser. Da alles kann helfen.

ich kann aber auch mit Klaus Peter breit grinsend danebenstehen und schwärmend rufen:"Welch genialer Duft", dann reicht der Ausruf, die beseelten Augen und die Gänsehaut und dann steht eine hohe Punktzahl für die Nase auf dem Blatt...

Der Wissenschaftler und der Künstler - solang sie sich über die Größe und Erhabenheit des Weines einig sind, ist es doch eigentlich egal, wie der Wein beschrieben wird.

Re: Le Nez du Vin

Verfasst: Do 1. Dez 2011, 17:18
von olifant
kristof hat geschrieben:... und nicht durch Joghurt, in denen Sägespäe füe erdbeerähnliche Aromen sorgen....
Hallo Christoph,

soweit mir bekannt sorgen die 'Sägespäne' (natürlich eine chemisch veränderte Version davon) nicht für dass Aroma, sondern für die im Joghurt untergemischte Stückchen, in einer Konsistenz, die Erdbeeren imitieren, oder unbedarfte Verbraucher daran erinnern sollen :shock: .
Für's Aroma sorgen synthetisierte Esterverbindungen. Aber soll da mal ein mehr bewanderter Geist was dazu sagen.