Der menschlichen Natur scheint es eigen zu sein, sich am liebsten und am ausgiebigsten mit den Dingen zu befassen, die man am allerwenigsten beeinflussen kann. Zum Beispiel mit dem Wetter. Wie geht es mit dem Wetter diesen Sommer weiter, wann erlaubt das Wetter, mit der Weinlese zu beginnen und welche Qualitäten beschert es uns.
Seit den verheerenden Hagelstürmen im Frühjahr in Deutschland reißen hier die Spekulationen nicht ab. Gott sei Dank scheinen in diesem Falle die Folgen zwar schlimm aber doch nicht so verheerend ausgefallen zu sein, wie im ersten Augenblick angenommen. Trotzdem, das Ausmalen düsterster Horrorszenarien ist eine beliebte Beschäftigung gespeist aus dem Wunsch, bei sich bietender Gelegenheit ein überlegenes "hab ich es doch gleich gesagt" abzusondern. Sind wir denn schon so medienversaut, dass nur noch die ganz große Katastrophe, der totale Verlust, der Untergang wahrgenommen wird.
Meiner Beobachtung nach legen die Bewohner südlicherer Gegenden in Europa eine wesentlich größere Ruhe an den Tag, gemäß dem bekannten Gelassenheitsgebet: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."
Nun wird die frühe(ste?) Weinlese eingeläutet. Medienwirksam hat die sehr hübsch anzuschauende rheinhessische Weinkönigin in majestätisches Textil gewandet und mit Krönchen die Lese eröffnet . Allerdings, aus diesen Trauben wird erstmal Federweißer gemacht (Federweißer, auch bekannt unter Federroter, Rauscher, Suser, Süßer, neuer Wein etc.), der ja im eigentlichen Sinne kein Wein ist, und es werden die früh reifenden Sorten geerntet. Da in diesem Jahr die Sonnenperiode früh begann und über gut drei Wochen konstant blieb, war eine entsprechend vorgezogene Entwicklung der Trauben also nur logisch. Wer früher anfängt, ist in aller Regel auch früher fertig. Auch die Frühburgunder an der Ahr, schon eine andere Nummer, stehen in den Startlöchern.
Alles in allem also wesentlich weniger spektakulär als medial durchs Dorf getrieben.
Nur in Bordeaux bleibt alles anders. Da wird es wohl mal wieder der beste, der allerbeste, der einzig wahre Jahrtausendjahrgang aller Zeiten werden, der alles bisher erlebte und getrunkene in den Schatten stellt, egal ob 21, 47, 82, 2009, 2010, einmalig, sensationell, neue Vokabeln zur Erfassung der unbeschreiblichen nicht vorstellbaren Qualität werden entwickelt werden müssen, da die bisher verwendeten auch nicht ansatzweise geeignet sind, dieses Phänomen in Worte zufassen. Preissteigerungen von 50 bis 99% zum Vorjahr werden angesichts dieser kaum vorstellbaren Güte der Weine gerade zu moderat und kundenfreundlich zu nennen und nur im Hinblick auf die Treue und Belastbarkeit der globalen Klientel nicht höher ausgefallen sein. Die internationale Weinkritik erweitert ihre Punkte-, Gläser-, Sterne- oder Prilblümchensysteme um mindestens 30%. Wetten? In 10 - 11 Monaten sprechen wir uns noch mal wieder.
Nun, das Leben wär auch ganz schön dröge, wenn man sich nur um das kümmern und über das schwätzen würde, was wirklich wichtig ist und die Zukunft geduldig abwarten würde; Soziologen haben herausgefunden, dass das Plaudern, Klatschen, Spekulieren und Ratschen über allerlei Nichtigkeiten (gerne auch über andere Zeitgenossen) eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllt, es bildet die soziale Kontrolle einer Gemeinschaft und festigt das Wertegerüst und Gefüge innerhalb derselben.
Wahrscheinlich deswegen nimmt die auf den ersten Blick und für Außenstehende absolut harmlose Frage "Und was trinken wir dazu?" in Weinkreisen eine derart zentrale und gleichwohl Identität stiftende Rolle ein. Weinunaffine Menschen würden diese Frage einfach mit Wasser, Wein oder Bier beantworten. Auf facebook erreichte letztens eine abendliche Plauderei über den passenden Wein zum chèvre landais 121 Kommentare, und am Ende immer noch kein eindeutiges Ergebnis. Weinliebhaber tun eben nichts lieber, als sich über den passenden Wein zum Essen, zum Feierabend, zum ersten Rendezvous (hier zu unterscheiden, ist er/sie ebenfalls Weinliebhaber oder nicht, im zweiten Fall wird die Beziehung zumindest schwierig) oder zum glorreichen Sieg der Fohlenelf über den Rekordmeister auszutauschen.
Beim Wein zum Fußball böten sich natürlich Weine von Fußballern an. Ja ganz recht, unter Fußballern gibt es eine ganze Reihe, die sich als nächstes Standbein nach der aktiven Karriere für die Winzerei entschieden haben. Eric Prisette, Rol Valentin und jetzt auch mit einem südfranzösischen Wein herausgekommen, zum Beispiel, ehemaliger Libero von Lille OSC, oder Andrés Iniesta, das Weingut hat er schon, recht ambitionierte Ziele ebenfalls, nur noch keine Zeit, sich darum zu kümmern – er lässt halt noch kümmern. Johan Micoud, den Werderanern noch gut bekannt, hat mit seinem Girondins-Kollegen Calmé ebenfalls vor zwei Jahren seinen ersten sehr wohlwollend aufgenommenen Wein herausgebracht (natürlich im Bordelais).
Von deutschen Fußballern ist derartiges nicht bekannt, aber bei denen ist die Zeit der Lottobüdchen und Kioske allerdings auch vorbei, die werden alle entweder Trainer, Vereinsmanager oder Fußballexperte im Fernsehen. Mir wäre kein maßgeblicher Spieler bekannt, der nach seiner aktiven Karriere mal was ganz anderes gemacht hat.
Ich schweife mal wieder ab, also was trinken wir an einem wunderbar entspannten perfekten Sonntagabend .
Wir hatten
2002 Numanthia
Toro
Ein ganz wunderbar dichter, kräftiger wirklich wollüstiger Wein, dem man aber schon seine zwei Stunden Karaffe gönnen sollte (so gut ein Fußballspiel lang, da kann man sich sowieso auf nichts anderes konzentrieren) dunkel- fast schwarzrote Farbe mit violetten Reflexen, Duft nach Brombeeren, Pflaumen, Lakritz, Gewürz, am Gaumen feine aber nicht dominante Frucht, Gewürz vor allem schwarzer Pfeffer, Holz, Bitterschokolade, Wucht, fleischig, feine Säure und Mineral, und dann ein sehr intensiver die Aromen bündelnder langer Abgang.
Ein Wein, wie ein nach begeisterndem Doppelpassspiel mit Kraft und Entschlossenheit verwandeltes Tor, nach dem sich alle Anspannung einfach nur in Jubel entlädt – großes Kino.
Prost!
Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
- susa
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Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
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Re: Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
Moin,
aaaalso, erst mal ist es ja "nur" die Lese für Federweißen, Ortega, naja. Und es ist nicht die früheste, sondern die zweite frühesteseit Beginn der Aufzeichnungen, 2007 begann die Federweißenlese ebenfalls am 8. August. "Klugsch***modus aus."
LG, Tin
aaaalso, erst mal ist es ja "nur" die Lese für Federweißen, Ortega, naja. Und es ist nicht die früheste, sondern die zweite frühesteseit Beginn der Aufzeichnungen, 2007 begann die Federweißenlese ebenfalls am 8. August. "Klugsch***modus aus."
LG, Tin
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Re: Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
Schreib ich doch, Federweißer, - außerdem haben die Rheinhessen glaube ich am 07.08. angefangen.
lg
s
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Re: Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
Hallo Susa,
danke für deine tollen Beiträge.

danke für deine tollen Beiträge.
Das ist allerdings wohl eher auf die andere Borussia gemünztEin Wein, wie ein nach begeisterndem Doppelpassspiel mit Kraft und Entschlossenheit verwandeltes Tor, nach dem sich alle Anspannung einfach nur in Jubel entlädt – großes Kino.



Viele Grüße
Aloys
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Re: Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
..... oder die eine zu einer anderen ZeitC9dP hat geschrieben:Hallo Susa,
danke für deine tollen Beiträge.
Das ist allerdings wohl eher auf die andere Borussia gemünztEin Wein, wie ein nach begeisterndem Doppelpassspiel mit Kraft und Entschlossenheit verwandeltes Tor, nach dem sich alle Anspannung einfach nur in Jubel entlädt – großes Kino.![]()
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aber mit "Lucy" wird das schon wieder
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Re: Auf ein Glas ..... 2002 Numanthia, Toro
D'accord! Ich schlage daher als "Weinwort für den BDX-Jahrgang 2011" synagog vor (pyramidal ist da wohl schon zu ausgelutscht für).susa schrieb:
...neue Vokabeln zur Erfassung der unbeschreiblichen nicht vorstellbaren Qualität werden entwickelt werden müssen, da die bisher verwendeten auch nicht ansatzweise geeignet sind, dieses Phänomen in Worte zufassen...
Ansonsten, wie immer ein herrlich zu lesender Beitrag, susa. Mit dem Weingut von Herrn Micoud hatte ich mal kurz Kontakt aufgenommen, bei DEN Preisen aber gleich wieder gekappt.
LG
Andreas
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Es soll keiner so wenig Wein trinken, dass er seiner Gesundheit schadet (Marc Aurel)
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