Ein unerschöpfliches Thema! Werbung gehört sich nicht! Werbung hat einen Beigeschmack von unseriös. Wer etwas bewirbt, hat etwas zu verbergen. Werbung lügt. Immer. Grundsätzlich. Anständige Menschen haben es nicht nötig, zu werben. Qualität verkauft sich auch ohne Werbung. Werbung ist unanständig.
Ist doch so. Und nicht nur bei uns. Diese Werbungsphobie zieht sich auch durch andere Foren und Blogs wie ein roter Faden. Wenn in einem Kochforum eine unschuldige Frage nach den Vorteilen eines gewissen Wuppertaler Universalschnippelkochunddampfgerätes gestellt wird, dann prasseln auf den in aller Regel unbedarften Fragesteller als erstes wildeste Vermutungen ein, er resp. sie gehöre zum Vertriebsteam dieses Geräts und sämtliche schon immer gehegten Vorurteile gehen auf ihn nieder. Dabei wollte er doch bloß mal wissen, was das Ding taugt.
Schreibt jemand in einem Forum "schau doch mal in meinen Blog, ich habe da einen Artikel über das Thema veröffentlicht" dann wird er schnell feststellen, dass es so nicht geht, da könnte ja jeder kommen und er wolle ja nur seinen Blog bewerben. Na da soll er sich doch bitte was anderes einfallen lassen. Merke: Blogger sind der natürliche Feind der Altforianer (und der Printleute sowieso, aber das Thema hatten wir ja schon
Oder so ein pfiffig beworbener Supermarktweinführer, was hat er für Wellen geschlagen. Der hat's aber jemand nötig gehabt, diese Marketingmaschinerie – aha – da soll wohl der unschuldige Käufer ordentlich genasführt werden. Vor allem, Höhepunkt der propagandistischen Perfidie, dass die Autorin auch noch ausnehmend hübsch ist. Nein so geht es nicht, seriöse Autoren haben gefälligst hässlich zu sein, oder wenn sie das schon nicht hinkriegen, dann sollen sie sich wenigstens so eine gewöhnungsbedürftige Frisur zulegen wie Herta Müller.
Ich geb's zu, ich bin auch nicht ganz frei von solchen Empfindungen. Ich habe jahrelang keinen Wein von Robert Weil gekauft, weil ich diese Werbung mit den vielen "weils" einfach doof fand und gewisse Frühstückscerealien verweigere ich, weil mir deren hausbackene Radiowerbung schlicht auf den Senkel geht. Viele Werbespots finde ich allerdings auch intelligent, pfiffig und unterhaltsam. Bei Fernsehwerbung schwanke ich zwischen dem Vorteil, zwischendurch immer mal wieder Zeit zu haben, neuen Wein zu holen, gewisse Verrichtungen zu erledigen und mal schnell auf einen anderen Sender zu zappen und dem Ärger über die Unterbrechung des Programmflusses.
Werbung ist ein elementarer Bestandteil der menschlichen Kommunikation. Jeder Mensch will Aufmerksamkeit erregen, wirbt um soziale Interaktion, um Anerkennung und Wertschätzung. Werbung in ihrer wirtschaftlichen Ausprägung in Form von Marketing tut nichts anderes und ist grundsätzlich erst einmal als notwendig und hinzunehmen. Ohne Werbung und Marketing würden sich 90% aller Waren und Dienstleitungen schlicht nicht verkaufen mit unabsehbaren Folgen für Volks- und Betriebswirtschaft.
Werbung hat klar als solche erkennbar zu sein ist die Forderung. Wer dafür bezahlt wird, dass er die Vorzüge eines Produktes oder einer Dienstleistung öffentlich darstellt, hat darzulegen, in welchem Verhältnis er zum Hersteller dieses Produktes steht. So weit so gut. Die Schlussfolgerung, er würde deswegen Unrichtigkeiten mindestens aber schamlose Übertreibungen über Güte und Art des Produktes verbreiten, weil er ja dafür bezahlt werde, wird gerne gezogen, ist deswegen dennoch eher lächerlich. Dabei will ich gar nicht leugnen, dass Werbung heutzutage oft das erträgliche Maß des Zumutbaren überschreitet und zwischen Werbung, Belästigung und Manipulation ein schmaler Grat liegt.
Warum ich meine Gedanken hier und heute dazu aufschreibe, liegt auf der Hand. Auch bei uns tauchen immer wieder gerne user auf, die Weinhändler, Weinzubehör, Weinbücher etc. vorstellen und man liegt sicher mit seinem Eindruck nicht falsch, dass der einzige Grund für den Beitrag die Bekanntmachung des Produkts ist. Das hat ein Geschmäckle. Aber die sind eigentlich nicht mehr als die lästigen Wespen auf dem Sonntagskuchen, sie nerven kurz und dann sind sie auch schon wieder verschwunden und niemand erinnert sich an sie oder ihre Botschaft. Lohnt also keine große Aufregung.
Und deswegen möchte ich mal ganz klar stellen. Man kann kein Omelett braten, ohne ein paar Eier zu zerschlagen. Wenn wir ein Forum haben wollen, dass auch allen offen steht, die sich beruflich oder semiprofessionell mit Wein beschäftigen, dann können wir nicht von den Mitgliedern verlangen, dass sie ihr berufliches Know-how und ihr berufliches Engagement an der Haustür bzw. am Anmeldefeld abgeben und so tun, als gäb's das alles nicht. Es überwiegen doch eindeutig die positiven und wertvollen Informationen und der Input der Kollegen und der Hintergrund ist auch transparent. Ob einem nun der persönliche Stil der einzelnen Herrschaften gefällt, na sei's drum, nicht jeder hat die charmante Eloquenz der Kollegen weinfex oder thvins.
Jedenfalls ist das in meinen Augen kein Grund, deswegen immer wieder einen kleinen Krach vom Zaun zu brechen, der, soweit ist uns ja allen die foriale Eigendynamik vertraut, gerne dann in einem großen mit Generalaufwasch endet. Das funktioniert im Prinzip wie Ehekrach, der fängt auch meist ganz harmlos an mit "Das Ei ist hart" und endet in "…nie hörst Du zu…" – "… immer hast Du was zu meckern …" – "…. damals im Urlaub hast Du auch …." – "…. Deine Kinderstube …." – " …. meine Güte ….." – " …. kannst ja gehen, wenn's Dir nicht passt …." (also das ist jetzt so frei erfunden und nicht etwa eine Mitschrift unserer häuslichen wörtlichen Rede, nur dass das jetzt klar ist).
So, das musste vielleicht noch mal gesagt werden.
Und darauf trinken wir einen Süßwein. Ich finde, Süßweine haben etwas Beruhigendes, etwas Sanftes an sich und so sind sie sicher gut geeignet, etwaige Aufregungen der letzten Tage zu glätten.
Süßweine, wenn sie als Essensbegleiter eingesetzt werden, gibt es ja in der Regel am Ende des Menüs zu Käse und Dessert, bei Vorspeisen, die Gänseleber enthalten auch gerne zum Entrée oder auch als Apéritif. Leider haben Süßweine noch keinen gleichberechtigten Status neben ihren Weinkollegen erreicht, was sicher auch daran liegt, dass sie nicht nur ihre alkoholische Wirkung entfalten sondern auch sättigen, nach zwei Gläsern hat man das Gefühl, der Magen ist schon gut gefüllt.
Die Könige der Süßweine in Frankreich sind ohne Frage die Sauternes, allerdings gibt es in den umliegenden Appellationen z.B. Barsac, Cadillac, Cérons oder etwas weiter entfernt Montbazillac nicht minder spannende Weine zu entdecken. Und vor allem im Großen und Ganzen in einem wirklich annehmbaren Preisniveau (wenn man mal von Climens absieht, der ja sowieso immer als Sauternes durchgeht
Übrigens hatte ich ein sehr nettes Erlebnis bei meinem allerersten ProWein-Besuch vor einigen Jahren, wo ich auch am Gemeinschaftsstand Sauternes aufschlug. Mich hatte just zu der Zeit eine ganz üble Erkältung erwischt und ich hatte mich deswegen freiwillig als Fahrer und Übersetzer für Französisch gemeldet, schmecken konnte ich sowieso nichts und Spaß machte mir auch kein Wein.
Während also Herr susa und unsere Gruppe probierten und schwärmten hielt ich mich an Mineralwasser und Tempotücher und ein netter Herr fragte etwas indigniert, ob ich nicht auch mal probieren wolle. Ich verwies auf meinen Zustand und bedauerte. Sauternes, so wurde mir beschieden, sei die allerbeste Medizin gegen alles, und selbst wenn mir die Feinheiten des Weines nicht ganz aufgehen konnten, bedauerlicherweise, so sei doch die heilsame Wirkung unbestritten und je besser der Wein desto durchschlagender die Wirkung und kredenzte mir mit einer Geste, die jeden Widerstand kategorisch untersagte, ein ganzes Glas Climens. "Austrinken" befahl er noch und ich gehorchte und was soll ich sagen, danach ging es mir gleich viel besser
Der bordelaiser "Weißweinpapst" Denis Dubourdieu hat 2002 zwei alte Besitztümer im Barsac aufgekauft, die Châteaux Hillot und Haura und bewirtschaftet sie unter dem Namen Haura. Neben einem recht passablen Roten (Dubourdieu hat in meinem Augen die überwiegende Kompetenz beim Weiß- und Süßwein) präsentiert er einen wunderbaren Süßwein.
2006 Château Haura
Cérons
80% Sémillon, 20% Sauvignon blanc, von klarem frischen Zitronengelb nach Quitte und Aprikose duftend am Gaumen sanft und fruchtig frisch, Zitrusaromen, Vanille, Blütenhonig aber auch eine zarte kühle Mineralik und ein feiner langer Abgang.
Dubourdieu legt Wert auf die Feststellung, dass die Ernte- und Verarbeitungsprozesse auf Haura die gleichen sind wie auf seinem Flaggschiffgut Doisy-Daëne. Muss er ja, Werbung, klar, was sollte der Verbraucher auch sonst von ihm halten
Wichtig ist aber, wie immer beim Wein, im Glas und im Glas macht der Wein wirklich Spaß, egal ob gut gekühlt als Aperitifwein genossen oder, was mir besonders gut gefallen hat, zu einem kombinierten Käse- und Fruchtdessert, nämlich einem Blauschimmelkäse mit marinierten Birnen- und Rote-Bete-Kugeln. Besonders spannend war der Kontrast der erdig-würzigen Rote Bete mit dem Süßwein.
Prost!