Aber ich bin ja ein freundlicher Mensch, und vielleicht ist was mit Mutter, also heraus aus dem Bergwerk, ans Telefon und dann ist am anderen Ende ein netter Bekannter, von dem man lange nichts mehr gehört hat, und der sich "einfach mal wieder melden" wollte, nach kurzer Zeit aber auf sein Anliegen zu sprechen kommt: "Susa, Du verstehst doch was von Wein!"
Nun ja, könnte ich antworten, ich wisse da, dass ich nichts wisse, aber derlei Bescheidenheiten würden die Sache nur unnötig in die Länge ziehen, also frisch ans Werk und den Stier bei den Hörnern gepackt "Ja, doch, warum?"
Und dann kommt's, wer von uns kennt das nicht. Man brauche da einen Rat, der Chef, der Kollege, der (zukünftige) Schwiegervater, das sei ein veritabler Weinkenner "der kennt sich richtig gut aus, doch" und man selber habe doch so gar keine Ahnung und nun suche man ein Weingeschenk, das was hermachen solle, da man sich auf keinen Fall blamieren dürfe (Karriere, Betriebs- bzw. Abteilungsfrieden, (zukünftiges) Familienglück steht auf dem Spiel). Und wie viel man da so ungefähr anlegen müsse. Eine schwere Verantwortung lastet also auf meinen Schultern.
In diesem Fall wäre es ja nicht verkehrt, herauszufinden, wie weit es mit den Weinkenntnissen und der Weinliebhaberei des zu Beschenkenden (das sind seltsamerweise nie Damen) her ist und was seine bevorzugten Weine sind. Einem Liebhaber gereifter Baroli mit einem Muscadet-Sèvre et Maine sur lie zu kommen wäre vielleicht keine gute Idee. Und nach meiner Erfahrung ist es mit der Weinkennerschaft und der Weinliebhaberei von Chefs in den meisten Fällen nicht allzu weit her, anwesende mitlesende Chefs natürlich ausgenommen.
Also gut, erst mal fragen, was trinkt der Chef denn so gerne und ob der Schenker zufällig weiß, wo der Chef seine Weine zu kaufen pflegt. Hat man das herausgefunden (falls es einen Händler dV gibt), ist man fein raus, dann kann man raten, sich dorthin wegen einer Empfehlung für Herrn XY zu begeben. In der Regel sind die Antworten auf derlei Fragen aber nicht sehr ergiebig, das weiß der Bekannte doch alles nicht, aber als man letztes Mal dort eingeladen gewesen sei, habe es einen ganz tollen Rotwein gegeben (der sich nach einigen Rückfragen als ein Los Vascos herausstellt, womit dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Vertriebsweg klar sein sollte).
Ich hab's aufgegeben, in einem solchen Fall einen konkreten Rat zu geben, dabei kann man nur verlieren, in 4 von 5 Fällen hört man um drei Umwege, also mit der Weinkennerschaft von Familie susa sei es ja doch nicht so weit her, der Chef habe den Wein keines besonderen Blickes gewürdigt oder sogar eher maliziös abfällig konstatiert. Merke, Chefs wissen immer alles besser
Kurze 15, ich verweise den Fragenden an einen Weinhändler, den ich guten Gewissens empfehlen kann, und rate ihm, diesem genau die Fragen zu stellen, der könne dann schon was Vernünftiges zusammenstellen. "Aber der will doch nur verkaufen?"
Ja und? Vom verschenken wird der seinen Laden nicht lange halten können. Und wenn er fragwürdige Weine verkauft, wird ihm die Kundschaft wohl auf kurz oder lang untreu werden.
Andererseits frage ich mich schon, ob der Rat, sich in die Hände eines Weinhändlers zu begeben, immer der richtige ist. Natürlich besteht die Gefahr, dass der einem Laufkunden, der mit großer Sicherheit sowieso nie mehr wiederkommt, mal schnell den gerade seinen Zenith überschreitenden Ladenhüter andreht. Und nicht jeder Weinhändler (hier sind auch summarisch die in der Branche tätigen Damen gemeint) hat wirklich Ahnung von seinem Fach. Ich durfte mir auch schon anhören, dass die Touraine eine Rebsorte an der Loire sei. (Die Bemerkung, ob man das ggf. mit der Tibouren verwechselt habe, diese Rebsorte aber doch in der Provence zu finden sei, hab ich mir verkniffen. Vermutlich hätte die Dame darauf geantwortet, Quatsch, Tibouren, das sei doch dieses Schellentrömmelchen in der Rhythmussektion).
In unserer weiteren Gegend haben es in den letzten Jahren drei Existenzgründer auch mal mit einem Weinladen versucht (mit Unterstützung der Agentur für Arbeit, einer wie man ja weiß ausgewiesenen Fachinstitution im Weinwesen), am Ende sind sie mit ihrem Sortiment über die Floh- und Weihnachtsmärkte getingelt, inzwischen gibt es keinen der Läden mehr.
Die Frage, wie man einen guten Weinhändler findet, beantwortet sich also genauso wie die, wie man den guten Wein findet, der zu einem passt. Trial and error! Klar, Sortiment, Fachberatung etc. sind entsprechende Hinweise, aber wer selber keine Ahnung hat, wird die Geschichte von der Rebsorte namens Touraine für bare Münze nehmen und auch sonstigen Schwachfug glauben, den ihm irgendwer erzählt (und, noch schlimmer, den ggf. im Kreise etwas fortgeschrittenerer Kenner stolz zum besten geben, um mit seinem neu erworbenen Fachwissen zu glänzen). Urkunden von Gourmet- oder Weinzeitschriften mögen ein gewisser Hinweis sein, hier sollte man aber wenigstens mal aufs Datum schauen, ob die nicht eventuell noch aus den lange zurück liegenden Zeiten stammen, als der Geschäftsgründer selig noch hinterm Tresen stand. Ein für mich nicht unwichtiges Merkmal ist das Alter der Basisqualitäten, ein einfacher Gutsriesling, der drei Jahre oder am End noch älter ist, geht gar nicht, der gehört zu den Weinen, die müssen dem Folgejahrgang im Regal Platz machen, zur Not eben als Sonderangebotsaktion. Das wäre so ein Merkmal, das ich einem Unwissenden als kleines Indiz mit auf den Weg geben würde.
Und dann hab ich überlegt, ich such mal einfach einen Wein, einen Allrounder, nicht zu teuer, nicht zu billig, macht was her und der auch von Kennern in der Regel nicht verschmäht wird, und 25€ ist der Preis, der in solchen Fällen meistens genannt wird. Nur, um im Zweifel dann doch einen Namen in den Ring werfen zu können. Für mich ist so ein Allrounder ein ordentlicher Châteauneuf-du-Pâpe. Den Namen hat jeder schon mal gehört und man verbindet damit in der Regel Qualität. Die Flaschen mit dem geprägten Papstwappen machen auch optisch was her. Aber Achtung! Ich habe mal zu Testzwecken den in regelmäßigen Abständen bei Aldi Süd für 9.99 angebotenen probiert, der muss nicht sein. Und ein vernünftiger C9dP kostet auch in der Regel ein wenig mehr (sicher, vor Ort, und wenn man sich gut auskennt, dann kann man auch um die 10€ schon was finden, aber sicher nicht im Discounterregal, da leg ich mich jetzt mal fest – abgesehen davon – wer würde schon seinem Chef einen Wein vom Aldi schenken).
Einer meiner Lieblinge ist derzeit
2007 Châteauneuf-du-Pâpe
Pierre Usseglio
Der ist tief dunkelrot und duftet zart nach Kirschen, Pflaumen, Gewürzen, am Gaumen sehr straff und kraftvoll, wiederum Kirsche, auch Brombeere, Blaubeere, Lakritz, Fenchelkraut, Schokolade, Mineral, dezente Säure, extraktreich, kraftvolles aber nicht dominantes Tannin, harmonisch, langer feiner Abgang.
Der Wein hat Charakter, ist aber keine zu starke Herausforderung für den eher ungeübten Trinker, der sich bisher vielleicht nur mit deutschen Spätburgundern befasst hat. Ein rechter Herbst- und Winterwein mit seiner Kraft, die allerdings nicht zu wuchtig und zu fett wirkt. Für mich der perfekte Kaminwein, der meine Seele wärmt und ihr beim Baumeln vor dem Kamin hilft. Ein wenig Luft sollte man dem Wein schon gönnen, bevor man ihn genießt, das sollte man also dem so Beschenkten noch mit auf den Weg geben – und die Gläser nicht zu klein gewählt.
Prost!
(übrigens, in zwei Monaten ist Weihnachten – habt Ihr denn schon mal mit den Geschenken angefangen? Der macht sich auch sehr gut auf dem Gabentisch!