Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald
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Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von Gerald »

Angeregt durch die Aussage
Meineserachtens besteht aber der größtr Vorteil darin die alten sehr tiefen Wurzeln nutzen um schon sehr früh komplexe Weine zu erhalten, auf die man sonst Jahre bzw Jahrzehnte warten müsste.
im Morstein-Umveredlungs-Thread ist mir in Erinnerung gerufen worden, dass die wohl unbestritten höhere Weinqualität älterer Reben meistens mit den "tieferen Wurzeln" in Zusammenhang gebracht wird. Aber stimmt das überhaupt? Mir kommen da einige - rein theoretisch bedingte - Zweifel, nämlich:

- alte Reben werden sowohl in trockenen als auch feuchten Regionen als Träger besserer Weinqualitäten angesehen, also gleichermaßen ob sich die Rebe "anstrengen muss", um genug Wasser zu bekommen oder auch nicht.

- in tieferen Bodenschichten gibt es normalerweise weniger Mikroben, die einen wesentlichen Teil zum Aufschluss der Mineralstoffe beitragen. Das meiste Bodenleben spielt sich bekannterweise an der Oberfläche ab.

- nach allgemeinen physikalischen Grundsätzen (Oberfläche/Volumen) sollten Böden mit feinerer Körnung wie Sand oder Lehm mehr Mineralstoffe in das Wasser abgeben als grobkörnige wie Kies. Dass Weine auf solchen Böden generell bessere Weine liefern, wäre mir zumindest aber neu. Ist nicht eher das Gegenteil der Fall?

Hat jemand eine Idee dazu?

Grüße,
Gerald
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susa
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von susa »

Ich hab mal irgendwo die Erklärung gelesent, dass die langen Wurzeln noch in sehr tiefe wasserführende Schichten vordringen und insofern die Versorgung der Rebe besonders gut sei im Vergleich zu jungen Reben, deren Wurzeln noch näher der Oberfläche seien. Des weiteren dass es weniger Laubwerk im Verhältnis zu Ästen und Holz gebe und das zu extraktreicheren Trauben führe. Da die Rebwurzel durch unterschiedliche Gesteinsschichten dränge, je älter sie sei, umso vielfältiger sei der mineralische Eindruck, da die Extrakte (?) aus allen Schichte aufgenommen würde..

Leider finde ich die Quelle nicht, war wahrscheinlich irgendeine Winzerbroschüre.

lieben Gruß
susa
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susa
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von susa »

Ich erinnere mich wieder, das hat mir ein Kellermeister auf Smith Haut Lafitte erzählt, die haben im Fasskeller so eine nette Nische mit einer Statue drin (stellt glaube ich einen alten Bürgermeister von Pessac dar) und man sieht an der freigelegten Kellerwand Rebwurzeln vorbei im Boden verschwinden (die sind da bereits ein paar Meter lang) - sieht sehr imposant aus ;)

lg
s
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Gerald
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von Gerald »

Hmmm, klingt für mich irgendwie nicht richtig plausibel ...

Denn in einer trockenen Gegend (sagen wir mal Spanien) muss ja eine Rebe schon in sehr jungen Jahren ein großes Wurzelsystem ausbilden, sonst kann sie ihre Blätter nicht mit Wasser versorgen.

Und dass mehr aufgenommene Mineralstoffe zu besserer Weinqualität führen, klingt zwar auf den ersten Blick vernünftig (insb. wegen den "mineralischen" Weinen, die nur leider überhaupt nichts mit Mineralstoffen zu tun haben). Die Fakten dürften aber dagegen sprechen, denn doch gerade auf steinigen Böden (also mit großen Brocken, die verhältnismäßig viel weniger Stoffe in Lösung abgeben als feiner Löss oder Lehm) wachsen oft tolle Weine ...

Grüße,
Gerald
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pivu
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von pivu »

Ich meine nicht, dass man das pauschalieren kann. Es gibt mitunter phantastische Weine von jungen Rebstöcken, Beispiel Philippis 90er 'Saumagen 'R'' aus 7-jährigen Reben. Dazu verläuft die Kurve Alter der Rebstöcke vs Weinqualität nicht linear, mit vielen Up's ans Down's (ähnlich wie der DAX :evil: :evil: ), dennoch mit einer steten Steigerung nach oben. Anzahl der Trauben und Größe der Beeren nimmt mit dem Alter der Rebstöcke iregndwann ab, was beides der Weinqualität zugute kommt. Inwieweit genau dieser Effekt mit gutem Weingarten- und Keller-Management bei jüngeren Rebstöcken zu erzielen ist, weiß ich nicht, ich glaub' aber schon.

Ciao
Peter
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susa
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von susa »

bleibt noch die Sache mit dem Verhältnis Laub zu Holz

Ich kann allerdings auch nur von unserem alten Birn- und Pfirsichbaum sagen, dass deren Früchte wesentlich intensiver und aromatischer schmeckten (allerdings auch kleiner waren) als die Früchte der jüngeren Bäume (gleiche Sorte natürlich, also nicht Napoleons Butterbirne mit Packhams verglichen ;)).


Also irgendwas scheint dran zu sein an der Sache mit dem Alter und dem besseren Geschmack, oder nicht? ;)

lieben Gruß
susa
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Gerald
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von Gerald »

Hallo Peter,
Anzahl der Trauben und Größe der Beeren nimmt mit dem Alter der Rebstöcke iregndwann ab, was beides der Weinqualität zugute kommt.
so etwas in der Art klingt für mich viel plausibler. Ich habe schon irgendwie vermutet, dass es mit den "sekundären Pflanzenstoffen" zusammenhängt (also z.B. eben die diversen Polyphenole), die die meisten Pflanzen bei schlechteren Umgebungsbedingungen in relativ größerer Menge bilden.

Grüße,
Gerald
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Gerald
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von Gerald »

Ich kann allerdings auch nur von unserem alten Birn- und Pfirsichbaum sagen, dass deren Früchte wesentlich intensiver und aromatischer schmeckten
Das ist ja meines Wissens auch der Grund, warum für Fruchtbrände "wilde" Sorten bevorzugt werden, da sie weniger Zucker als Tafelobst enthalten und damit das Verhältnis von Aromastoffen zu Zucker höher ist.

Vielleicht ist es beim Wein auch so ähnlich: dass eine alte Rebe nicht mehr so viel Zucker assimilieren kann, die anderen Inhaltstoffe aber nicht im gleichen Maße zurückgehen?

Grüße,
Gerald
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von Zürcher »

Das mit den kleineren Trauben hab ich auch schon gehört, und nun noch meinen Senf dazu, als völlig Unwissender - bitte verzeiht mir ;) : Bei kleineren Trauben ist das Verhältnis Traubenfleisch zu Traubenkern oder Traubenhaut (Tannin) doch ein anderes, oder etwa nicht? Haben ältere Rebstöcke mehr Tannin?
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Chris
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Re: Warum liefern alte Reben bessere Weine?

Beitrag von Chris »

Die Tannine sitzen in der Traubenschale. Somit liefern kleinere Trauben einen höheren Tanningehalt wie größere (sofern die Schale denn mitverarbeitet wird), da das Verhältnis Schale zu Saft höher ist.
Grüße, Chris
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